Recht

Wenn die Rakete falsch abbiegt

(mh/bü). "The same procedure as every year". Dieser Satz fällt nicht nur im wohl berühmtesten Fernseh-Silvester-Sketch immer wieder – auch die Feuerwehren im Land beten ihn herunter. Die Gründe für Brandunfälle reichen von Pech über Unaufmerksamkeit bis zur Dussligkeit. Belege dafür liefern immer wieder auftretende Vorfälle. Hier einige Urteile dazu:

Nicht jede Gefahr kann vorhergesehen werden – Feuert ein Hausbesitzer am Neujahrstag eine Leuchtrakete ab, die zwar zunächst gerade nach oben steigt, dann aber zur Seite schwenkt, durch eine Spalte in der Außenwand in eine Scheune auf dem Nachbargrundstück eindringt und dort explodiert, so hat der Nachbar (hier seine – den Schaden in Höhe von 417.000 Euro regulierende – Gebäudeversicherung) grundsätzlich keinen Ausgleichsanspruch. Begründung: Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, "dass das zu einer Gefährdung führende Verhalten auf dem Nachbargrundstück dem Bereich der konkreten Nutzung dieses Grundstücks zuzuordnen ist und einen sachlichen Bezug zu diesem aufweist". Daran habe es hier aber gefehlt, weil das Abschießen einer Feuerwerksrakete auch noch am Abend des Neujahrstages in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Wohnnutzung des Grundstücks stand, "sondern der Befolgung eines gesellschaftlichen Brauches diente, bei dem die Wahl der Abschussstelle mehr oder weniger einer weit verbreiteten Übung entsprechend erfolgte, ohne dass ein darüber hinausgehender sachlicher Bezug zu der Wohnnutzung erkennbar" gewesen sei. (Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren aber dennoch an die Vorinstanz zurückverwiesen, die noch zu prüfen hatte, ob der "feuernde" Nachbar mit Blick auf die – auch ihm angeblich bekannten – Öffnungen in der Scheune nicht doch fahrlässig gehandelt habe und deshalb schadenersatzpflichtig sei. Das Oberlandesgericht Stuttgart verneinte das – Az.: 10 U 116/09) (BGH, V ZR 75/08)

Wer angeduselt bei Kerzenschein einschläft, handelt grob fahrlässig – Hat ein Mann am Silvesternachmittag "zwei Gläschen Sekt" getrunken und bereitet er seinen Partykeller für die am Abend anstehende Feier vor, indem er wertvolle Teppiche an die Seite schiebt, so handelt er grob fahrlässig, wenn er fünf Kerzen auf einem Ständer anzündet, der in unmittelbarer Nähe der zusammengerollten Teppiche steht, er sich hinlegt und später eine Kerze auf einen Teppich fällt und diesen schwer beschädigt. Folge: Die Hausratversicherung muss nicht zahlen. (Weil der Fall vor dem 1.1.2008 passierte, ging der Mann hier komplett leer aus. Mittlerweile darf der Versicherer seine Leistungen nur in einem der Schwere des Ver-schuldens des Versicherten entsprechenden Verhältnis kürzen.) (OLG Köln, 9 U 113/09)

Ein fast Elfjähriger haftet für Brandwunden nach "Feuerwerk" – Zündet ein fast elfjähriger Junge (hier am Tag vor Silvester) einen Feuerwerkskörper (hier eine "Biene"), der in der Kapuze eines Mädchens landet und erhebliche Verbrennungen verursacht, so haftet er für den Schaden einschließlich Schmerzensgeld (hier in Höhe von 5000 Euro zugesprochen), wenn er normal und altersgerecht entwickelt ist und somit "die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht" hatte. (Hier wehrte sich der Bub gegen seine Inan-spruchnahme mit dem Argument, nach dem Zünden der "rotierenden Biene" einen Schreck bekommen zu haben, was zu einem "Wegwerfreflex" geführt habe – vergeblich: Das Oberlandesgericht Nürnberg verurteilte ihn zum Ersatz auch aller künftigen Folgen seines Tuns.) (Az.: 8 U 3212/04)

Briefkasten-Böller in der Silvesternacht sind kein Verbrechen – Ein Vermieter darf ein Mietverhältnis nicht deshalb fristlos kündigen, weil Gäste eines Mieters in der Silvesternacht – leicht angetrunken – Böller in Hausbriefkästen gesteckt und dadurch Schäden angerichtet haben. Ein Mieter muss seine Gäste ohne besondere vorhergehende Vorkommnisse nicht ständig "im Auge behalten", erst recht nicht "überwachen". Er kann regelmäßig nicht für das Verhalten seiner Gäste verantwortlich gemacht werden. (AmG Berlin-Lichtenberg, 11 C 80/05)

Jugendliche sollten "vorsichtig" mit Feuerwerk umgehen – Zündet eine 16-Jährige in der Silvesternacht ein "Bienchen" in der Nähe eines 12-jährigen Mädchens, das davon getroffen wird und erhebliche Brandverletzungen erleidet, so ist die "Feuerwerkerin" schadenersatzpflichtig. Das Thüringer Oberlandesgericht: An die Voraussicht und Sorgfalt auch jugendlicher Personen, die ein Feuerwerk zünden, sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssten sie einen Standort wählen, von dem aus Menschen oder Sachen "nicht ernsthaft gefährdet" werden könnten. Denn ein Fehlstart – wie hier – könne niemals völlig ausgeschlossen werden. (Hier wurde der 12-Jährigen jedoch ein 50-prozentiges Mitverschulden angerechnet, weil sie selbst dazu beigetragen habe, sehr nahe am "Brandherd" zu stehen und außerdem "leicht entzündbare synthetische Kleidung" getragen habe. 15.000 Euro Schmerzensgeld kamen für sie aber dennoch heraus.) (Az.: 5 U 146/06)

Auf Gäste aufpassen – oder Schaden mittragen – Vergewissert sich der Gastgeber einer Silvesterparty nicht, ob die von seinen Gästen gezündeten Feuerwerkskörper auch wirklich "gezündet" haben und kommt es durch einen "Spätzünder" zu einem Wohnungsbrand, so haftet der Hausherr zu einem Drittel und der Verursacher zu zwei Dritteln für den Schaden. Dies gilt auch, wenn der Wohnungsbesitzer selbst nicht zu Hause war und seiner erwachsenen Tochter "das Feld überlassen" hatte. (Oberlandesgericht Köln, Az.: 11 U 126/99)



AZ 2013, Nr. 1/2, S. 5

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