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Wirtschaft
Schreckgespenst Sichtbezug?
Ein Gastkommentar von Philipp Böhmer
Wenn eine Anfrage über die Durchführung eines Sichtbezugs im Rahmen der Substitution an die Apotheke gestellt wird, gehen einem höchstwahrscheinlich diese Fragen durch den Kopf: Wie genau sind die gesetzlichen Regelungen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Wie hat die Dokumentation zu erfolgen? Wie ist die Honorierung?
Seit die neue Fassung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung im Oktober 2017 in Kraft getreten ist, haben sich einige neue Regelungen im Bereich der Substitution ergeben – unter anderem auch für den Sichtbezug in der Apotheke.
Führt eine Apotheke den Sichtbezug für einen substituierenden Arzt durch, so ist es nun zwingend erforderlich, vorab einen Vertrag über die Durchführung des Sichtbezugs mit dem betreffenden Arzt zu schließen. Ohne einen solchen Vertrag darf kein Sichtbezug erfolgen. In diesem werden die grundlegenden Voraussetzungen und Bedingungen für die Durchführung des Sichtbezugs geregelt und sollten folgende Aspekte enthalten sein: Verantwortung in der Apotheke, eingewiesene Personen, Ablauf des Sichtbezugs, Dokumentation, Umgang bei Auffälligkeiten der Patienten (z. B. alkoholisierter Patient) sowie Kontaktdaten bei Notfällen.
Gleichzeitig sollte auch die Vergütung bzw. Honorierung der Apotheke für die Durchführung des Sichtbezugs in diesem Vertrag geregelt sein. Streng genommen handelt es sich um eine Dienstleistung, die für den substituierenden Arzt erbracht wird. Leider besteht nur in einem einzigen Bundesland, in Baden-Württemberg, eine Vereinbarung zwischen Krankenkassen und dem Landesapothekerverband, in dem der Sichtbezug seitens der Krankenkasse honoriert wird. Dort dürfen die Apotheken für jeden Sichtbezug 3,86 Euro mittels einer Sonder-PZN (2567774) den Kassen in Rechnung stellen. Dies ist der gleiche Betrag, den der Arzt für die Durchführung eines Sichtbezugs abrechnen darf. Eine solche Vergütung und Vorgehensweise wäre auch für die übrigen Bundesländer mehr als wünschenswert.
Wer genau die Nachweisführung über die Betäubungsmittelbestände des Sichtbezugs vornimmt, sollte auch noch zwischen Arzt und Apotheke festgelegt werden. Formell geht die benötigte Menge des Substitutionsmittels für den Sichtbezug in den Betäubungsmittelbestand des Arztes über. Allerdings muss der Arzt seit der Novellierung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung 2017 nicht mehr zwingend selbst die Nachweisführung vornehmen. Vielmehr hat er die Möglichkeit, diese Aufgabe an eine Person in der Apotheke zu übertragen. Durch diese Übertragung entfällt die monatliche persönliche Kontrolle der Sichtbezugsbestände durch den Arzt in der Apotheke. Dies klingt im ersten Moment, als sei dies ein weiterer Mehraufwand für die Apotheke. Doch unabhängig davon, ob die Nachweisführung nun übertragen wurde oder nicht: In beiden Fällen muss sie ohnehin von der Apotheke geführt werden, da die Nachweise tagesaktuell nachvollziehbar sein müssen.
Zu Beginn schrecken diese Regelungen und Voraussetzungen zwar ab, aber wenn man sich mit diesem Thema genauer beschäftigt, wird man recht schnell feststellen, dass es gut handhabbar ist und der Dokumentationsaufwand auch nicht überhandnimmt.
Zwar gehört die Durchführung des Sichtbezugs nicht zu den ursprünglichen Aufgaben der Apotheke, jedoch müssen auch Substitutionspatienten ordnungsgemäß und wohnortnah mit ihren Substitutionsmitteln versorgt werden. Dazu gehört meiner Meinung nach auch die Durchführung des Sichtbezugs. Dies sollte von den Krankenkassen bundeseinheitlich honoriert werden. Die Betreuung von Substitutionspatienten bietet die Chance auf eine effektive Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker. Dabei ergänzen sich die unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnisse der zwei Heilberufler optimal. Durch diesen Zusammenschluss entstehen Synergieeffekte, und letztendlich profitieren nicht nur die Patienten, sondern das ganze System.
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