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Regierung prüft Freigabe der „Pille danach“
Konträre Reaktionen auf Expertenempfehlung – Linke machen Druck
Das Echo auf die Empfehlung des Sachverständigenausschusses, Levonorgestrel (LNG) als Notfallkontrazeption zur einmaligen oralen Anwendung in einer Einzeldosis von bis zu 1,5 mg ohne Rezept verfügbar zu machen, war zwiegespalten. Zustimmung gab es von der Bundesapothekerkammer: „Die wohnortnahen Apotheken mit ihrem niedrigschwelligen und flächendeckenden Nacht- und Notdienst können die Patienten kurzfristig versorgen, inklusive der notwendigen Beratung“, erklärte ihr Präsident, Dr. Andreas Kiefer. Auch der Deutsche Pharmazeutinnen Verband (dpv) begrüßte die Entscheidung. Durch die Apothekenpflicht sei eine fachkundige Beratung weiterhin gewährleistet.
Ähnlich fielen die Reaktionen bei der Opposition aus: Endlich setze sich die Vernunft durch, erklärten Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik bei den Grünen, und die Grünen-Sprecherin für Prävention und Gesundheitspolitik, Kordula Schulz-Asche. Statt Ideologie und ökonomischen Interessen Einzelner Vorschub zu leisten, könnten Frauen in Not jetzt selbstbestimmt und schnell agieren. Der Koalitionspartner setzt sich ebenfalls „für einen vereinfachten rezeptfreien Zugang“ ein. „Die positiven Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen, dass sich durch einen einfacheren Zugang beispielsweise die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche verringert“, erklärte die neue gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis.
Ärzte und CDU-Politiker weiterhin dagegen
Mit deutlicher Kritik reagierte hingegen der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn: „Die Entscheidung des Sachverständigenausschusses ist das falsche Signal“, warnte er. Notfallkontrazeptiva seien keine Smarties und die Sicherheit der Patientinnen müsse vorgehen. Die ernsthaften Nebenwirkungen seien nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus gebe es „bessere und wirksamere“ Präparate als LNG. Dessen Freigabe bedeute daher, „dass die Patientin über das bessere und neuere Präparat, Ulipristalacetat, das seit drei Jahren weltweit als das Standardpräparat gilt, gar nicht informiert wird, es ihr aber zumindest bei der Apotheke nicht so einfach zugänglich wäre“.
Zudem bleibt aus Sicht des Gesundheitspolitikers nur durch das Beratungsgespräch zwischen Arzt und Patientin – „ein Dialog, den der Beipackzettel nicht ermöglicht“ – die gesundheitliche Vorsorge und die Intimsphäre der Patientinnen ausreichend bewahrt. „Denn beim Apothekennotschalter mit Schlitz scheint mir die eher nicht gegeben.“ Dem ärztlichen Beratungsbedarf stimmte Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, zu – und warnte ebenfalls vor der rezeptfreien Abgabe. Die „Pille danach“ bleibe ein „Notfallmedikament mit Nebenwirkungen“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. An der ärztlichen Beratung sei daher festzuhalten.
Bundesgesundheitsminister schweigt
Das Votum des Sachverständigenausschusses ist letzten Endes nur eine Empfehlung an den Verordnungsgeber. Wie Gröhe entscheiden wird, ist noch immer ungewiss. Bislang schweigt er zu dem Thema. Sollte er sich für den OTC-Switch entscheiden, dürfte er aber keine Schwierigkeiten bei der Umsetzung haben, da sich die Mehrheit im Bundesrat bereits dafür ausgesprochen hat. Der neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Karl-Josef Laumann (CDU), erklärte laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ indes, er halte die Rezeptpflicht für notwendig. Denn: „Das Patienten-Arzt-Gespräch hat eine hohe Bedeutung, um die Qualität sicherzustellen – und ist durch nichts Vergleichbares zu ersetzen.“
Linksfraktion macht Druck
Die Linke setzt die Bundesregierung indes unter Druck: In einem Antrag fordert die Fraktion, den Bundesratsbeschluss zur rezeptfreien „Pille danach“ zügig umzusetzen. Die Regierung soll dafür sorgen, dass Notfallkontrazeptiva mit maximal 1,5 mg Levonorgestrel pro abgeteilter Arzneiform bereits ab dem 1. Mai 2014 rezeptfrei erhältlich sind. Durch die Apothekenpflicht werde die notwendige Beratung der Patientinnen weiterhin „kompetent gewährleistet“, betonen Gregory Gysi und Kollegen – gegebenenfalls sei dabei an die Ärztin oder den Arzt weiter zu verweisen.
Der Fraktion ist dabei bewusst, dass die Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur Folge hätte, dass sie für junge Frauen ab 12 Jahren nicht mehr zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig wäre. Um durch die Neuregelung niemanden schlechter zu stellen und „sozialselektive Effekte“ zu verhindern, sei daher eine Regelung zur Erstattungsfähigkeit der rezeptfrei erhältlichen „Pille danach“ erforderlich, betonen die Abgeordneten. Die Bundesregierung solle daher einen Gesetzentwurf vorlegen, der ebenfalls mit Wirkung zum 1. Mai 2014 im SGB V die Erstattungsfähigkeit rezeptfreier Präparate zur Notfallkontrazeption gewährleistet.
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