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Management
Signale frühzeitig erkennen
Damit aus wirtschaftlichen Fehlentwicklungen keine Unternehmenskrise wird
Die Tragfähigkeit einer Apotheke hängt im Wesentlichen ab vom Umfang (Kundenzahl, Absatz, Umsatz) und der Struktur (GKV, PKV, OTC; Mengen-Preis-Relation im Rx-Bereich) ihrer Versorgungsaufgabe. Wichtige Determinanten hierfür liegen im Apothekenstandort begründet (z. B. Anzahl und Struktur der Einwohner und Ärzte im Versorgungsbereich, Frequenzsituation im Umfeld der Apotheke usw.). Hinzu kommen darüber hinausgehende von der Apotheke „erschlossene“ Geschäftsfelder (z. B. Heimversorgung, Onlinehandel oder andere Spezialisierungen). Umsatz allein ist, darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen, kein Kriterium für die Tragfähigkeit einer Apotheke. Eine Differenzierung nach „Apothekentypen“ ist notwendig. Dennoch sollte für eine Apotheke mit durchschnittlichem Versorgungsprofil zwischenzeitlich ein Umsatz pro Jahr von unter 1,5 Mio. Euro (nur um eine Orientierungsgröße als Tragfähigkeitsgrenze zu nennen) ein Signal sein, wenn es um ihre Trag- und Zukunftsfähigkeit geht. Für eine Ärztehaus- oder auch Center-Apotheke dagegen ist diese Größenordnung wegen der üblicherweise höheren Kosten (insbesondere Raum- und Personalkosten) schon jetzt viel zu gering.
Geht man von den oben genannten 1,5 Mio. Euro aus, dann bewegt sich Apotheke A in Tabelle 1 durchaus in dieser Größenordnung, sogar mit kontinuierlichem Umsatzwachstum. Dieses ist, entsprechend dem allgemeinen Trend bei öffentlichen Apotheken, allerdings mit einer erheblichen Umsatzstrukturveränderung verbunden.
Durch das GMG im Jahr 2004 (mit den Schwerpunkten: Einführung Rx-Kombimodell, Zulassung Versandhandel, Aufhebung Preisbindung für OTC-Arzneimittel), die nachfolgenden Gesundheitsreformen und diverse andere Veränderungen kam es zunehmend zur wirtschaftlichen Differenzierung der Apotheken. Strategisch geführte, leistungsfähige Betriebe wachsen weiter. Kleine, wirtschaftlich schwache Apotheken dagegen geraten immer mehr unter Druck.
Apotheke A |
2015 |
2016 |
Δ zum Vorjahr |
2017 |
Δ zum Vorjahr |
2018 Hochrechnung |
Δ zum Vorjahr |
|||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Umsatz
|
1.364.000 €
1.010.000 €
354.000 €
|
1.410.000 €
1.068.000 €
342.000 €
|
46.000 €
58.000 €
- 12.000 €
|
3,4%
5,7%
- 3,4%
|
1.472.000 €
1.134.000 €
338.000 €
|
62.000 €
66.000 €
-4.000 €
|
4,4%
6,2%
- 1,2%
|
1.490.000 €
1.165.000 €
325.000 €
|
18.000 €
31.000 €
- 13.000 €
|
1,2%
2,7%
- 3,8%
|
Wareneinsatz |
1.021.000 € |
1.070.000 € |
49.000 € |
4,8% |
1.135.000 € |
65.000 € |
6,1% |
1.158.000 € |
23.000 € |
2,0% |
Rohertrag |
343.000 € |
340.000 € |
- 3.000 € |
- 0,9% |
337.000 € |
- 3.000 € |
- 0,9% |
332.000 € |
- 5.000 € |
- 1,5% |
Kosten gesamt 1)
|
244.000 € |
247.000 € |
3.000 € |
1,2% |
248.000 € |
1.000 € |
0,4% |
250.000 € |
2.000 € |
0,8% |
Ertrag vor Steuern |
99.000 € |
93.000 € |
- 6.000 € |
- 6,1% |
89.000 € |
- 4.000 € |
- 4,3% |
82.000 € |
- 7.000 € |
- 7,9% |
Kundenzahl
Umsatz netto/Kunde
|
35.040
38,93 €
|
34.600
40,75 €
|
- 440
1,82 €
|
- 1,3%
4,7%
|
34.100
43,17 €
|
- 500
2,42 €
|
- 1,4%
5,9%
|
33.740
44,16 €
|
- 360
0,99 €
|
- 1,1%
2,3%
|
Rezeptzahl
ø Wert netto/Rezept
|
15.900
63,52 €
|
15.380
69,44 €
|
- 520
5,92 €
|
- 3,3%
9,3%
|
15.010
75,55 €
|
- 370
6,11 €
|
- 2,4%
8,8%
|
14.600
79,79 €
|
- 410
4,24 €
|
- 2,7%
5,6%
|
1) Aus Vereinfachungsgründen hier „Kosten gesamt“; für die Apotheke wird mindestens Ausweis der Kostengruppen der BWA empfohlen. Des Weiteren haben sich für die Zeitreihenanalyse auch Kennzahlen in Relation zu den Kunden (z. B. Personalkosten/Kunde, Werbekosten/Kunde) bewährt. |
Entscheidend für die Tragfähigkeit einer Apotheke ist der Rohertrag, und dieser ist im Falle von Apotheke A rückläufig. Eine Apotheke, die sich im Bereich der Tragfähigkeitsgrenze bewegt, kann einen Rückgang des Rohertrags bei gleichzeitig zunehmenden Kosten kaum kompensieren. Insofern ist auch die Höhe der Kosten (vor allem der Miete, der Personalkosten und der Aufwendungen für Werbung) sowie ihre Relation zum Umsatz bzw. zum Rohertrag ausschlaggebend für den Ertrag und damit die Tragfähigkeit der Apotheke. Denn der Rohertrag dient der Finanzierung der Kosten, des Kapitaldienstes, der Steuerverbindlichkeiten sowie der Lebenshaltung und Vorsorgeaufwendungen des Inhabers. Reichen die Erträge hierfür nicht aus, belastet das die Liquidität und führt zur wachsenden Inanspruchnahme des Kontokorrents bis hin zu Kontenüberziehungen usw.
Frühwarnsystem etablieren
Nicht ausreichende Erträge und mangelnde Liquidität sind Hauptkriterien einer Unternehmenskrise, die die Existenz der Apotheke gefährden kann. Insofern sollte der Apothekeninhaber sensibilisiert sein, um die ersten Anzeichen der Fehlentwicklung zu erkennen. Nicht selten werden diese Signale vom Inhaber nicht wahrgenommen oder verdrängt. Um das zu vermeiden, ist ein sogenanntes Frühwarnsystem in der Apotheke zu etablieren. Das gehört zu den originären Managementaufgaben eines Apothekeninhabers.
Eine Unternehmenskrise ist kein Spontanereignis. Sie ist Ausdruck einer meist langjährigen Fehlentwicklung, an deren Ende die Zahlungsunfähigkeit steht. Um das zu verhindern, reicht es nicht aus, hin und wieder einen Blick auf einzelne Kennzahlen der BWA zu werfen. Nur mithilfe eines regelmäßigen Controllings in Verbindung mit einer Zeitreihenanalyse können frühzeitig Entwicklungstendenzen und Handlungsbedarf erkannt werden. Bewährt hierfür hat sich ein Excel-Controllingtool, in das mindestens die Eckkennzahlen der BWA, die Kunden- und Rezeptzahlen (ggf. auch Packungszahlen) sowie der Bonumsatz (Durchschnittsumsatz/Kunde) und der Rezeptdurchschnittswert aufgenommen werden. Tabelle 1 enthält bespielhaft eine Zeitreihenanalyse, hier allerdings mit den Jahreswerten und ohne detaillierte Darstellung der Kosten. In praxi würde der Apotheker die Zeitreihe inklusive der wichtigsten Aufwandskennzahlen üblicherweise monatlich führen, sodass er bereits unterjährig (zeitnah) die Entwicklung analysieren und notwendige Maßnahmen einleiten kann.
Bei Apotheke A reduzierte sich der Ertrag innerhalb von drei Jahren um 17.000 € (von 99.000 € im Jahr 2015 auf 82.000 € im Jahr 2018). Die Anzahl der Kunden und der Rezepte ging im gleichen Zeitraum um jeweils 1300 zurück. Dagegen stehen die Zunahme des Bonumsatzes und des Rezeptdurchschnittswertes – Signale, die auf eine Erhöhung der Wareneinsatzquote (Rückgang der Spanne) hinweisen. Die weiterführende Analyse der Ursachen für diese Entwicklungen und Ableitung von Handlungsempfehlungen ist nicht Gegenstand dieses Beitrages, der sich mit den Signalen einer Unternehmenskrise befasst.
Liquidität – zentrale Größe der Tragfähigkeit
Ein Unternehmen befindet sich im Allgemeinen in einer kritischen Situation, wenn es, um weitere Signale zu nennen, zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist und dagegen keine liquiden Mittel stehen. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das vorhandene Vermögen (Betriebsvermögen) die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Das trifft z. B. zu, wenn die Bilanz der Apotheke ein negatives Kapital ausweist. Hierbei steht das Kapital auf der Aktivseite der Bilanz und nicht (wie üblich) auf der Passivseite. Allerdings, darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen, ist ein negatives Kapital nicht automatisch gleichzusetzen mit einer wirtschaftlichen Schieflage. Überschuldung ist aber ein Sachverhalt, der eine gewisse Gefährdung signalisiert. Eine Klärung der Ursachen ist unbedingt erforderlich. Zahlungsprobleme können die Folge sein, wenn nicht dem Unternehmen zur richtigen Zeit wieder Liquidität, z. B. durch Privateinlagen, zugeführt wird.
Ein weiteres Signal für die wirtschaftliche Situation ist die Zahlungsfähigkeit. Immer wieder in einer bestimmten Größenordnung auftretende und vor allem sich sukzessiv aufbauende Liquiditätsengpässe deuten auf eine eventuelle Krisensituation hin. Um das zu prüfen, sollte der Apothekeninhaber eine Geldverwendungsrechnung vornehmen.
Für Apotheke A stellt sich beispielsweise die Frage: Reicht der Ertrag in Höhe von 82.000 € (2018 Hochrechnung) aus, um alle weiteren Ausgaben zu decken? Grundanliegen ist die Ermittlung der sogenannten Über- bzw. Unterdeckung aus dem betrieblichen und privaten Bereich. Die Beantwortung obiger Frage geht aus der Geldverwendungsrechnung in Tabelle 2 hervor.
Tab. 2: Geldverwendungsrechnung Inhaber Apotheke A 2018
|
||
Ertrag der Apotheke A 2018 (Hochrechnung) |
82.000 € |
|
+ Abschreibungen |
7.000 € |
|
./. Reparaturrücklage für Apotheke |
- 3.000 € |
|
./. Tilgung betriebliche Darlehen |
- 10.000 € |
|
./. Gewerbesteuer (Hebesatz 450%)
|
- 9.100 € |
|
= betriebliche Liquidität |
66.900 € |
|
Einkünfte aus Kapitalvermögen |
500 € |
|
= Liquidität aus Kapitalvermögen |
500 € |
|
Einkünfte aus Vermietung (privat) |
- 2.000 € |
|
+ Abschreibungen |
8.000 € |
|
./. Instandhaltungsrücklage für Immobilie |
- 2.000 € |
|
./. Tilgung Darlehen Immobilie |
- 4.000 € |
|
= Liquidität aus Immobilie |
0 € |
|
./. Einkommensteuer incl. Sol.-zuschl. 2018 (Apotheker unverheiratet; Gewst-anrechnung rd. 7.650 €) |
- 9.400 |
|
./. Vorsorgeaufwendungen (Krankenversicherung, Versorgungswerk u. ä.) |
- 21.000 € |
|
./. Lebenshaltung |
- 36.000 € |
|
./. Private Verpflichtungen |
0 € |
|
= Über- bzw. Unterdeckung (Verfügungsbetrag) |
1.000 € |
Der für den Inhaber der Apotheke A im Jahr 2018 verbleibende Verfügungsbetrag von 1000 € macht deutlich, dass keine „Reserven“ bestehen und dringend Maßnahmen zu ergreifen sind. Hinzu kommt, wenn man von den Erträgen der Vorjahre (Tabelle 1) ausgeht, dass der Verfügungsbetrag von Jahr zu Jahr rückläufig ist. Hat die Apotheke zum Beispiel noch Steuerschulden, für die in den Vorjahren keine Rücklagen gebildet wurden, dann sind auch diese in die Geldverwendungsrechnung „einzupreisen“. Sollte das für Apotheke A zutreffen, dann würde schon 2018 eine Unterdeckung vorliegen.
Häufig wird in Krisensituationen mithilfe der Geldverwendungsrechnung ein negativer Betrag, eine Unterdeckung (und das nachhaltig) festgestellt, die man vorher so noch gar nicht gesehen hat.
Gerade im Zusammenhang mit der Liquidität tritt in praxi eine ganze Reihe von Signalen auf, die auf eine wirtschaftliche Schieflage (Krisensituation) der Apotheke hinweisen. Dazu gehören im Wesentlichen:
- die zunehmende Nichtnutzung von Skonto, weil keine Liquidität vorhanden ist; das wirkt sich negativ auf den Ertrag aus und verschärft den Liquiditätsengpass weiter.
- die ständige Nutzung des Kontokorrents und nicht nur um „Zahlungs“-Spitzen abzudecken.
- die permanent wachsende Inanspruchnahme des Kontokorrents bis hin zur Kontenüberziehung, und das nicht nur bei einer Bank. (Auf den Seismograph „erhöhte Kontenüberziehung“ vom Berater angesprochen, werden vom Betroffenen quasi als „Entschuldigung“ häufig Gründe angegeben, die nicht wirklich die Ursachen des Liquiditätsproblems erfassen. Stattdessen wird der Kontokorrent in ein langfristiges Darlehen umgeschuldet. Das führt zwar zu einer gewissen Entlastung bei den Zinsen, behebt aber i. d. R. nicht die eigentlichen Ursachen der Krise.)
- Nicht- oder ständig verspätete Zahlung von Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen.
- Mietschulden
- immer wieder erfolgende Rücklastschriften, weil das Konto nicht gedeckt ist.
- Forderungsabtretungen, z. B. der Rezeptabrechnung an den Lieferanten
- Warenlieferungen erhält die Apotheke zum Teil nur noch gegen Vorkasse oder Sofortzahlung.
- immer wieder auftretende Vollstreckungs- und Inkassomaßnahmen.
- erhebliche Zunahme bestimmter Kosten durch höhere Zinsen, Rücklastschriften, Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Mahngebühren und Ausgaben für Rechtsanwälte, Inkasso usw.
- höhere kurzfristige Verbindlichkeiten als kurzfristige Forderungen und liquide Mittel insgesamt. (Beispiel: Durch Ratenzahlungen und vor allem lange Valuta sind Rechnungen erst zu bezahlen, wenn das Geld aus der bereits verkauften Ware schon lange – für andere Dinge – ausgegeben ist. Ähnlich ist die Situation bei Steuerschulden, vor allem wenn diese sich, aus welchem Grund auch immer, über mehrere Jahre aufgebaut haben oder Ergebnis einer Betriebsprüfung sind.)
Ein weiteres frühzeitiges Signal für die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation ist die Feststellung der Schuldentilgungsfähigkeit. Erfahrungen und Berechnungen aus unserem Haus haben ergeben, dass ein Unternehmer, sehr vereinfacht ausgedrückt und schnell analysiert, in der Regel nicht mehr als das 3,5- bis 4-Fache seines regelmäßigen Gesamt-Cashflows an betrieblichen und privaten Schulden haben sollte.
Zu den Signalen, die der Inhaber unbedingt beachten sollte, gehören vor allem auch Informationen zu Veränderungen, von denen ein erheblicher Einfluss auf die Ertragslage zu erwarten ist. Das trifft u. a. zu bei erheblichem Rückgang der Kundenzahlen oder wenn ganze Versorgungssegmente wegfallen (z. B. durch Kündigung von Heimversorgungsverträgen, den Wegzug von Hauptverordnern, die Verlagerung von Praxen usw.). Die Auswirkungen auf Umsatz und Rohertrag bis hin zur Liquidität sind mithilfe einer Betroffenheitsanalyse durchzurechnen, um vorausschauend agieren zu können.
In der Regel erkennt der beratende branchenerfahrene Steuerberater schon sehr zeitig die Anzeichen einer sich entwickelnden Krise. Als verantwortlicher Berater wird er das Gespräch mit dem Mandanten suchen und notwendige Maßnahmen vorschlagen. |
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