Prisma

Darmbakterien und Krebstherapie

Interaktion mit Checkpoint-Inhibitoren

cae | Zwei soeben publizierte experimentelle Studien haben ergeben, dass bestimmte Darmbakterien die Wirksamkeit von Arzneimitteln der immunologischen Krebstherapie fördern.
Foto: Dan Race – Fotolia.com

Das maligne Melanom wird oft resistent gegen Krebstherapeutika. Darmbakterien könnten die Sensitivität zurückbringen.

Forschern der Universität Chicago fiel bei Experimenten mit Labormäusen auf, dass die Melanom-transplantierten Mäuse aus zwei unterschiedlichen Zuchtanstalten sehr unterschiedlich auf die Gabe von monoklonalen Antikörpern reagierten, die zur Immuntherapie des malignen Melanoms zugelassen sind: die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab, Nivolumab und Pembrolizumab, die T-Lympho­zyten gegen Tumorzellen aktivieren, indem sie das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Protein 4 (CTLA-4) oder Programmed-death-Liganden 1 (PD-L1) blockieren (s. DAZ 2015, Nr. 27, S. 46). Nachdem die Mäuse drei Wochen lang gemeinsam in einem Käfig gelebt hatten, waren die Unterschiede jedoch verschwunden, und zwar hatten sich die bisher unempfindlichen Mäuse den von Anfang an empfindlichen Mäusen angeglichen. Als Ursache wurde erkannt, dass die unempfindlichen Mäuse einen relativ sterilen Darm gehabt hatten und durch den Kontakt mit den anderen Mäusen allmählich mit Darmbakterien infiziert worden waren.

In weiteren Experimenten erzielten die Forscher denselben Effekt sofort, wenn sie den nicht empfindlichen Mäusen Kot von den empfindlichen Tieren transplantierten und wenn sie sie mit einer Mixtur typischer Darmbakterien infizierten. Auf der Suche nach den für diesen Effekt hauptverantwortlichen Bakterien identifizierten sie die Gattung Bifidobacterium, die außerhalb des Darms z. B. im Joghurt vorkommt und in probiotischen Lebensmitteln angereichert ist.

Eine Arbeitsgruppe in Villejuif bei ­Paris beobachtete, dass die Darmbakterien Bacteroides fragilis und B. thetaiotamicron bei Mäusen, die Ipilimumab erhielten, häufig als unerwünschten Effekt eine Colitis verursachten. Andererseits fanden sie, dass bei sterilen Mäusen ohne diese Bakterien der Anti-Tumor-Effekt von Ipilimumab fehlte.

Die Wechselwirkung zwischen Darmbakterien und den monoklonalen Antikörpern stellt man sich derzeit so vor: Die Bakterien interagieren im Darm indirekt mit dendritischen Zellen, die wiederum die T-Lymphozyten aktivieren, Jagd auf Tumorzellen zu machen. Die experimentellen Befunde sind deshalb so interessant, weil die genannten Checkpoint-Inhibitoren nur bei etwa jedem dritten Patienten wirksam sind. Theoretisch ließe sich die Wirksamkeit durch die gezielte Manipulation der Darmflora steigern. Ob dies auch praktisch umsetzbar ist, lässt sich derzeit nicht abschätzen. |

Quellen

Sivan A, et al. Commensal Bifidobacterium promotes antitumor immunity and facilitates anti-PD-L1 efficacy. Science; Epub 5.11.2015

Vétizou M, et al. Anticancer immunotherapy by CTLA-4 blockade relies on the gut microbiota. Science; Epub 5.11.2015

Das könnte Sie auch interessieren

Checkpoint-Inhibitoren in der Tumortherapie

Erfolgreich die körpereigene Antitumor-Immunantwort verstärken

Erfolge durch Verstärkung der körpereigenen Antitumor-Immunantwort

Checkpoint-Inhibitoren in der Tumortherapie

Kein Zusatznutzen bei malignem Melanom

G-BA: „Nein“ zu Nivolumab plus Ipilimumab

Von der unspezifischen Aktivierung zu passgenauen Checkpoint-Inhibitoren

Antikörper-Offensive gegen Krebs

Auf dem Weg in eine neue Ära?

Hoffnungsträger Immunonkologie

Onkolyse plus Aktivierung des Immunsystems

Viren attackieren Krebszellen

Pembrolizumab stimuliert Immunantwort beim fortgeschrittenen malignen Melanom

Tumorspezifische T-Zellen reaktivieren

Wirkprinzip und Umgang mit immunvermittelten Nebenwirkungen der Anti-PD1-Therapie

Mit Nivolumab und Pembrolizumab gegen das Melanom

Checkpoint-Inhibitoren revolutionieren die Krebstherapie

„Mit dem Tumor leben und nicht an ihm sterben“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.