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Berufliche Perspektiven nach der Babypause
Die "stille Reserve" aktivieren
Deutschland trägt die rote Laterne: Laut Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten unter allen 25- bis 54-jährigen Müttern lediglich 56 Prozent, deutlich weniger als der OECD-Durchschnitt von 64 Prozent. Auch ist die Vollzeiterwerbstätigkeit zwischen 1991 und 2010 um 20 Prozent zurückgegangen. Im gleichen Atemzug begaben sich immer mehr Frauen in Mini- und Teilzeitjobs.
"Hier bleiben Potenziale ungenutzt, da fast die Hälfte der teilzeitbeschäftigten und zwei Drittel der geringfügig beschäftigten Frauen länger arbeiten möchten", stellt IAB-Forscherin Susanne Wanger fest. Tatsächlich hat sich die Dauer der Erwerbsunterbrechung aber immer mehr verlängert, trotz gut gemeinter Maßnahmen des Gesetzgebers zur Geburtenförderung wie dem Elterngeld. Die Folgen liegen auf der Hand: Immer noch klaffen Welten zwischen den Gehältern von Kolleginnen und Kollegen.
Subtile Diskriminierung
Diese Ungleichbehandlung läuft allerdings im Verborgenen ab. Auf dem Papier sind die Arbeitsentgelte von Frauen und Männern, etwa durch Tarifverträge definiert, identisch. Doch die Realität sieht anders aus: Mütter sind eben nicht 24 Stunden am Tag verfügbar, können nicht beliebig viele Überstunden ableisten und müssen besser planen. Bei Beförderungen werden sie meist übergangen. Führungspositionen sind immer noch "seine" Domäne. Neben Karrierefrust führt diese Entwicklung gerade im Alter zu Problemen: Rentenlöcher betreffen vor allem Frauen. Auf die Versorgung durch Lebenspartner sollte heute niemand mehr setzen. Deshalb ist der Staat in der Pflicht, durch regulatorische Maßnahmen die Berufstätigkeit und speziell den Wiedereinstieg von Frauen zu fördern.
Rückkehr fördern
Zwar hat sich die Betreuungssituation für Kinder mittlerweile verbessert, gerade in ländlichen Gegenden gibt es aber nach wie vor zu wenige Angebote. Auch versucht die Bundesagentur für Arbeit bereits seit Jahren, Berufsrückkehrerinnen mit Fördermöglichkeiten zu unterstützen. Der Erfolg hält sich in Grenzen, da viele Mütter über Jahre keinen Job mehr suchen und als sogenannte "stille Reserve" dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Wissenschaftlerinnen des IAB unterscheiden dabei drei Gruppen:
Frauen, die wieder arbeiten möchten und aktiv suchen, aber keinen Job finden,
Frauen, die zwar wieder in den Job wollen, aber nicht selbst die Initiative ergreifen,
- Frauen ohne Arbeitswunsch.
Wie statistische Erhebungen zeigen, waren im Jahr 2008 rund 160.000 Frauen als Berufsrückkehrerinnen gemeldet. Die "stille Reserve" lag bei etwa 300.000, drei Viertel von ihnen lebten in Westdeutschland. Sie waren meist verheiratet (69%), zwischen 55 und 64 Jahre alt (33%) und hatten einen beruflichen Bildungsabschluss (54%).
Falsche Anreize
Um Frauen der "stillen Reserve" wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, müssten zunächst falsche Anreize wie das Ehegattensplitting gestrichen werden, heißt es vom IAB. Beispiele aus anderen EU-Staaten zeigen, dass es einerseits bessere Maßnahmen zur Familienförderung gibt, andererseits kommen derzeit auch kinderlose Paare in den Genuss des steuerlichen Bonus. Im gleichen Atemzug wären auch die Rahmenbedingungen für Minijobs auf den Prüfstand zu stellen.
Arbeitgeber hingegen sollten in die Pflicht genommen werden, flexibler auf familiäre Bedürfnisse einzugehen und die laut IAB "vorherrschende Überstunden- und Anwesenheitskultur" kritisch zu hinterfragen.
Im Rahmen der "Perspektive Wiedereinstieg" will auch die Bundesagentur für Arbeit aktiv werden: mit Beratungsangeboten und mit Hilfen zur Kinderbetreuung. Dann heißt es auch für den Staat, alle längst versprochenen Krippenplätze, Kitas und Kindergärten endlich zu realisieren.
Weitere Informationen
. Böhm, K. Drasch, S. Götz und S. Pausch: Potenziale für den Arbeitsmarkt – Frauen zwischen Beruf und Familie, IAB-Kurzbericht Nr. 23.
S. Wanger: Ungenutzte Potenziale in der Teilzeit: Viele Frauen würden gerne länger arbeiten, IAB-Kurzbericht Nr. 9. www.perspektive-wiedereinstieg.deMichael van den Heuvel
DAZ 2012, Nr. 10, S. 115
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