Therapien im Gespräch

Von Herz und Kreislauf

Alte Bekannte und Newcomer zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen

rr | Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Todesursache Nummer 1 in Deutschland. Dieses Jahr lieferte nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch Zündstoff für Debatten, die kein Ende zu nehmen scheinen. In der Diskussion um Statine wurde das Happy End 2016 jedenfalls nicht erreicht.

Der Streit um Nutzen und Risiken einer Statin-Therapie schwelt schon lange. Trotz der nachgewiesenen positiven kardiovaskulären Effekte unterbricht jeder zweite Patient die Statin-Therapie noch innerhalb des ersten Jahres. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Einer britischen Studie zufolge ist die Negativpresse über Statine nicht ganz unschuldig daran (DAZ 28, S. 36). Die Angst vor unerwünschten Wirkungen wie einer Statin-assoziierten Myopathie oder einer Rhabdomyolyse ist sicher nicht unbegründet, die Risiken werden aber häufig überschätzt, urteilte ein

Lancet-Review dieses Jahr und brach damit eine Lanze für Statine. Nach Beurteilung der verfügbaren Evidenz kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine Statin-Therapie im Rahmen einer Sekundärprävention das absolute Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um 10% senken kann, zur Primärpräven­tion bei Patienten mit Risikofaktoren um 5% (DAZ 37, S. 32). Eine Rhabdomyolyse tritt dagegen nur in 0,44 Fällen pro 10.000 Patientenjahre auf.

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Besser schlechte Presse als gar keine Presse, sagt man. Über Statine wird definitiv viel geschrieben und geredet - sehr zur Verunsicherung der Patienten.

Die HOPE-3-Studie ging noch einen Schritt weiter und postulierte, dass eine Therapie mit Rosuvastatin auch bei herzgesunden Personen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Placebo signifikant senken kann (DAZ 17, S. 24). Statine für alle also?

Neben der lipidsenkenden Wirkung werden Statinen noch weitere Mechanismen nachgesagt, die als pleiotrope Effekte bekannt sind, darunter die Beeinflussung der Endothelfunktion, der Blutgerinnungsparameter, des Knochenstoffwechsels und Entzündungsreaktionen (DAZ 13, S. 24). Aufgrund der pleiotropen antiinflammatorischen Effekte hoffte man, dass eine perioperative Gabe bei kardialen Eingriffen die Häufigkeit von akutem Nierenversagen verringern kann (DAZ 11, S. 38). Das scheint keine gute Idee zu sein: Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da Statin-naive Patienten im Gegenteil unter Gabe von Atorva­statin ein größeres Risiko für nephrologische Komplikationen entwickelten. Die Studienautoren sehen aber bei mit Statinen vorbehandelten Patienten keinen Grund, diese während der OP abzusetzen.

Man darf gespannt sein, was sich 2017 in der Diskussion um Statine tut.

„Der Nutzen der Statine bei Personen mit erhöhtem Risiko für koronare Herzerkrankung oder bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung steht unzweifelhaft fest. Aufgrund der großen Datenbasis ist es nicht vorstellbar, dass sich an dieser Einschätzung etwas ändern wird.“

Helmut Gohlke, Vorstandsmitglied Deutsche Herzstiftung e. V., 2016.

Neues über Betablocker

Es gilt als erwiesen, dass Betablocker bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion und bestehendem Sinusrhythmus die Sterberate und die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen senken können. Bei älteren Patienten und Frauen mit Herzinsuffizienz werden Betablocker dennoch häufig nur zögerlich oder in zu niedriger Dosierung eingesetzt. Dafür besteht kein Grund: Eine Analyse ergab, dass alle Altersstufen unabhängig vom Geschlecht von einer leitliniengerechten Behandlung einer Herzinsuffizienz mit Betablockern profitieren (DAZ 19, S. 30). Die Angst vor Unverträglichkeit ist in vielen Fällen unbegründet.

An Reputation verloren haben Betablocker allerdings in der Langzeitgabe nach akutem Myokardinfarkt: Während eine frühzeitige Gabe die Mortalität innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Ereignis senken kann, bringt die Therapie über das erste Jahr hinaus wohl keine Überlebensvorteile (DAZ 41, S. 56). Das schlussfolgerte zumindest eine französische Beobachtungsstudie, stimmte damit aber in den Tenor ein, dass die Praxis, Betablocker bei Postinfarktpatienten ohne Herzinsuffizienz dauerhaft zu geben, nicht mehr zeitgemäß ist. Die Empfehlung stammt noch aus einer Zeit, als weder Kathetertechnik noch Statine zur Rezidivprophylaxe zur Verfügung standen.

Pentalong wieder erstattungsfähig

Das DDR-Arzneimittel Pentalong® (Pentaerithrityltetranitrat) unterliegt seit dem 29. Juli 2016 wieder der Leistungspflicht der gesetz­lichen Krankenversicherung. Es wird angewendet zur Behandlung von Durchblutungsstörungen in den Herzkranzgefäßen.

Streit um Blutdruckziele

Nach Veröffentlichung der SPRINT-Studie im Jahr 2015 wurde heiß über Empfehlungen zum Blutdruck diskutiert: Die Studie zeigte damals, dass eine Senkung des Blutdrucks auf 120 mm Hg statt wie derzeit empfohlen 140 mm Hg das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse weiter reduzieren kann und die Gesamtmortalität signifikant senkt. Eine in diesem Jahr veröffentlichte Subgruppenanalyse der SPRINT-Studie bestätigte die neuen Zielwerte auch für Hypertoniker über 75 Jahre (DAZ 23, S. 30). Das Risiko von schweren Stürzen erhöhte sich unter der strengen Blutdrucksenkung nicht, dafür traten häufiger Synkopen, Elektrolytstörungen und akute Nierenschäden auf. Die Studienautoren empfehlen deshalb die schrittweise Senkung des Blutdrucks zunächst auf 140 mm Hg und weiter nur, wenn sie vertragen wird. Allerdings bekam die SPRINT-Studie kräftig Gegenwind: Eine Auswertung ergab, dass die Ergebnisse durch die Einschlusskriterien nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragbar und damit wenig praxis­tauglich sind (DAZ 40, S. 35).

Dualer Wirkmechanismus von ARNI. Sacubitril hemmt über die Blockade von Neprilysin den Abbau natriuretischer Peptide, Valsartan unterbindet durch die Blockade des AT1-Rezeptors eine Gegenregulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).

ARNI auf der Überholspur

Im November 2015 wurde Entresto® in der EU zugelassen, der erste Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI). Seit Januar 2016 ist das Präparat in Deutschland auf dem Markt. Mit dem AT1-Rezeptorblocker Valsartan und dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril wird die Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) kombiniert mit der Hemmung der Protease Neprilysin, die normalerweise kardioprotektive natriuretische Peptide abbaut. Auf diese Weise sollen Vasorelaxation, Diurese und die Reduktion von Fibrose und Hypertrophie des Herzmuskels verstärkt werden. Die PARADIGM-HF-Studie erbrachte als bislang größte Studie zur chronischen Herzinsuffizienz den Beweis für die Wirksamkeit von ARNI: Es wurden sowohl das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle als auch für Hospitalisierung gesenkt, ebenso die Gesamtmortalität. Noch in diesem Jahr fand ARNI Eingang in die Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur ­Behandlung der systolischen Herzinsuffizienz, wenn ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Mineralcorticoid-Antagonisten nicht ausreichend wirksam sind (DAZ 47, S. 46). In den USA wird ARNI sogar neben den First-line-Optionen positioniert. Kritisiert wurde allerdings, dass durch die Einführung von ARNI ein Umsatz in Millionenhöhe zu erwarten ist und deshalb eine Bewertung durch Autoren ohne Interessenkonflikte angemessen gewesen wäre. Gespannt wartet man auf die Ergebnisse der PARAGON-HF-Studie, in der die Wirkung von Sacubitril/Valsartan bei Patienten mit erhaltener Ejektionsfrak­tion untersucht wird: Es wäre die erste spezifische Therapie für diese Patientengruppe. Wir müssen uns allerdings noch bis 2019 gedulden, bis die Ergebnisse vorliegen. |

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