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Interpharm 2012
Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten
Rund 11% der über Sechzigjährigen und etwa 30% der über Achtzigjährigen leiden an einer Harninkontinenz. Vielleicht liegen diese Zahlen auch höher, da nur ein geringer Teil der Betroffenen offen über seine Erkrankung spricht und sie mitunter einem "natürlichen Alterungsprozess" zuschreibt. Neben den mit der Harninkontinenz verbundenen medizinischen Problemen (Infekten, Hautschäden, Depressionen, Stürzen) geht die Erkrankung häufig mit massiven sozialen Einschnitten einher und ist oftmals der ausschlaggebende Grund für eine Heimeinweisung.
Man unterscheidet mehrere Formen der Harninkontinenz, so die Belastungs-, Drang- oder Misch-inkontinenz, die neurogene Harnblasenhyperaktivität, den unfreiwilligen Urinverlust, die chronische Harnretention und extraurethrale Formen. Bei Frauen liegen vorwiegend Mischformen vor, Männer sind tendenziell häufiger von Dranginkontinenz betroffen. Der Schweregrad aller Formen steigt im Alter an, Gründe hierfür sind die abnehmende Blasenkontraktilität, ein verringertes Fassungsvermögen der Blase, ein verspätetes Harndranggefühl, die erhöhte Miktionsfrequenz, eine relative Detrusorüberaktivität sowie hormonelle Umstellungen. Differentialdiagnostisch muss die Harninkontinenz von dem Harnwegsinfekt unterschieden werden, der häufig ähnliche Beschwerden verursacht.
Um Art und Ausmaß der Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten richtig einschätzen und die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen einleiten zu können, sollte vor einer Behandlung zwingend ein mehrdimensionales geriatrisches Basisassessment durchgeführt werden. In dieses fließen unter anderem die Symptomatik, Fragen der Lebensqualität sowie die Diagnose mit ein. Die Beratung erfolgt idealerweise in einer speziell für ältere Menschen konzipierten Beratungsstelle, in der auch die Angehörigen und Pflegenden informiert werden.
Therapie: konservativ, operativ oder medikamentös
Unter die konservativen Maßnahmen fallen Verhaltensmodifikationen wie etwa die Regulierung des Trinkvolumens, Gewichtsreduktion, Beckenbodengymnastik, begleitende und Physiotherapie oder Toilettentraining, zu den chirurgischen Methoden zählen minimalinvasive Eingriffe wie beispielsweise das Anlegen spannungsfreier Vaginalbänder.
Begleiterkrankungen wie Infekte der Harnwege, Hormonveränderungen oder neurologische Erkrankungen müssen berücksichtigt werden. Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Art der Harninkontinenz. Generell ist zu überlegen, ob eine Verordnung von Diuretika oder alpha-Blockern vorliegt, die eventuell abgesetzt oder substituiert werden können. Liegt eine überaktive Blase vor (Dranginkontinenz), so werden meist Anticholinergika wie Oxybutynin, Tolterodin, Propiverin, Solifenacin, Darifenacin oder Trospiumchlorid eingesetzt. Letzteres kann als quartäres Amin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und weist dadurch weniger zentralnervöse Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Schwindel, Obstipation oder Sehstörungen auf. Alle Anticholinergika reduzieren die Detrusorkontraktilität. Dies resultiert in einer Abnahme des maximalen Detrusordrucks und einer Zunahme der funktionellen Blasenkapazität: das Miktionsvolumen steigt, die Miktionsfrequenz nimmt ab. Alpha-Sympathomimetika spielen im geriatrischen Alltag keine Rolle. Bei der Belastungsinkontinenz der Frau kann der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Duloxetin eingesetzt werden, Daten zur Anwendung bei multimorbiden, hochbetagten Patientinnen liegen allerdings nicht vor. In therapieresistenten Fällen kann unter anderem eine Injektion von Botulinum-A-Toxin in den Detrusor erwogen werden.
pj
InternetAWMF-Leitlinie Harninkontinenz. S2-Leitlinie Nr. 084/001; letzte Überarbeitung September 2009 |
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