Fortbildung

Der tiefe Fall der Coxibe: aus Wunderdrogen wurden "Killer"

Prof. Dr. Burkhard Hinz vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie, Universität Rostock, informierte über aktuelle Aspekte zur Pharmakologie von Cyclooxygenase-Hemmern. Analgetika zählen zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln in Deutschland. Darunter auch die Nicht-Opioid-Analgetika mit peripherer und zentraler Wirkung sowie meist gleichzeitig antipyretischen und antiphlogistischen Eigenschaften. Hinz setzte einen Schwerpunkt auf die Vor- und Nachteile der Coxibe sowie auf die aktuelle Diskussion rund um das Paracetamol.
Foto: DAZ/ck
Prof. Dr. Burkhard Hinz

Angriffspunkt sind die Cyclooxygenasen (COX), die Arachidonsäure in Prostaglandine und Thromboxan umsetzen. Durch ihre Hemmung wird die Synthese von Prostaglandinen blockiert und die über Prostaglandine vermittelten Wirkungen können folglich nicht stattfinden. Alle NSAID (und Coxibe) wirken im Prinzip gleich, wobei auch zusätzliche Wirkungsmechanismen unabhängig von der COX-Hemmung diskutiert werden.

Die über COX-1 gebildeten Prostaglandine vermitteln überwiegend die im gesunden Organismus erwünschten Wirkungen wie Schutz der Magenschleimhaut oder Plättchenaggregation. Die COX-2 wird bei Entzündung gebildet, wird aber z. B. in der Niere und in Gefäßen auch konstitutiv exprimiert. Die klassischen NSAIDs hemmen beide COX-Varianten, allerdings unterschiedlich stark. Eine starke Hemmung der COX-1 ist ursächlich für die unerwünschten gastrointestinalen Wirkungen, dagegen wird das Ausmaß der Hemmung der COX-2 für die erwünschte Wirkung – Analgesie und antiphlogistische Wirkung – verantwortlich gemacht. Die Hoffnungen, die in COX-2 selektiven Substanzen gesetzt wurden, haben sich aber bisher nur zum Teil erfüllt. Von den sechs eingeführten Coxiben sind noch drei am Markt. Studien zeigten für Rofecoxib ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Deshalb wurde es 2004 weltweit vom Markt genommen. Unter Valdecoxib, das 2003 eingeführt wurde, wurden Kardiotoxizität sowie schwere kutane unerwünschte Wirkungen beobachtet: es wurde 2005 vom Markt genommen. Lumiracoxib hatte die kürzeste "Halbwertszeit": nach der Zulassung im Juli 2007 wurde es wegen Hepatotoxizität schon im November 2007 wieder vom Markt genommen. Sicher ist, so Hinz, dass COX-2-Hemmer gastrointestinale Vorteile besitzen. Allerdings sind kardiovaskuläre unerwünschte Wirkungen ein Gruppeneffekt aller Coxibe, aber sie treten abhängig von Dosis, Anwendungsdauer sowie Ausmaß der COX-2-Hemmung auf. Darum ist es unabdingbar, die Kontraindikationen zu beachten und zu versuchen, die Dosis zu reduzieren. 2005 wurde ein entsprechender Hinweis in die Fachinformationen aufgenommen: Da das kardiovaskuläre Risiko der Behandlung mit der Dosis und Therapiedauer zunehmen kann, sollen Coxibe nicht mehr kontinuierlich eingenommen werden, sondern in der niedrigst wirksamen Dosis für den kürzestmöglichen Zeitraum. Schon bei einer 80%igen COX-2-Hemmung komme es zu einer Analgesie. In Deutschland werde noch viel zu häufig überdosiert. Man müsse sich die Frage stellen, ab welchem Umfang der COX-2-Hemmung sich das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass auch antirheumatische Diclofenac-Dosen (75 mg) die COX-2 hemmen. Paracetamol ist eine altbewährte Substanz, deren Sicherheit umfassend belegt wurde. Bekannt sind seine hepatotoxischen Eigenschaften. Hinz stellte die Hypothese vor, dass Paracetamol ein präferentieller COX-2-Hemmer ist. Es ist nicht geeignet für die Dauertherapie und es ist höchste Aufmerksamkeit erforderlich bei der Kombination mit nicht-steroidalen Antiphlogistika.

Klassifikation von COX-2-Inhibitoren

Substanz
IC50 -Ratio
(COX-1:COX.2)
Ibuprofen
Salicylsäure
Flurbiprofen
Indomethacin
0,5
1
1
1,0
nicht-selektive COX-Inhibitoren
Meloxicam
Diclofenac
11
19
präferentielle COX-Inhibitoren
Celecoxib
Valdecoxib
Rofecoxib
Etoricoxib
Lumiracoxib
30
261
276
344
433
selektive COX-Inhibitoren

ERRATUM

Paracetamol und COX-Inhibitoren


Im Bericht von der Scheele-Tagung ("Rheuma ist mehr als ein Zipperlein") in der DAZ 2011, Nr. 46 sind im Beitrag über den Vortrag von Prof. Dr. Burkhard Hinz vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie, Universität Rostock, einige Fakten leider missverständlich und nicht richtig wiedergegeben worden. Das Resüme des Vortrags von Prof. Hinz war natürlich nicht, dass Paracetamol "eine altbewährte Substanz sei, deren Sicherheit umfassend belegt wurde". Vielmehr machte der Referent deutlich, dass Paracetamol zwar oft zu den sogenannten altbewährten Substanzen gerechnet wird, dies jedoch nicht bedeutet, dass seine Sicherheit umfassend belegt ist. Dringend angeraten wurden vom Referenten randomisierte Studien zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos sowie zu gastrointestinalen Nebenwirkungen bei Langzeitgabe. Des Weiteren stellen wir klar, dass die von uns gewählte Überschrift nicht die Position des Referenten wiedergibt. Im Vortrag von Prof. Hinz wurde vielmehr deutlich, dass Coxibe aufgrund ihrer im Vergleich zu klassischen nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) deutlich reduzierten Nebenwirkungen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt wichtiger Bestandteil der Pharmakotherapie bleiben. Das kardiovaskuläre Risikoprofil von Coxiben und NSAIDs (Ausnahme: Naproxen) lässt sich nach gegenwärtigem Stand der Forschung als vergleichbar einschätzen. Wir bedauern sehr das Missverständnis und die irreführende Darstellung.

ck


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DAZ 2011, Nr. 46, S. 87

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