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Management

Filiale im Fokus

Teil 8: Leiter einer Filialapotheke = leitender Angestellter?

Um herauszuarbeiten, ob der Leiter einer Filialapotheke den Schutz des allgemeinen Arbeitsrechtes genießt oder ob er durch seine Sonderstellung quasi da­rüber hinausgewachsen ist, muss man sich seine Rechtsstellung genau ansehen. Wichtig kann dies insbesondere beim Kündigungsschutz und bei den Arbeitszeiten werden.

Betrachtet man zunächst den Zuschnitt der Stellung der Filialapothekenleiter und deren Verantwortung, würde man vom allgemeinen Verständnis her annehmen, es handele sich hier selbstverständlich um eine Leitungsfunktion. Wann man es aber arbeitsrechtlich mit einem „leitenden Angestellten“ zu tun hat, bemisst sich nach anderen Kriterien. Bei einem – im arbeitsrechtlichen Sinne – leitenden Angestellten wird mit einem anderen Maß gemessen als bei anderen Angestellten. Dieses Maß bestimmt nicht das allgemeine Sprachverständnis, sondern allein Rechtsprechung und Gesetz.

Bezeichnung im Vertrag

Überschreibt ein Inhaber den Filialleitervertrag mit „selbstständiger Dienstvertrag Filialleiter“ und wird er später von seinem Angestellten vor dem Arbeitsgericht verklagt, kann er nicht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes rügen, nur weil die Bezeichnung ein freies Dienstverhältnis suggeriert.

Für die Wertung als Arbeitnehmer und damit die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a-c Arbeitsgerichtsgesetz) kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Bezeichnung die Parteien ihrem Vertrag gegeben haben. Die Vertragsfreiheit besteht nur darin, inhaltlich beliebig viele gegenseitige Rechte und Pflichten begründen zu können. Die rechtliche Qualifizierung der getroffenen Vereinbarung ist jedoch der Ver­fügung der Vertragsparteien entzogen; sie erfolgt nur nach objek­tiven Kriterien.

Das bedeutet, dass die Vertragsschließenden allein mit Formulierungen im Arbeitsvertrag keinen „leitenden Angestellten“ erschaffen können. Im Zweifel wird man immer ansehen müssen, was der Filialleiter tatsächlich selbst entscheidet und entscheiden darf.

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Kein Kündigungsschutz Einem leitenden Angestellten kann jederzeit gegen eine Abfindung gekündigt werden. Aber auch bei der Arbeitszeit unterliegen leitende Angestellte nicht den Begrenzungen wie „normale“ Angestellte. Allerdings handelt es sich bei Filial­leitern in der Regel nicht um leitende Angestellte, da die rechtlichen Voraussetzungen fehlen.

Was unterscheidet den leitenden vom „normalen“ Angestellten?

Unabhängig von der inneren Haltung ist die rechtliche Behandlung eines leitenden Angestellten in vielen Punkten anders als die eines regulären Arbeitnehmers. So hat zum Beispiel der leitende Angestellte einen eingeschränkten Kündigungsschutz: Das Arbeitsverhältnis von leitenden Angestellten kann jederzeit gegen eine Abfindung gekündigt werden. Zwar kann er auch das Arbeitsgericht anrufen und die Kündigung überprüfen lassen, jedoch kann der Inhaber jederzeit ohne Begründung einen Auflösungs­antrag stellen; das Arbeitsgericht löst dann gegen eine Abfindung das Arbeitsverhältnis auf.

Ist der Filialapotheker kein leitender Angestellter und führt eine Klage vor dem Arbeitsgericht, ist es dem Inhaber verwehrt, einen Auflösungsantrag zu stellen. Ein Kündigungsschutzprozess ist daher für ihn riskanter, da dieser primär darauf abzielt festzustellen, dass die Kündigung unwirksam und das Arbeitsverhältnis dadurch nicht aufgelöst ist. Der Inhaber würde den Prozess verlieren, weil ein Auflösungsantrag nicht ohne Weiteres zulässig ist und somit der Arbeitsvertrag nicht gegen den Willen des Angestellten gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden kann. Dann kann sich der Inhaber nur von dem Filialleiter trennen, wenn er sich auf irgendeine Art und Weise mit ihm verständigt. Kommt eine Einigung nicht zustande, muss der Inhaber befürchten, dass der Filialleiter auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Diese Befürchtung realisiert sich in der Praxis allerdings so gut wie nie. Ist ein Filialleiter aber in dieser Position, so ist eine Auswirkung auf die Höhe einer Abfindung zu beobachten.

Der leitende Angestellte kann ebenfalls nicht an der Wahl eines Betriebsrates beteiligt sein und der Betriebsrat selber kann – wenn in der Apotheke einer existiert – die leitenden Angestellten nicht schützen.

Eine weitere Besonderheit für die Behandlung leitender Angestellter ist, dass das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) für sie nicht gilt (§ 18 ArbZG) und damit eine unbegrenzte Arbeitszeit möglich ist.

Die Definition des Bundesarbeitsgerichtes für einen „normalen“ ­Arbeitnehmer lautet:

„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Er unterliegt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann.“

Der leitende Angestellte, für den eine Definition auch bei einem Blick ins Gesetz nicht so einfach zu finden ist, unterscheidet sich hiervon, weil er Kompetenzen im erheblichen Umfang zugeschrieben bekommt. Nach der gesetz­lichen Definition in § 5 Abs. 3 S. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss er:

  • Einstellung und Entlassung vornehmen können,
  • Prokura oder Generalvollmacht haben,
  • sonstige wichtige Aufgaben übernehmen.

Wesentliche Merkmale des leitenden Angestellten

Ein Kriterium, das immer mit der Beschreibung eines leitenden Angestellten einhergeht, ist die Befugnis zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern. Die Einstellungen und Entlassungen sollen zudem eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern erfassen und nicht nur einen eng begrenzten Personenkreis. Damit ist für einen Filialleiter, der lediglich die Kompetenz erhält, neue Boten einzustellen oder einem unzuverlässigen zu kündigen, noch keine Leitungsfunktion im rechtlichen Sinne gegeben.

Fest steht auch, dass diese Kompetenzen nicht allein auf dem Papier stehen dürfen. Vereinbart etwa ein Inhaber mündlich mit dem Filialleiter, dass man die Personalkompetenz in den Vertrag aufnimmt, damit dessen Arbeitszeiten (als leitender Angestellter) auf die gesamten Öffnungszeiten der Apotheke ausgedehnt werden können, reicht das nicht aus. Solange der Inhaber weiterhin sämtliche Mitarbeiter der Filiale einstellt, liegt keine leitende Funktion des Filialapothekers vor. Bei einer Prüfung durch die Gewerbeaufsichtsbehörde würde der entsprechende Filialleiter weiterhin der Begrenzung der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz unterliegen.

Dagegen könnte ein Filialleiter, der nur für seine Filiale die echte Personalkompetenz erhält, nicht aber für die Hauptapotheke, sehr wohl leitender Angestellter sein, da es ausreicht, wenn der Angestellte die Kompetenzen für einen Betriebsteil hat.

Allerdings handelt jemand, der sich bei seinem Arbeitgeber rückversichern muss, ob er einstellt oder entlässt, nicht selbstständig.

Sieht jedoch eine Vorschrift im Arbeitsvertrag vor, dass der Angestellte andere von seinen Entscheidungen informiert oder jemanden – z. B. in wirtschaftlicher Hinsicht – konsultiert, steht das einer selbstständigen Personal­verantwortung nicht entgegen. Die Entscheidung als solche darf aber nicht von der Zustimmung des Inhabers abhängen.

Die derzeit gängigen Formular­arbeitsverträge für Filialapothekenleiter beinhalten allerdings nicht die selbstständige Personalhoheit des Filialleiters.

Buchtipp

Iris Borrmann / Elfriede Hoffmann

Filialapothekenleitung. Rechtsfragen, Arbeits­verträge, Praxistipps

2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2014

XII, 128 Seiten, gebunden

Deutscher Apotheker Verlag

ISBN 978-3-7692-6098-4


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Formulierungen wie „Er hat die Filialapotheke in eigener Verantwortung persönlich zu leiten unter Berücksichtigung der ihm vom Inhaber erteilten Vorgaben. Diesem sind insbesondere Personalentscheidungen, zentraler Wareneinkauf etc. vorbehalten“, begründen keine selbstständigen Erlaubnisse.

Eine Funktion als leitender Angestellter kommt mit einer solchen oder ähnlichen Formulierung nicht in Betracht.

Zwar kommt es im Arbeitsverhältnis des Filialleiters häufiger vor, dass sich der Inhaber die Befugnis für die EDV-Ausstattung abnehmen lässt und dem Filialleiter ein bestimmter Budgetrahmen für die Anschaffung, die Einrichtung und die Apothekensoftware einer neuen EDV zur Verfügung gestellt wird. Meist laufen solche Absprachen aber neben einem schriftlichen (anderslautenden) Vertrag. Dies reicht dann nicht für die hier geforderte Eigenverantwortlichkeit im Sinne der selbstständigen Leitung aus.

Fazit

Die Betrauung mit etlichen organisatorischen Fragen innerhalb der Filiale – vom Personaleinsatz bis zur Koordination von Handwerkern – reicht nicht aus für den ­Status des leitenden Angestellten, wenn die wirtschaftliche und kaufmännische Leitung beim ­Inhaber verbleibt.

Welche Aktionen eine Apotheke plant, was in die Sichtwahl kommt und wie die vorhandenen Arbeitskräfte eingesetzt werden, kann dagegen auch von einem Angestellten entschieden werden; die Zuständigkeit hierfür ergibt sich sinnvollerweise aus dem Arbeitsvertrag.

Selbst wenn ein Filialleiter

  • die Erstellung und Koordination von Dienstplänen vornimmt (Dienstpläne, Überstundenregelungen, Urlaubskalender),
  • kurzfristig Aushilfskräfte verpflichten kann,
  • Personalbedarf feststellen sowie ein entsprechendes Konzept erarbeiten darf sowie
  • die Aufgabengebiete der Mit­arbeiter bestimmen kann,

ist er kein leitender Angestellter, wenn er nicht selbstständig einstellen und entlassen darf.

Nach dem oben Gesagten ergibt sich, dass – in fast allen derzeitigen Ausprägungen – der Filial­apothekenleiter ein in den wesentlichen Punkten weisungsgebundener Angestellter ist. Auch wenn er in leitender Funktion tätig ist, ist er kein leitender Angestellter im arbeitsrechtlichen Sinne und steht deswegen unter dem Schutz der arbeitsrechtlichen Schutzgesetze. |

Iris Borrmann, Rechtsanwältin

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