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Wirtschaft

Das Kommissionsmodell – die Zukunft der Apotheke?

Ein Vorschlag für neue Wege in der Honorierung der Arzneimittelabgabe

Wie sollen die Apotheken in Zukunft für ihre Arbeit bezahlt werden? Diese Frage wird den Berufsstand in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen – dafür wird nicht zuletzt das im Herbst erwartete Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums sorgen, das die heutige Vergütungssystematik untersucht. Der Apotheker Franz Stadler hat bereits Anfang Juni zur Vergütung der Zytostatika-Herstellung in der Apotheke ein Kommissions-Modell vorgeschlagen. Könnte dieser Vorschlag auch für andere zulasten der gesetzlichen Kranken­kasse abgegebenen Arzneimittel funktionieren? | Von Franz Stadler

Zytostatika-herstellende Apotheken könnten von den Herstellern (oder über Großhändler) mit valutierter (z. B. über sechs Monate) Ware versorgt werden, so der Vorschlag in dem Artikel „Auf ein neues Fundament stellen“ (DAZ 2017, Nr. 23, S. 22). Die Apotheken rechnen über ihre Rechenzentren den Arbeitspreis personenbezogen ab und übermitteln dabei die verwendeten mg-Mengen Wirkstoff (inkl. Verwurf und PZN-Nummer). Die Rechenzentren geben die abgerechneten Wirkstoffmengen der jeweiligen Apotheke sowohl an die betroffene Krankenkasse als auch unter Angabe der Krankenkasse und der abrechnenden Apotheke an die Hersteller weiter. Die Hersteller stellen über diese Wirkstoffmenge der jeweiligen Krankenkasse eine Rechnung. Nicht verbrauchte ganze Packungen können von der jeweiligen Apotheke vor Ablauf der Valuta fristgerecht retourniert oder müssen bezahlt (weiter valutiert) werden. Bei diesem Modell muss die Apotheke nicht vorfinanzieren, zahlt keine umsatzbezogenen Kammerbeiträge und haftet nur für grob fahrlässige Beschädigung der Ware, hat aber sonst kein Handlingsrisiko. Diese Vergütungssystematik hätte nicht nur bei der Zytostatika-Zubereitung, sondern auch bei der ganz „normalen“ Abgabe von Fertigarzneimitteln zulasten der gesetzlichen Krankenkasse viele Vorteile.

Wie könnte das Modell aussehen?

Neu an diesem Modell zur Abrechnung verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel ist die fast völlige Trennung von Dienstleistung und Warenpreis. Ein wie bisher einheitlicher Abgabepreis für Fertigarzneimittel (Lauertaxe) spielt nur noch für Privatversicherte eine Rolle. Anstelle des Arzneimittelpreises erhält die Apotheke von den Krankenkassen pro abgegebener Rx-Packung eine angemessene, indexierte, also beispielsweise an den Lebenshaltungsindex gekoppelte Dienstleistungspauschale (für Beratung, Warenwirtschaft, assoziierte Dienstleistungen, inklusive Kassenabschlag). Die Höhe dieser Dienstleistungspauschale ist so zu wählen, dass dabei keine Apotheke finanziell schlechter als bisher gestellt wird.

Die von der Apotheke vorrätig gehaltene Ware wird valutiert, muss also erst nach einem bestimmten Zeitraum, z. B. sechs Monate, bezahlt werden. Konkret bedeutet das, die Ware wird von der Apotheke nur dann bezahlt, wenn sie innerhalb dieser valutierten Zeitspanne weder im GKV-System abgegeben (und damit abgerechnet) noch zurückgeschickt wird. Nach- und neubestellte Ware wird entsprechend neu valutiert. Ansonsten meldet die Apotheke über die Abrechnungszentren die abgegebenen Packungen (per Rezept und eindeutiger PZN) sowohl an die Krankenkassen als auch an die Hersteller. Die Krankenkassen bezahlen monatlich die von den Apotheken abgegebenen Arzneimittel direkt beim Hersteller – unter Berücksichtigung aller Nachlässe und Rabatte. Gegebenenfalls fällige Zu- oder Mehrzahlungen des Versicherten muss die Krankenkasse bei diesem direkt einholen.

Der Warenfluss könnte mit oder ohne Großhandel erfolgen. Übernimmt der Großhandel die Rolle des Kommissionierers, ist er von den Herstellern in der Höhe seiner bisherigen Spanne nach Arzneimittelpreisverordnung zu vergüten (3 Prozent plus 0,70 Euro). Der Großhandel kann aber auch die Zwischenfinanzierung und den Informationsfluss übernehmen und so zur zentralen Schaltstelle der Arzneimittelversorgung werden. Liefern die Hersteller direkt an die Apotheke, wäre die Großhandelsspanne als Verarbeitungspauschale an die beziehenden Apotheken zu vergüten. Spezialfälle wie Rezepturen werden nach dem bisherigen System oder vergleichbar den parenteralen Zubereitungen mg-genau abgerechnet.

Die Apotheken bekommen in diesem Modell von den (gesetzlichen) Krankenkassen also nur für die erbrachten Dienstleistungen rund um das Arzneimittel (inkl. Lagerhaltung) Geld. Das Arzneimittel selbst wird von der Kasse direkt beim Hersteller bezahlt, der Apotheker hat damit nichts mehr zu tun.

Eine Frage der Systematik

Der Beruf des Apothekers verändert sich, neben die Abgabe von Arzneimitteln sind weitere Aufgaben getreten. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich an Bedeutung zunehmen, denn Politik und Gesellschaft fordern hier das Engagement der Apotheker ein: Arzneimitteltherapiesicherheit, Medikationsmanagement, Patienten-Orientierung sind nur einige Stichworte. Die Frage ist, ob das heutige Vergütungssystem für diese Entwicklung die richtigen Anreize bietet oder ob das Apothekenhonorar nicht grundlegend weiterentwickelt werden muss.

Nach dem Apothekenmarktsexperten Uwe Hüsgen, der über die Schaffung einer „Kassenapothekerlichen Vereinigung“ mit Budgetverantwortung nachgedacht hat („Denkmodell Kassen­apothekerliche Vereinigung“, DAZ 2016, Nr. 29, S. 20) und dem DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn, der die Honorare zumindest teilweise in einen Fonds überführen möchte, um eine Umverteilung beispielsweise an besonders versorgungsrelevante Apotheken zu ermöglichen („Ein neuer Weg zum sicheren Ertrag?“, DAZ 2017, Nr. 20, S. 26), hat sich auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zu Wort gemeldet: Auf dem Niedersächsischen Apothekertag schlug er – ausdrücklich als seine private Meinung – vor, dass sich die Patienten bei einer Apotheke einschreiben sollen, die dann für ihre Versorgung zuständig wäre („Einschreibe-Modell oder Fonds-Lösung?“, DAZ 2017, Nr. 20, S. 15). In diesem Artikel weitet der Erdinger Apotheker Franz Stadler seinen ursprünglich zur Vergütung von patientenindividuellen Zytostatikazubereitungen gemachten Vorschlag eines Kommissionsmodells auf alle zulasten der GKV abgegebenen Arzneimittel aus.

Die vorgestellten Ideen sollen die notwendige Diskussion anregen, sie stellen keine bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Honorierungsmodelle dar. Es bleiben Fragen offen, auch mögen nicht immer alle Konsequenzen absehbar sein. In keinem Fall sind sie Vorschläge der DAZ-Redaktion, sondern ausschließlich Denkanstöße des jeweiligen Autors! Die Autoren und die DAZ-Redaktion freuen sich, wenn diese Ideen zu einer lebhaften Diskussion führen. Ihre Meinungen können Sie uns gerne an daz@deutscher-apotheker-verlag.de schicken.

Vorab-Test bei parenteralen Rezepturen denkbar

Denkbar wäre es auch, dass bei der Abrechnung der parenteralen Rezepturen das Kommissionsmodell in einer Art Zwischenschritt vorab getestet wird, liegen doch in diesem Bereich die Vorteile noch eklatanter als im Rx-Bereich auf der Hand (siehe DAZ 2017, Nr. 23, S. 22 ff.). Die Details müssten in der Aufbauphase des neuen Abrechnungssystems mit den Beteiligten abgesprochen und durchfinanziert werden, was aber, den entsprechenden Willen ­vorausgesetzt, durchaus möglich sein sollte.

Vorteile

Dieses neue Vergütungssystem hätte gravierende Vorteile, wie auch einige aktuelle Vorfälle verdeutlichen:

  • Abrechnungsbetrug wie jüngst in Bottrop im Zytobereich oder auch die Verwendung von Klinikware im ambulanten Bereich wären praktisch unmöglich. Einkaufsmengen und abgerechnete Mengen/Packungen könnten sehr transparent und zeitnah zugeordnet und nachvollzogen werden.
  • Arzneimittelfälschungen würde der Marktzugang weitgehend entzogen und ihre Zahl würde deutlich zurückgehen. Ihr Eintritt in ein fast geschlossenes System wäre nahezu unmöglich. Der Bezug von Ware aus dem Ausland würde in diesem Abrechnungssystem schnell auffallen.
  • Der Rx-Versandhandel müsste nicht verboten werden, sondern könnte über reduzierte, den tatsächlich erbrachten Leistungen angepasste Dienstleistungspauschalen in seine Schranken verwiesen werden (auch ohne Korrektur des EuGH-Urteils und ohne endlose politische Diskussionen). Schließlich wird im Versandhandel weder eine direkte, persönliche Kundenberatung, die über eine telefonische Beratung hinausgeht, durchgeführt, noch werden Notdienste erbracht oder Rezepturen angefertigt.
  • Retaxationen könnten nicht mehr über den ganzen Arzneimittelpreis erfolgen, sondern müssten sich zwangsläufig höchstens auf die Dienstleistungspauschale beschränken. Viele lästige und zum Teil sehr teure Diskussionen über unsinnige Absetzungen würden entfallen. Für grobe Abgabefehler müsste eine neue Haftungsregel festgelegt werden.
  • Den Herstellerrabatt könnten die Krankenkassen mit den Herstellern direkt aushandeln und mit jeder Monatsrechnung verrechnen. Der Umweg über die Rechenzentren und viele sinnfreie Diskussionen blieben uns erspart.
  • Ebenso könnte auf Festbeträge oder Rabattverträge weitgehend verzichtet werden, da ja jede Krankenkasse ohnehin firmenspezifische Preise vereinbaren müsste. Hohe Kosten und ein nicht zu unterschätzender Arbeitsaufwand (auch vor Gericht) würden entfallen.
  • Die Hersteller könnten für den Vertrieb ihrer Waren direkt aufkommen. Sie würden, wie sonst auch vielfach üblich, ihre Dienstleister, den Großhandel oder im Falle einer Direktlieferung die bestellende Apotheke, direkt bezahlen.
  • Die Einführung einer Dienstleistungspauschale würde uns Apotheker wieder mehr zu Heilberuflern machen und die kaufmännische Komponente auf Non-Rx-Produkte fokussieren. Die Kernkompetenz des Berufsstandes würde wieder gestärkt und zumindest im Rx-Bereich würde zweifelhaftes Geschäftemachen weitgehend entfallen. Den kaufmännisch Orientierten verbliebe immer noch der OTC-Bereich. Aus Sicht des Autors würde das dem Berufsstand als Ganzes sehr gut tun.

Nachteile

Natürlich kann eine Umstellung eines so komplexen Modells nicht nur Vorteile haben. Folgende wirtschaftliche Folgen sind zu bedenken:

  • Der Apothekenumsatz sinkt deutlich, der Ertrag aber bleibt erhalten, das finanzielle Risiko wird auf ein vernünftiges Maß beschränkt. Ebenso entfällt die Vorfinanzierung der Arzneimittel durch die Apotheke.
  • Die Lagerbedingungen für die valutierte Ware müssten exakt eingehalten und dokumentiert werden, um eine AMG-konforme Rückgabe zu ermöglichen. Es entfielen aber die vielen nervenaufreibenden Diskussionen um Retouren bei Vertragspartnerumstellungen durch die Krankenkassen oder bei Verfall.
  • Die Hersteller (oder die Großhändler) müssten die Vor­finanzierung der Arzneimittel und deren Logistik übernehmen, was aber angesichts der noch immer wachsenden Gewinne der pharmazeutischen Unternehmen nicht weiter problematisch sein sollte. Zudem könnten sie ver­suchen, diese Kosten in den Arzneimittelpreis einzukalkulieren.
  • Die Krankenkassen müssten einige neue Aufgaben bei der Arzneimittelabrechnung übernehmen, die aber zumindest teilweise mit dem Personal der Retaxabteilungen besetzt werden könnten.
  • Einige bisher vorhandene Bereiche der Arzneimittelversorgung könnten nicht mehr so leicht genutzt werden oder würden auffallen (z. B. Zwischenhandel, Verkauf ins Ausland etc.). Das würde zu finanziellen Einbußen führen, die aber für die meisten Apotheken bei entsprechender Justierung des neuen Abrechnungssystems überschaubar bleiben dürften.

Fazit

Für eine derartig grundlegende Veränderung des Vergütungssystems müssten viele handels- und apothekenrecht­liche Rahmenbedingungen überprüft und angepasst werden. Auch müssten einige liebgewordene Gewohnheiten über Bord geworfen und neue Wege beschritten werden. Trotzdem: Das Kommissionsmodel hat einige beachtliche Vorteile, die diese Schritte mehr als gerechtfertigt erscheinen lassen.

Mehr Transparenz und Arzneimittelsicherheit

Es fördert die Arzneimittelsicherheit durch mehr Transparenz. Ein Fall wie der kürzlich bekanntgewordene Bottroper Skandal, wo ein Apotheker jahrelang viel zu niedrig dosierte Zytostatika-Zubereitungen hergestellt, aber die vollen Wirkstoffmengen abgerechnet haben soll, wäre nicht mehr möglich. Ohne größeren Mehraufwand wäre es in diesem Modell möglich, die eingekauften Wirkstoff- und Arzneimittelmengen zeitnah mit den abgerechneten zu vergleichen. Wegen der neu geschaffenen Transparenz beim Warenfluss würde es ebenso auffallen, wenn im ambulanten Bereich unrechtmäßig Klinikware verwendet oder wenn Arzneimittel­fälschungen in das Vertriebssystem eingeschleust werden.

Es entzerrt und entflicht das bisherige Versorgungssystem, indem es viele hochbürokratische Verrechnungssysteme überflüssig machen würde. Herstellerrabatte, Festbeträge, Apothekenabschläge, ja selbst Rabattverträge – vieles könnte abgeschafft oder vereinfacht werden.

Stärkung der wohnortnahen Apotheke

Es stärkt die wohnortnahe Apotheke. Nicht nur, weil sie nicht mehr das wehrlose Opfer rosinenpickender Wettbewerber wie etwa ausländischer Versender sein müsste. Eine Spezialisierung auf hochpreisige Arzneimittel würde sich schlicht nicht mehr rechnen, wenn jede Packung – egal ob teuer oder nicht – die gleiche Dienstleistungspauschale erbringen würde. Auch die Konditionen des Großhandels hätten erheblich weniger Einfluss auf das wirtschaftliche Wohlergehen einer Apotheke – und der Skonti-Streit, in dem der Bundesgerichtshof am 5. Oktober sein Urteil verkünden wird, würde seinen Schrecken verlieren. Skonti wären für das wirtschaftliche Überleben einer Apotheke schlicht nicht mehr notwendig, sie würden in den meisten Fällen wegen des geänderten Zahlungsflusses nicht einmal mehr anfallen.

Selbst wenn es sicher etliche Anlaufschwierigkeiten geben wird und mit massivem Widerstand aus interessierten Kreisen zu rechnen ist: Das Kommissionsmodell könnte die Zukunft der Apotheke darstellen. |

Autor

Dr. Franz Stadler ist Apotheker aus ­Erding und Querdenker aus Neigung.

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