Recht

Botendiensttüte keine Serviceverpackung?

Zentrale Stelle Verpackungsregister fordert Systembeteiligung durch Apotheken / Weitere Entwicklung beobachten

Das immer noch neue Verpackungsgesetz sorgt weiterhin für Verunsicherung. Aktuell hat die Pressestelle der Zentralen Stelle Verpackungsregister die Auffassung mitgeteilt, dass beim Apothekenbotendienst verwendete Tüten nicht als Serviceverpackungen angesehen werden können. Dies hätte die Konsequenz, dass beim Botendienst der Einsatz von Tüten, bei denen nur der Lieferant die Systembeteiligung übernommen hat, nicht den Anforderungen des Verpackungsgesetzes genügen würde. Alle Apotheken, die gelegentlich Tüten im Botendienst verwenden, wären für diese selbst registrierungspflichtig. Bevor jetzt aber das Registrierungstool heiß läuft, das Kopfschütteln über die Bürokratie kein Ende nimmt, Apotheker über das Einstellen des Botendienstes nachdenken oder anfangen, Tüten je nach Einsatzzweck akribisch abzuzählen, lohnt es sich, nochmals einen Blick auf die Vorgaben des Gesetzes und die Rolle der Zentralen Stelle zu werfen. Denn deren Auffassung ist weder überzeugend noch bindend. Von Tobias Prang und Dr. Timo Kieser

Die verpackungsrechtlichen Pflichten zur Systembeteiligung, Registrierung usw. treffen grundsätzlich denjenigen, der eine Verkaufs- oder Umverpackung, die nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfällt, erstmals gewerbsmäßig mit Ware befüllt in Verkehr bringt.

Eine Ausnahme besteht bei Serviceverpackungen. Dort kann der Erwerber, der die Verpackung in seinem Geschäft befüllen und zur Warenübergabe einsetzen möchte (also z. B. der Apotheker), vom Vorvertreiber der leeren Verpackung verlangen, dass er schon die leere Verpackung bei einem System beteiligt, sie registriert usw. Serviceverpackungen sind Verpackungen, die erst beim Letztvertreiber befüllt werden, um die Übergabe von Waren an den Endverbraucher zu ermöglichen oder zu unterstützen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VerpackG). Hierunter können beispielsweise Plastik- oder Papier­tragetaschen, Brötchentüten und Pizzakartons fallen. Auf dieser Grundlage lassen sich leere Serviceverpackungen beziehen, die schon systembeteiligt sind („vorlizenzierte“ Serviceverpackungen). In der Regel sind diese etwas teurer als Verpackungen, bei denen die Systembeteiligung noch durchgeführt werden muss. Eine Apotheke hat also die Möglichkeit, vorlizenzierte Plastik- oder Papiertüten zu erwerben, mit den vom Kunden gekauften Medikamenten zu befüllen und dem Kunden dann zu übergeben. Insoweit ist eine ­eigene Registrierung, Systembeteiligung usw. dieser Verpackungen durch die Apotheke nicht erforderlich. Verkauft der Apotheker dem Kunden ein Arzneimittel und übergibt es ihm in einer Papiertüte, so muss er nur darauf achten, dass sein Tütenlieferant alle Verpackungspflichten erfüllt hat. In der Apothekenpraxis ist dies ­regelmäßig der Fall, denn die Tütenlieferanten sehen sich zu Recht auch als Dienstleister.

Allerdings: Die meisten Apotheken verwenden dieselben Tüten, die zur Übergabe gekaufter Waren in der Offizin verwendet werden, auch für den Botendienst. Die zuzustellenden Arzneimittel werden dann für jeden Empfänger getrennt in solche Tüten verpackt (vgl. 17 Abs. 2 ApBetrO) und ausgeliefert. Und hier setzt nun die Zentrale Stelle Ver­packungsregister an.

Foto: zinkevych – stock.adobe.com

Schön, wenn der Apothekenbote Patienten gut versorgt, aber was ist mit der Tüte im Lichte des Verpackungs­gesetzes? – Offenbar gibt es nichts, was man nicht verkomplizieren könnte ...

Zentrale Stelle: Serviceverpackungen nur in der Offizin

So hat die Zentrale Stelle Verpackungsregister in einer Mitteilung der Pressestelle die Auffassung geäußert, dass beim Botendienst verwendete Tüten nicht als Serviceverpackungen anzusehen sind. Damit würde die Verwendung vorlizenzierter Tüten für den Botendienst ausscheiden. Nur die „über die Theke“ an den Kunden abgegebenen Tüten seien Serviceverpackungen. Zur Begründung verweist die Zentrale Stelle auf allgemeine Informationen auf ihrer Internetseite. Darin wird ausgeführt, dass die zur Einordnung als Serviceverpackung unter anderem erforderliche Befüllung beim Letztvertreiber zwar nicht unmittelbar in der Verkaufsstelle, aber in deren räumlicher Nähe erfolgen müsse. Dieses Kriterium sei erfüllt bei Befüllen und Abgabe auf demselben Betriebsgelände oder allenfalls in wenigen Hundert Metern Entfernung. Wenn ein Transport auf öffentlichen Straßen erforderlich sei, liege räumliche Nähe grundsätzlich nicht mehr vor.

Die Auffassung der Zentralen Stelle hätte zur Folge, dass Apotheken dieselben Tüten nur teilweise (für Übergabe in der Offizin) vorlizenziert nutzen könnten, sie für den Botendienst aber selbst systembeteiligen und registrieren müssten (und Datenmeldungen abgeben usw.). Dies würde beispielsweise ebenso Bäcker treffen, die ihre Brötchentüten auch zur Auslieferung von Brötchen verwenden, oder den Pizzaservice, der neben einer Abholmöglichkeit vor Ort die Pizzen in der Umgebung auch in denselben Kartons ausliefert.

Schon bei der Beschaffung dieser Verpackungen müsste danach unterschieden werden, ob sie später bei einer Auslieferung oder zur Übergabe im Geschäft eingesetzt werden. Im Lager wären idealerweise zwei verschiedene Stapel (vorlizenzierte und selbstlizenzierte Verpackungen) vorhanden und es wäre darauf zu achten, dass für den jeweiligen Zweck die Verpackung vom richtigen Stapel genommen wird, jedenfalls wäre aber eine aufwendige Buchführung über Tüten für den Botendienst und solche für die Offizin nötig; zukünftig droht dann nicht nur die Frage nach Import- und BtM-Buch sondern auch nach dem „Tütenbuch“. In jedem Fall würde dieses Verständnis zu einem erheblichen organisatorischen Mehraufwand führen, ohne dass es wirtschaftliche oder abfalltechnische Vorteile gibt.

Nach Vorstellung der Zentralen Stelle würden Systembeteiligung (mit Abschluss entsprechender Verträge), Registrierung, Datenmeldungen usw. zentral durch die wesentlichen Tütenlieferanten nur für die in der Offizin verwendeten Tüten durchgeführt. Zusätzlich müssten aber all diese Pflichten auch durch rund 19.300 Apotheken für die wenigen im Botendienst eingesetzten Tüten – die mit den in der Offizin verwendeten identisch sind und sogar vom selben Lieferanten bezogen wurden – erfüllt werden. Um sich das nochmals vor Augen zu führen: Kommt der Kunde in die Apotheke und erhält die Ware dort in der Tüte, können alle diese Pflichten vom Lieferanten übernommen werden; erhält der im Nachbarhaus wohnende Kunde das Arzneimittel durch einen Boten zu sich nach Hause gebracht (zum Beispiel nach einem Besuch der Apotheke, bei dem das Arzneimittel nicht verfügbar war), treffen die Pflichten insoweit den Apotheker. Wie dieser Verpackungsirrsinn zu dem Vorhaben der Regierung passt, mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken den wichtigen und sinnvollen Botendienst von Apotheken zu stärken, bleibt ein Geheimnis.

Lesetipp

Keine Chance mehr für Müll-Muffel. Neues Verpackungs­gesetz ab 1. Januar 2019:

Auffassung der Zentralen Stelle weder bindend …

Die gute Nachricht vorab: Diese – eigene – Auslegung der Zentralen Stelle Verpackungsregister ist nicht bindend. Die Zentrale Stelle kann zwar etwa auf Antrag im Wege eines Verwaltungsakts über die Einordnung einer Verpackung als systembeteiligungspflichtig oder als Mehrwegverpackung entscheiden (§ 26 Abs. 1 Nr. 23 bzw. 24 VerpackG). Eine Entscheidung über die Einordnung als Serviceverpackung ist ihr nicht übertragen. Der Hinweis der Pressestelle und die allgemeinen Informationen auf der Internetseite sind auch keine förmliche Entscheidung. Im Streitfall können insbesondere Gerichte daher anders entscheiden und die Botentüte als Serviceverpackung einordnen; so bleibt die Hoffnung, dass sich eine sachlich überzeugende Auslegung vor Gericht durchsetzt.

… noch überzeugend

Denn die Auffassung der Zentralen Stelle Verpackungsregister ist nicht nur vom Ergebnis gewöhnungsbedürftig, sondern auch in ihrer Pauschalität nicht überzeugend. Sie ergibt sich weder zwingend aus den Regelungen des Verpackungsgesetzes oder den Gesetzgebungsmaterialien noch trägt sie dem gesetzgeberischen Willen zur Entlastung kleiner und mittlerer Betriebe Rechnung.

In der Begründung des Gesetz­entwurfs wird zum Kriterium der Befüllung beim Letztvertreiber ­darauf hingewiesen, dass die Befüllung nicht unmittelbar in der Verkaufsstelle erfolgen müsse, sondern auch eine Befüllung in räumlicher Nähe umfasst sei. Zudem müsse die Befüllung nicht unmittelbar vor der tatsächlichen Übergabe an den Endverbraucher erfolgen, sondern es sei eine Vorabbefüllung zulässig (BT-Drs. 18/11274, S. 81). Die Befüllung der Botendiensttüten erfolgt aber zwingend in der Apotheke und damit „beim Letztvertreiber“ sowie zeitnah vor der jeweiligen Auslieferung. Die Apotheke bleibt die Verkaufsstelle, es erfolgt regelmäßig eine Zustellung im räumlichen Umfeld durch Mitarbeiter der Apotheke. Der Pizzabäcker in Stuttgart liefert seine Pizza nicht nach München, der Botendienst des Apothekers in Hamburg nicht nach Berlin, sondern nur in einem überschaubaren Entfernungskreis von 2 bis 10 km.

Das von der Zentralen Stelle herangezogene Kriterium der Befüllung beim Letztvertreiber gilt auch für Versandverpackungen, bei denen die Lieferung über erhebliche Strecken und teilweise mit mehrtägiger Lieferzeit erfolgt. Dieses Kriterium kann kein taug­licher Anknüpfungspunkt für das Verständnis der Zentralen Stelle sein. Denn ein Botendienst in der Apotheke ist grundsätzlich kein Versand; der Botendienst ist erlaubnisfrei möglich. Im schon genannten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken wird dies noch einmal deut­licher hervorgehoben. Jedenfalls beim Einsatz eigener Mitarbeiter ist dies verpackungsrechtlich als Übergabe durch die Apotheke anzusehen; ein klassisches Versandunternehmen wird nicht eingeschaltet, schon weil sonst die meist strengeren Anforderungen des Arzneimittelversands eingehalten werden müssten. Es gelten teilweise andere Anforderungen und Regeln, zudem ist die Tüte im Botendienst auch nicht den Widrigkeiten professioneller Transportdienstleister beim Versand ausgesetzt. Eine Papiertüte allein wäre niemals eine ausreichende Versandverpackung; im Botendienst ist sie insbesondere bei persönlicher Übergabe problemlos ausreichend und wird so eingesetzt. Beim Botendienst einer Apotheke handelt es sich um eine Übergabe durch den Letztvertreiber von durch ihn zur Übergabe befüllten Verpackungen mittels ­eigener Boten im näheren räum­lichen Umfeld, das durch eine eigene zeitnahe Auslieferung abgedeckt werden kann. Der Kunde wird den klassischen Botendienst einer Apotheke nicht als Versandhandel auffassen; er verwechselt die persönlich bekannte PKA nicht mit dem Fahrer eines gelben oder braunen Lastwagens eines Versanddienstleisters.

Ziel des Gesetzgebers wird ad absurdum geführt

Im letzten Änderungsverfahren zur Verpackungsverordnung kam zudem zum Ausdruck, dass eine „Atomisierung der Lizenzmengen“ (BT-Drs. 16/7954, S. 27) vermieden werden solle. Dieser Gedanke muss auch unter dem Verpackungsgesetz („Entlastung kleinerer Betriebe!“) weiter herangezogen werden. Müsste die geringe Zahl an Botendiensttüten (auch ein Apotheker, der zweimal im Monat per Boten ausliefert, wäre betroffen) separat von der Apotheke systembeteiligt werden, würde dies gerade zu einer solchen Atomisierung von Mengen führen, ­obwohl es sich sogar um dieselbe Verpackung beim selben Unternehmen und vom selben Lieferanten handelt. Die Zahl der in der Offizin verwendeten Tüten ist in der Regel erheblich höher als beim Botendienst. Mit den Botendiensttüten würden dann Kleinstmengen gesondert systembeteiligt, obwohl für die Hauptmengen die Pflicht verlagert werden kann. Systematisch und von Sinn und Zweck ist das vieles, aber nicht passend.

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Vorlizenzierung gerade eingeführt, um kleine und mittlere Unternehmen für die von ihnen zur Übergabe befüllten Verpackungen von dem Aufwand einer eigenen Systembeteiligung zu entlasten (BT-Drs. 18/11274, S. 77, 81, 88). Dieses Ziel würde ad absurdum geführt, wenn im Fall der Botendiensttüte nach den Einsatzzwecken Botendienst oder Über­gabe in der Offizin unterschieden werden müsste. Der Apotheker müsste entweder das geschilderte aufwendige Verfahren mit Trennung der beiden Tütenarten wählen, vorlizenzierte Tüten für den Botendienst noch einmal selbst lizenzieren (mit der Folge doppelter Belastung) oder auf die als Privilegierung gedachte Möglichkeit der Vorlizenzierung insgesamt verzichten und alle Tüten selbst registrieren. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Willen nicht. Und im Verpackungslabyrinth ganz verloren wäre der Apotheker, wenn der Bote den Kunden nicht antrifft, die Tüte wieder in die Offizin mitnimmt und der Kunde sie abholt. Wie bekommt er dann wieder Ordnung in den Tütenstapel?

Überschaubare Risiken bei Verstößen

Das Risiko, dass gegen eine Apotheke wegen der Nutzung nur ­vorlizenzierter Tüten im Botendienst durch Wettbewerber, Verbände oder Behörden mit erheblichen Konsequenzen vorgegangen wird, ist – wenigstens eine gute Nachricht – überschaubar. Neben den genannten inhaltlichen Gründen sprechen weitere Gesichtspunkte dagegen.

Selbst wenn die Verwendung von vorlizenzierten Tüten beim Botendienst einen Verstoß gegen das Verpackungsgesetz darstellen würde, wäre ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen nur erfolgreich, wenn der Verstoß geeignet wäre, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Wettbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Daran lässt sich zweifeln. Da die Verpackung tatsächlich systembeteiligt und registriert ist und die Mitteilungspflichten erfüllt werden (wenn auch vom Vorvertreiber), ist den wesentlichen abfallwirtschaftlichen Zielen des Verpackungsgesetzes trotz des Verstoßes genügt. Da über die Vorlizenzierung ein Systembeteiligungsentgelt für die Entsorgung dieser Tüten bezahlt wird, ist auch ein wirtschaftlicher Vorteil nicht ersichtlich.

Aus den gleichen Gründen ist das Risiko behördlichen Vorgehens ­(sofern nicht auf einmal Pharmazieräte ihre Liebe zum Verpackungsgesetz entdecken) eher gering. Durch die Vorlizenzierung ist die Verpackung an einem System beteiligt und die wesentlichen verpackungsrechtlichen Pflichten werden (wenn auch vom Vorvertreiber) erfüllt. Jedenfalls wäre die Vorwerfbarkeit äußerst gering, sodass allenfalls eine Aufforderung angemessen wäre, die Systembeteiligung künftig selbst vorzunehmen; ein theoretisch mögliches Bußgeld wäre kaum mehr angemessen.

Schließlich bleibt die Hoffnung, dass die Zentrale Stelle selbst sieht, dass ihre Auffassung mit den Zielen des Gesetzgebers schwierig zu vereinbaren ist, und davon abrückt oder jedenfalls ein Gericht für Klarheit im Sinne der bürokratiegeplagten Apotheker urteilt. Vielleicht ist ja ein Verband oder eine Kammer bereit, ein Musterver­fahren eines Apothekers zur allgemeinen Klärung zu unterstützen; dies wäre eine wirkliche Maßnahme zur Stärkung des Botendienstes und der Vor-Ort-Apotheke.

Fazit

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, muss spätestens jetzt über eine eigene Systembeteiligung und Registrierung der Botendiensttüten nachdenken. Wer hier etwas Sportsgeist hat, wird die weitere Entwicklung beobachten und auf eine gerichtliche Klärung im Sinne der Kunden, der Botendienste, der Apotheker und der Bürokratievereinfachung – was ein wunderbares Wort – hoffen. |

Rechtsanwälte Tobias Prang und Dr. Timo Kieser

2 Kommentare

Lieber Gott!

von Hummelmann am 16.09.2019 um 21:33 Uhr

Lieber Gott,
bitte schick Hirn auf die Erde
und zwar so schnell und viel
wie Du nur entbehren kannst!

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Lieber Gott!

von Hummelmann am 16.09.2019 um 21:33 Uhr

Lieber Gott,
bitte schick Hirn auf die Erde
und zwar so schnell und viel
wie Du nur entbehren kannst!

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