Gesundheitspolitik

Spielraum für Retouren

Großhandel darf auch zurücknehmen, was er nicht geliefert hat

BERLIN (ks) | Darf ein pharmazeutischer Großhändler nur Arzneimittel von Apotheken zurücknehmen, die diese zuvor auch bei ihm erworben haben? Oder kann er auch Retouren annehmen, die sein Kunde – möglicherweise günstiger – an anderer Stelle ­gekauft hat? Ja, das darf er, hat kürzlich das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. Oktober 2019, Az.: 19 K 7581/17)

Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Kunden der Noweda den Hinweis erhalten, dass die betreffende Apotheke „in vielen Fällen günstiger erworbene Wirkstoffpräparate“ an die Noweda „als Retoure für den Originalpreis zurückgeben und sich erstatten lassen konnte“. Das nahm die Aufsichtsbehörde zum Anlass für eine Inspektion mit dem „Schwerpunkt Kundenretoure“ bei der Apothekergenossenschaft.

Im Mai 2017 folgte ein behördlicher Bescheid, mit dem die Noweda aufgefordert wurde, im Inspek­tionsbericht aufgeführte Mängel zum Umgang mit Retouren spätestens innerhalb von drei Monaten abzustellen und nachzuweisen, dass die Mängel behoben wurden.

Unter der Überschrift „schwerwiegende Fehler und Mängel“ fand sich diese Feststellung: „Es war nicht sichergestellt, dass die retournierten und in den verkaufs­fähigen Bestand übernommenen Arzneimittel im Sinne einer Rücknahme zuvor durch Noweda, Essen, an die Kunden ausgeliefert worden waren. Entgegen den gesetzlichen Regelungen werden Arzneimittel von Apotheken zurückgenommen, welche zuvor nicht vom Zurücknehmenden geliefert worden waren (§ 7b Abs. 1 AM-HandelsV).“

Die Bezirksregierung erklärte, die festgestellten Mängel gefährdeten die Arzneimittelsicherheit. Es sei daher notwendig, diese abzustellen.

Noweda: Ein Ding der Unmöglichkeit

Im Juni erhob Noweda Klage. Der Großhändler verwies darauf, dass es „objektiv unmöglich“ sei, ausschließlich solche Arzneimittel zurückzunehmen und in den verkaufsfähigen Bestand zu über­nehmen, die der jeweilige Arzneimittelgroßhändler selbst an die zurückgebende Apotheke geliefert habe. Es könne durch niemanden sichergestellt werden, dass die zurückgegebenen Arzneimittel mit den zuvor ausgegebenen auch tatsächlich identisch seien. Erschwert werde dies auch dadurch, dass Apotheken oft von mehreren Großhändlern sowie unmittelbar von Herstellern beliefert würden. So komme es in der Apotheke zu einer Vermischung der gelieferten Arzneimittel.

Die Handelsstufe zählt

Das VG Gelsenkirchen entschied nun zugunsten der Noweda: Voraussetzung für ein zulässiges behördliches Einschreiten wäre ein Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen. Das sei aber nicht der Fall, wenn die Klägerin Arzneimittel zurück­nehme, von denen nicht sicher­gestellt ist, dass sie zuvor von ihr ausgeliefert worden sind.

Ein solcher Verstoß ergebe sich nicht aus § 4a Abs. 4 AM-HandelsV. Danach kann der Großhandel unter anderem aus Apotheken Arznei­mittel zurücknehmen. Allerdings: „Die Vorschrift regelt mit der Rücknahmemöglichkeit lediglich eine Verhaltensoption, aber keine Verhaltenspflicht“, heißt es im Urteil.

Auch ein Verstoß gegen § 4a Abs. 1 AM-HandelsV, wonach Arzneimittel nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden dürfen, liege nicht vor – schließlich sind andere Großhändler und Apotheken solche berechtigten Betriebe. Ob es sich vorliegend überhaupt um einen „Erwerb“ handele, könne somit dahinstehen.

Aus dem von der Behörde angeführten § 7b Abs. 1 AM-HandelsV kann das Gericht ebenfalls keine Vorgabe zur Identität des liefernden und zurücknehmenden Großhändlers ableiten. Unter einer „Rücknahme“ im Sinne der Norm sei eben nicht die Rücknahme eines bestimmten Händlers, sondern in die Handelsstufe des Großhandels zu verstehen. „Das folgt aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der auf den Bezug ‚vom Arzneimittelgroßhandel‘ abstellt.“ Die Richter verweisen auf das Flaschenpfandsystem: Auch hier werde der Begriff der Rücknahme in diesem Sinne verstanden. Es sei gängige Praxis, dass eine Flasche nicht an den konkreten Händler zurückgegeben wird, bei dem sie zuvor erworben wurde, sondern an irgendeinen teilnehmenden Händler der vorgelagerten Handelsstufe.

Schließlich geht das Urteil noch auf Sinn und Zweck der Vorschrift des § 7b AM-HandelsV ein: Sie soll den Arzneimittelverkehr schützen und Gefahren für die menschliche Gesundheit abwenden, indem verhindert wird, dass Arzneimittel in den Verkehr gelangen, die aus Quellen stammen, die keiner Überwachung unterliegen. „Um diesen Zweck zu wahren, ist es nicht erforderlich, dass der Arzneimittelgroßhändler nur solche Arzneimittel zurücknimmt und wieder in den Verkehr bringt, die er selbst zuvor ausgeliefert hat“, stellt das Gericht klar. Da alle Arzneimittelgroßhändler denselben arzneimittelrechtlichen Bestimmungen unterlägen, werde der Normzweck dadurch gewahrt, dass das zurückgenommene und wieder in den verkaufsfähigen Bestand aufgenommene Arzneimittel von (irgendeinem) Großhändler stammt.

Das Urteil ist laut Gericht rechtskräftig geworden. |

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