Deutscher Apothekertag

„Wir leisten uns den Luxus, am Bedarf vorbei auszubilden!“

ADKA-Präsident fordert Novellierung der ­Approbationsordnung für Apotheker

du | Schon im Rahmen der Mitgliederversammlung 2018 hatten der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA) und sein Präsident Prof. Dr. Frank Dörje, Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen, in einem Statement eine Novellierung der Approbationsordnung eingefordert. Kernpunkt der Forderung: eine Ausweitung des Studiums auf 10 Semester und eine paritätische Verteilung der curricularen Lehraufwendungen auf die fünf Hauptfächer.

Demnach sollte das gesamte Lehrangebot paritätisch zu je 20% auf die Fächer Medizinische Chemie, Pharmazeutische Biologie, Pharmazeutische Technologie, Pharmakologie und Toxikologie sowie Klinische Pharmazie aufgeteilt werden (s. Kasten; zur Diskussion um die Klinische Pharmazie s. S. 68). Beim Deutschen Apothekertag (DAT) 2018 hatte Dörje angekündigt, auf dem DAT 2019 einen entsprechenden Antrag zu stellen. Damit macht er jetzt in Düsseldorf Ernst.

ADKA-Positionen zur Lehre und zur Approbationsordnung

Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. vertritt die Auffassung,

  • dass das Universitätsstudium für alle Pharmaziestudierenden in den Lernzielinhalten einheitlich bleiben muss. Eine Spezialisierung der Studieninhalte bereits im Hauptstudium nach Fachrichtungen, zum Beispiel Krankenhauspharmazie, Industriepharmazie, Offizinpharmazie wird von der ADKA e. V. nicht befürwortet.
  • die Bedeutung des Fachs Klinische Pharmazie für die zukünftige Berufsausübung (Berufsanforderungsprofil / Kompetenzen) in der aktuell geltenden Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) nicht angemessen berücksichtigt ist! So nehmen die Fächer des Stoffgebiets I (Klinische Pharmazie und Pharmakologie und Toxikologie) nur 12,4% der Gesamtausbildungsstunden im Deutschen Universitätsstudium der Pharmazie ein. Die Anteile der Fachinhalte für die fünf Hauptfächer im Pharmaziestudium sollten in einem neu strukturierten Pharmaziestudium mit gleichen curricularen Zeitansätzen vermittelt werden (entsprechend fünfmal 20% der Gesamtlehraufwendungen, paritätische Zeitansätze). Die Fächer Klinische Pharmazie und Pharmakologie und Toxikologie müssen im Universitätsstudium für Apotheker in der Zukunft verstärkt gelehrt werden!
  • an allen Universitäten (Pharmazeutische Institute, aktuell 22 deutsche Universitätsstandorte) reguläre Lehrstühle für Klinische Pharmazie (W3-Professuren) eingerichtet werden müssen. Für die qualitativ hochwertige Durchführung von Teacher-Practitioner-Lehrveranstaltungen sowie zur Förderung einer institutionalisierten engen interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit mit der Humanmedizin sollen zusätzlich W2-Professuren für Klinische Pharmazie eingerichtet werden. Diese W2-Professuren sollten ortsnah im klinischen Bereich, insbesondere in den Apotheken der Universitätskliniken angesiedelt sein und den Lehrstühlen für Klinische Pharmazie zugeordnet werden.
  • dringende Anpassungen in der Approbationsordnung (AAppO) für Apotheker in Deutschland erfolgen müssen. Um die Anforderungen an ein neu gestaltetes und zukunftsorientiertes Universitätsstudium der Pharmazie in Deutschland umsetzen zu können, fordert die ADKA e. V.:Eine Verlängerung des Universitätsstudiums der Pharmazie (auf 10 Semester) sowie eine gleichmäßig-paritätische Verteilung der curricularen Lehraufwendungen auf die fünf Hauptfächer, das heißt für die fünf Hauptfächer Pharmazeutische/Medizinische Chemie, Pharmazeutische Biologie, Pharmazeutische Technologie, Pharmakologie und Toxikologie und Klinische Pharmazie entsprechend fünfmal 20% des Gesamtlehrangebots.

Auszug aus ADKA Statement Grundpositionen der ADKA e. V. zu aktuellen Fragestellungen der pharmazeutischen Ausbildung (Universitätsstudium und PJ) und der Postgraduierten-Weiterbildung. Krankenhauspharmazie 2018, 39:238.

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen, der Apothekerkammer Niedersachsen, der Bayerischen Landesapothekerkammer und dem Bayerischen Apothekerverband fordert er in seinem Antrag die Einsetzung einer BMG-Arbeitsgruppe „Apothekerausbildung“. Sie soll konkrete Novellierungsvorschläge zur Änderung der Approbationsordnung erarbeiten. Begründet wird der Antrag damit, dass die Approbationsordnung vom 1. Oktober 2001 eine Apothekerausbildung vermittelt, die den aktuellen Anforderungen an den Apothekerberuf nicht mehr gerecht wird. Wir haben mit Professor Dörje über den Antrag und seine Erwartungen gesprochen.

Foto: ADKA

Prof. Dr. Frank Dörje

DAZ: Herr Professor Dörje, Ihr Antrag war erwartet worden. Was allerdings erstaunt, ist der Antrag in dieser Form. Sie fordern nicht die dafür zuständige Bundesapothekerkammer auf, eine Arbeitsgruppe „Apothekerausbildung“ einzurichten, sondern das Bundesministerium für Gesundheit. Warum dieser Weg?

Dörje: Zunächst einmal ist für eine Änderung der Approbationsordnung das Bundesministerium für Gesundheit zuständig. Deshalb möchten wir, dass unter der Federführung des BMG alle zu beteiligenden Kreise mit einem formellen Auftrag an einem Tisch versammelt werden: Die Hochschullehrer, die Vertreter der Berufsverbände, die Studentenschaft und die zuständigen Behörden. Historisches Vorbild für dieses Vorgehen ist die „BMG Arbeitsgruppe Apothekerausbildung“, wie es sie auch zur Erarbeitung der Novellierung von 2001 gegeben hat. Dann müssen alle Konflikte auf den Tisch, und es muss um den besten Weg für die Zukunft einer patientenorientierten Pharmazie, für die Zukunft des Pharmaziestudiums gerungen werden. Von der Federführung des BMG erhoffe ich mir die notwendige Autorität, um am Ende dann tatsächlich zu einer Novellierung der Approbationsordnung zu kommen.

DAZ: Nun saßen ja schon einige Vertreter der von Ihnen geforderten Teilnehmer zusammen. 2013 wurde in Weimar das Konzept „Pharmazie 2020“ erarbeitet. Zuletzt wurde 2017 unter Beteiligung verschiedener Gruppen wie den Hochschullehrern und unter Federführung der Bundesapothekerkammer der Kompetenzorientierte Lernzielkatalog (KLP-P) erarbeitet. Was ist daraus geworden?

Dörje: Diese Ansätze waren sicher lobenswert, griffen aber letztlich deutlich zu kurz. Sie setzten auf Einsicht und Freiwilligkeit im Reformprozess, was insbesondere die Förderung und den curricularen Ausbau der Fächer Klinische Pharmazie, aber auch der Pharmakologie und Toxikologie betrifft. Doch das funktioniert schon seit der letzten Novellierung der Approbationsordnung aus dem Jahr 2001 nicht. An den 22 pharmazeutischen Hochschulstandorten finden wir allenfalls nur bei etwas mehr als der Hälfte eine Vollzeitprofessur für Klinische Pharmazie. Mehr als 50% der Lehrzeitanteile im deutschen Pharmaziestudium entfallen immer noch auf die Medizinische Chemie. Dabei ist auch im Perspektivpapier 2030 festgeschrieben, dass in der Patientenorientierung die Zukunft der Pharmazie liegen soll. Doch wir leisten uns nach wie vor den Luxus, Apotheker vorbei am eigentlichen Bedarf auszubilden.

DAZ: Sie begründen den Antrag mit dem im Perspektivpapier 2030 formulierten Verständnis des Apothekers, nach dem dieser eine zentrale Rolle in der Verbesserung der AMTS des Patienten spielt und unentbehrlich für die richtige Anwendung des Arzneimittels ist. Die Politik möchte nun den Weg frei für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen wie Medikationsanalysen machen. Sind die Apotheken gerüstet?

Dörje: So wie der Ausbildungsstand momentan ist, sicher nicht alle. Doch die Etablierung honorierbarer pharmazeutischer Dienstleistungen ist ein wichtiger Schritt hin zur Patienten-orientierten Pharmazie. Wir müssen nun, wie in anderen Ländern beispielsweise in den USA und Kanada bereits geschehen, die Grundlagen dafür auch im Studium legen, und das ist zweifelsohne durch eine verbindliche Stärkung des Faches Klinische Pharmazie, aber auch der Pharmakologie und Toxikologie anzustreben. Auch müssen wir unsere Studierenden wesentlich besser auf die pharmazeutische Arbeit mit den Patienten vorbereiten. Das muss sich in den Lehrformaten (problemorientiertes Lernen in Kleingruppen, „Bedside Teaching“, interprofessionelles Lernen usw.), ebenso in Prüfungen niederschlagen, Stichwort OSCE-Prüfungen, in denen die Studierenden patientenbezogene Lösungen erarbeiten und klinische Umsetzungskompetenzen und -fähigkeiten erlangen und demonstrieren sollen.

DAZ: Ein weiterer Antrag auf dem Deutschen Apothekertag fordert die gesetzliche Grundlage für die bundesweit verpflichtende Einführung von Apothekern auf Station.

Dörje: Das ist eine langjährige Forderung der ADKA, die durch die aktuelle Landeskrankenhaus-Gesetzgebung in Niedersachsen starken Rückenwind erhalten halt. Das Land Niedersachsen hat ein für die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit beispielhaftes Landeskrankenhausgesetz etabliert. Auch hier benötigen wir entsprechend sehr gut ausgebildete Pharmazeuten in Klinischer Pharmazie, um die zukünftigen und positiven Herausforderungen an die Krankenhausapotheker der Zukunft zu meistern. Ein weiteres Argument auch für die Politik, die notwendige Novellierung der Approbationsordnung schnellstmöglich in Angriff zu nehmen.

DAZ: Sollte Ihr Antrag auf Einrichtung einer BMG-Arbeitsgruppe „Apothekerausbildung“ angenommen und die Approbationsordnung entsprechend geändert werden: Kann dann diese neue Approbationsordnung tatsächlich die Wende bringen oder wird sie wieder an dem Widerstand der Hochschullehrer scheitern?

Dörje: Ich hoffe sehr, dass es uns gemeinsam – mit einem klaren staatlichen Auftrag versehen – gelingt, mit einem breiten Grundverständnis und letztlich auch Grundkonsens aller „interessierten“ Parteien aus allen Bereichen der Deutschen Pharmazie zu den eingeforderten dringend notwendigen Reformen der pharmazeutischen Ausbildung zu kommen. Ich hoffe hier auch auf das Verständnis und letztlich auch den Willen zur Umsetzung einer grundlegenden Reform durch die verfasste pharmazeutische Hochschullehrerschaft! Die Patienten werden es uns danken!

DAZ: Herr Professor Dörje, wir danken Ihnen für das Gespräch. |

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