Aus der Hochschule

Kooperationen zwischen Hochschulen und Industrie

Am 8. Juli fand in Ingelheim ein APV/DPhG-Hochschulforum zum Thema "Hochschul-Industrie-Kooperationen" statt. Dabei ging es hauptsächlich um die Rechte des geistigen Eigentums und die Kosten, die die größten Streitpunkte in den Verhandlungen über solche Kooperationen darstellen.
Foto: Bunjes
Die Teilnehmer des APV/DPhG Hochschulforums mit Gastgeber Manfred Hund, Boehringer Ingelheim (1. Reihe, 2. von links).

An der Veranstaltung, die durch den Gastgeber Boehringer Ingelheim großzügig und organisatorisch hervorragend unterstützt wurde, nahmen rund 40 Vertreter aus Hochschule und Pharmaindustrie teil.

Nach einer Einführung durch Professor Frieß von der APV-Fachgruppe Ausbildung und Wissenschaft, die die Veranstaltung initiiert hatte, und Manfred Hund, Boehringer Ingelheim, war der Vormittag Vorträgen und Diskussionen zum Thema Finanzplanung und EU-Beihilferecht gewidmet. Letzteres verpflichtet die Hochschulen seit Anfang 2009, wirtschaftlich orientierte Forschungsprojekte auf Basis einer Vollkostenrechnung durchzuführen bzw. zu finanzieren.

Auftragsforschung oder Forschungskooperation

Dr. Manthey, Forschungsdezernat der Universität Heidelberg, stellte die Hintergründe der neuen Anforderungen an die Finanzplanung und Projektabwicklung aus Hochschulsicht vor. Das im Wettbewerbsrecht der EU verankerte Beihilfeverbot soll verhindern, dass unternehmerische Tätigkeiten von z. B. Hochschulen durch öffentliche Mittel subventioniert werden und dadurch private Unternehmen benachteiligt sind.

Bei Hochschul-Industrie-Kooperationen kann die betreffende Hochschule wirtschaftlich agieren (Auftragsforschung) oder nicht-wirtschaftlich agieren (Forschungskooperation). An der Universität Heidelberg wurde ein Fließschema entwickelt, das die Abgrenzung zwischen den beiden Kooperationstypen erleichtert.

In Forschungskooperationen behält die Forschungseinrichtung in der Regel die Rechte an den Forschungsergebnissen (IP-Rechte, intellectual property, geistiges Eigentum) oder überträgt sie zu marktüblichen Preisen.

Im Fall der Auftragsforschung gehen die IP-Rechte an das Unternehmen über, das den Forschungsauftrag erteilt hat. Die öffentliche Forschungseinrichtung muss dem Auftraggeber dafür eine marktübliche Vergütung in Rechnung stellen, die sämtliche Kosten (inklusive der indirekten Projektkosten wie Räume, Verwaltung, Geräte, Literatur) abdeckt.

Bei der Berechnung der indirekten Projektkosten ("Overhead") gibt es nicht nur zwischen einzelnen Hochschulen, sondern auch zwischen einzelnen Fachbereichen derselben Hochschule erhebliche Unterschiede. Dies ist sehr unbefriedigend, weil es den Wettbewerb zwischen den Hochschuleinrichtungen verzerrt. Auch die Industrie wünscht vergleichbare Kalkulationsgrundlagen.

Vertrauen und Verlässlichkeit sind erforderlich

Dr. Schiewe, Boehringer Ingelheim, berichtete aus Industriesicht über die Finanzplanung bei Kooperationen. Neben einer angemessenen Kostenkalkulation sind wichtig:

  • die konkrete Zeitplanung des Arbeitsprogramms, für die bestimmte Personen verantwortlich sein müssen, sowie

  • geeignete Regelungen zur Geheimhaltung, zur Freigabe von Publikationen und den Rechten an den Forschungsergebnissen.

Die Industrie achtet bei Kooperationen sowohl auf die Expertise der Kooperationspartner als auch auf das gegenseitige Vertrauen und die Verlässlichkeit.

IP-Rechte: wissenschaftlicher Ruhm oder Geld?

In der anschließenden Diskussion ging es hauptsächlich um die Interessengegensätze von Hochschule und Industrie bei der Wahl des Kooperationstyps. Für Hochschulangehörige sind Forschungskooperationen häufig attraktiver, weil sie dann ohne große Einschränkungen publizieren können. Dagegen möchten sich Industrieunternehmen normalerweise die IP-Rechte sichern, weil sie die Grundlage für eine spätere wirtschaftliche Verwertung darstellen. So kann es für ein Unternehmen attraktiver sein, einen Forschungsauftrag zu vergeben, auch wenn das Projekt dadurch teurer wird. Beide Seiten beklagen häufig, dass die Vertragsverhandlungen unangemessen lang sind. Deshalb wurde der Abschluss von Rahmenverträgen zwischen einzelnen Hochschulen und Unternehmen angeregt, unter deren Dach dann einzelne Projekte recht kurzfristig vereinbart werden können. Die Firma Bayer hat damit bereits gute Erfahrungen gemacht.

An-Institute und Ausgründungen

Prof. Neubert, Universität Halle-Wittenberg, stellte Erfahrungen mit Projekten vor, die über An-Institute und Ausgründungen abgewickelt werden. In Halle ist das Institut für Angewandte Dermatopharmazie ein An-Institut, das als gemeinnütziger Verein eingetragen ist und als Bindeglied zwischen der Universität und Industrieunternehmen fungiert. Mit der Universität, in der es bis vor Kurzem angesiedelt war, ist es durch einen Kooperationsvertrag verbunden und führt in deren Auftrag zahlreiche Projekte, oft im Rahmen von Diplom-, Master- und Doktorarbeiten, durch. Dabei ist das Institut sehr flexibel, weil es nicht an einschränkende Verwaltungsvorschriften der Universität gebunden ist, z. B. bei Einstellungen und Vertragsabschlüssen. Das Institut unterliegt einer regelmäßigen Evaluierung durch die Forschungskommission der Universität.

Abtretung von IP-Rechten

Der folgende Teil der Veranstaltung war wieder dem Umgang mit dem geistigen Eigentum an Forschungsergebnissen, also den IP-Rechten, gewidmet.

Dr. Schöller, Firma Innovectis (ein Technologie-Dienstleistungsunternehmen der Universität Frankfurt), ging auf verschiedene Aspekte von vertragsgebundenen und vertragsungebundenen Hochschulerfindungen ein. Auch er wies noch einmal auf die Bedeutung des EU-Beihilferahmens und die Trennung zwischen Auftragsforschung und Forschungskooperationen hin. Bei Forschungskooperationen bieten die Arbeitsgruppen die IP-Rechte in der Regel zuerst dem Kooperationspartner zu marktüblichen Konditionen an (Erstanbietung). Bei der Gestaltung des Übertragungs-/Lizenzvertrages sollte das wirtschaftliche Risiko möglichst zwischen Universität und Unternehmen geteilt werden. Als Zahlungsarten sind Upfront-Zahlung, Milestone-Zahlungen sowie eine Umsatzbeteiligung üblich.

Der Vorschlag, den Rahmen für die Umsatzbeteiligungen bereits bei Vertragsabschluss festzulegen, löste lebhafte Diskussionen aus. Industrieseitig sei eine Festlegung der Umsatzbeteiligung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in vielen Fällen kaum durchsetzbar, weil die Kosten unkalkulierbar seien. Zudem sei es schwierig, generelle Regelungen zu finden, denn unterschiedliche Unternehmen (Weltfirmen versus Start-ups) haben hierzu durchaus unterschiedliche Einstellungen.

Dr. Mahlbacher, Boehringer Ingelheim, beleuchtete den Punkt "IP" aus Industriesicht. Er hob noch einmal die Bedeutung des Patentschutzes für die Arzneimittelentwicklung hervor und stellte das Spannungsfeld zwischen den Interessen der Hochschule (Wunsch, die Ergebnisse zu publizieren) und Unternehmen (Wunsch nach Exklusivität, Know-how-Schutz) dar. Auch er sprach sich in Hochschul-Industrie-Kooperationen für ein Geschäftsmodell aus, das auf einer Teilung des Risikos beruht. Wichtig sei ein fairer Interessenausgleich, der die Beiträge aller Partner zu dem gemeinsamen Projekt und deren Bedürfnisse berücksichtigt.

Aus Industriesicht ist das Risiko häufig nicht gleich verteilt, denn zusätzlich zur oft sehr kostenintensiven Patentanmeldung muss das Unternehmen die Entwicklungskosten des Produktes tragen.

Resümee

Sowohl der Ablauf der Veranstaltung mit lebhaften, konstruktiven Diskussionen als auch viele positive Meldungen danach zeigten, dass das Thema aktuell ist. Bleibt zu hoffen, dass nun "Best Practice"-Beispiele für die Vertragsgestaltung von Hochschul-Industrie-Kooperationen und eine Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlagen an den Universitäten folgen.


Prof. Dr. Heike Bunjes, Braunschweig



DAZ 2011, Nr. 35, S. 96

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