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Management

„Typisch Apotheker!“

Vorurteile erkennen und vermeiden

Jeder kennt Vorurteile. Jeder hat sie – zumindest hin und wieder. Sie begegnen uns im Privaten genauso wie im Arbeitsumfeld. Sie zu überwinden, ist nicht ­einfach. Es lohnt sich aber, die Komfortzone des eingeübten Schubladendenkens zu verlassen. Motivieren Sie sich selbst und Ihr Team, Vorurteile zu entlarven und zu vermeiden.

„Typisch Apotheker“ oder „typisch Apotheke“ – so mögen manche Menschen denken. Bekannt ist beispielsweise das Klischee von den „Schubladenziehern“, deren Hauptbeschäftigung das Auf­ziehen von Schubladen zu sein scheint. Ebenso bekannt ist das Vorurteil der sogenannten Apothekenpreise. Es handelt sich dabei um Wahrnehmungsverzerrungen und um zugegebenermaßen relativ „harmlose“ Vorurteile. Die Bandbreite möglicher Vorurteile erstreckt sich jedoch von Ressentiments bis hin zu Diskriminierungen. Aus Vorurteilen kann vieles erwachsen. Von „harmloser“ Voreingenommenheit kann spätestens bei Diskriminierungen nicht mehr die Rede sein.

In der Apotheke sind alle Mitarbeiter gefragt, wenn es darum geht, ein möglichst vorurteilfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Eine ausreichende Motivation für eine Beschäftigung mit der Thematik sollte sowohl ein positives Miteinander im Team als auch ein möglichst vorurteilsfreier Umgang mit den unterschiedlichsten Kunden darstellen. Die öffentliche Apotheke ist durch ihre herausgehobene Versorgungsstellung und ihren Publikumsverkehr auch eine Projektionsfläche und eignet sich im besonderen Maße, eine Vorreiterfunktion im Kampf gegen Vor­urteile, Diskriminierungen und Ausgrenzungen einzunehmen. Es lohnt sich also, sich dem Thema (möglichst vorurteilsfrei) zu stellen.

Doch woher kommen Vorurteile? Welchen Schaden können sie anrichten? Wie können sie erkannt, reduziert oder noch besser ver­mieden werden?

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Vom Klischee zum Vorurteil Hartnäckig halten sich Sprüche wie „Schubladenzieher“ oder „alle Apotheken sind Goldgruben“. Apotheker kann das betroffen bis wütend machen. Man kann erahnen, was Vorurteile oder Klischeedenken anrichten können – wobei dies noch vergleichsweise harmlose Beispiele sind.

Vorurteil oder Stereotyp?

Vorurteile und Stereotype sind nicht das Gleiche, haben aber gewisse Gemeinsamkeiten. Es gibt zudem unterschiedlichste Definitionen in der Forschung – sowohl für das Stereotyp als auch für das Vorurteil.

Stereotype können ganz allgemein als Zuschreibungen kollektiver Eigenschaften gegenüber bestimmten Personen oder Gruppen bezeichnet werden. Es handelt sich um eine Art von Orientierungshilfen, die wichtig sind, um sich in der Welt zurechtzufinden – quasi Schablonen oder schematisierte Vorstellungen, die wir zur Erleichterung der Orientierung benötigen. Stereotype führen zu schnelleren Entscheidungen, aber auch zu einer vereinfachten Sichtweise. In der Folge werden beispielsweise Menschen kategorisiert nach Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Ethnie und so weiter.

Der Unterschied zwischen Stereotypen und Vorurteilen besteht darin, dass Stereotypen eine unbewusste und weitestgehend automatisch ablaufende Kategorisierung zugrunde liegt. Auch positive ­Stereotypisierungen sind möglich. Vorurteile wiederum bauen auf Stereotypen auf und sind im Gegensatz zu diesen von Emotionen begleitet. Sie haben eine wertende Komponente. Das vorab wertende Vorurteil ist eine wenig reflektierte Meinung. Es gibt zwar auch positive Vorurteile, dennoch ist ein Vorurteil meist negativ besetzt.

Vorurteilsforschung: „Übergeneralisierungen unseres Gehirns“

Die Vorurteilsforschung blickt auf Vorurteile aus wissenschaftlicher Sicht, um deren Wesen zu erfassen beziehungsweise darzustellen. Eine der bekanntesten Definitionen stammt aus den 50er-Jahren. Der amerikanische Psychologe Gordon Allport beschrieb damals in seiner Arbeit „The Nature of Prejudice“ unter anderem ethnische Vorurteile wie folgt: „Ein ethnisches Vor­urteil ist eine Antipathie, die sich auf eine fehlerhafte und starre Verallgemeinerung gründet. Sie kann ausgedrückt oder auch nur gefühlt werden. Sie kann sich gegen eine Gruppe als ganze richten oder gegen ein Individuum, weil es Mitglied einer solchen Gruppe ist.“

Vorurteile vereinfachen und ordnen unübersichtliche Informationen der Umwelt und machen den Menschen in gewisser Hinsicht handlungsfähig. Mittels einer Kategorisierung der unmittelbaren Umwelt werden Informationen kanalisiert und sortiert. Ziel ist es unter anderem, den eigenen Platz im sozialen Umfeld abzustecken und ein entsprechendes Selbstbild zu formen. Allport formulierte in seiner Arbeit ferner eine Eskalierungsskala, die Allport-Skala. Vorurteile äußern sich demnach in zunehmender Stärke. Die Allport-Skala reicht von Verleumdung über Kontaktvermeidung, Diskriminierung, körperliche Gewalt bis hin zum Extremfall der Vernichtung, wie während des Holocausts geschehen.

Der Biologe Prof. Dr. Martin Korte von der TU Braunschweig beschreibt Vorurteile als „Übergeneralisierungen unseres Gehirns“. Durch die schnelle Einordnung des Umfeldes bleibt mehr Platz für andere Denkvorgänge. Beispielsweise bei Gefahr können wir so schneller reagieren. Unser Gehirn gleicht dabei automatisch bereits abgespeichertes Wissen mit der aktuellen Situation ab und entscheidet blitzschnell. Das Urteil „gefährliche Situation“ wird hierbei ohne genaueres Hinsehen getroffen, was im Falle unmittelbarer Gefahr sinnvoll sein kann.

Ein Vorurteil ist ...

  • voreilig, gefällt ohne aus­reichende Informationen und ohne Reflexion
  • generalisierend
  • stereotyp, klischeehaft, verallgemeinernd
  • wertend
  • mit Emotionen verbunden

Ursachen von Vorurteilen

Vorurteile entwickeln wir bereits in jungen Jahren. Wir lernen im Kindesalter, die Welt für uns zu sortieren. Viele neue Eindrücke und Informationen müssen ab­gespeichert und letztlich in „Schubladen“ verteilt werden. Ein gewisses daraus resultierendes Schablonendenken ist Teil menschlicher Entwicklung. Im Kindes- und Jugendalter bilden sich im Wesentlichen unsere Vorurteile aus. Auch Erwachsene greifen immer wieder auf diese abgespeicherten Bilder oder Assoziationen zurück. Vorurteile dienen dazu, Neues zu interpretieren und einzuordnen. Gehört jemand zur „eigenen Gruppe“? Geht von jemandem oder einer Sache Gefahr aus? Letztlich läuft diese Kategorisierung automatisch ab.

Die Welt in all ihrer Vielfalt wahrzunehmen, ist nicht einfach. Vielmehr findet unter anderem ein sogenannter „Bias“, eine kognitive Wahrnehmungsverzerrung, statt. Zu diesen kognitiven Ursachen für Vorurteile gehören, wie bereits beschrieben, eine gewisse Kate­gorisierung zur Reduktion der Komplexität der Umwelt und eine Fokussierung auf die auffälligsten Merkmale eines Gegenübers, seien es Äußerlichkeiten, herausstechende Eigenschaften oder bestimmte Merkmale dieser Person.

Zum Ursachenkomplex gehören zudem sowohl soziale als auch emotionale Ursachen. Teilweise handelt es sich um sich gegenseitig beeinflussende Phänomene. Bestimmte Stereotype werden beispielsweise einer anderen sozialen Gruppe zugeschrieben. Das geschieht letztlich häufig zur Rechtfertigung von Ungleichheiten. In der Folge kann es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommen. Das heißt, dass die erkennbar gewordenen Vorstellungen beziehungsweise Vorurteile, die andere von einer Person haben, von dieser Person – zumindest teilweise – übernommen werden. Dieses Phänomen kann bestehende Ressentiments verfestigen oder verstärken. Zu den emotionalen Ursachen gehört unter anderem die Bevorzugung der „eigenen Gruppe“ genauso wie eine verstärkte Identifika­tion mit dieser „Gruppe“.

Vorurteile im Arbeitsleben und ihre Folgen

Vorurteile begegnen uns nicht nur im Privaten, sondern auch am Arbeitsplatz. Wenn wir in einem Team gut zusammenarbeiten wollen, müssen wir auch in der Lage sein, uns auf jedes Teammitglied möglichst vorurteilsfrei einzulassen. Soweit die Theorie. Doch in der Realität läuft bei genauerer Draufsicht vieles anders. Häufig werden beispielsweise Frauen mit dem Vorurteil belegt, dass sie weniger an einer eigenen Karriere oder an Führungsaufgaben in­teressiert seien. Die Apotheke ist sicherlich ein eher „weibliches Arbeitsumfeld“. Werden nicht dennoch oft solche Klischees bemüht? Und wie steht es um die Position des vielleicht einzigen Mannes im Team? Hand aufs Herz!

Es gibt eine Vielzahl weiterer Vorurteile. Sie richten sich beispielsweise gegen Migranten, ältere Mitarbeiter, LGBTQ-Personen, Tätowierte und so weiter und so weiter. Eine lange Liste könnte aufgestellt werden. Das Ausleben von Vorurteilen führt jedoch zu vergebenen Chancen. Wer weiß, vielleicht ist der ältere Mitarbeiter geeigneter für den Job als der jüngere. Vielleicht ist ein internationales Team eine Möglichkeit zur besonderen Profilierung.

Vorurteile können unter anderem zu Diskriminierungen führen. Die Folge können Leistungsminderungen der Betroffenen sein. Wer geht schließlich mit der notwendigen Motivation seiner Arbeit nach, wenn er sich gleichzeitig Ressen­timents oder Diskriminierungen ausgesetzt fühlt? Selbst wenn diese nicht offen gezeigt werden, sie werden dennoch normalerweise wahrgenommen und können die Arbeitsleistung der Betroffenen senken. Ein gutes Betriebsklima, in dem sich alle Teammitglieder wohlfühlen, zahlt sich immer aus.

Der Stress, der für Einzelne durch Vorurteile entstehen kann, ist nicht zu unterschätzen. Burn-out oder Depressionen können unter anderem die Folge sein.

Tipps: Wahrnehmungs­training und Übungen zur Verhaltensänderung

Die Frage nach der Vermeidung beziehungsweise Überwindung von Vorurteilen führt zwangsläufig zunächst einmal zu der Frage, ob das überhaupt möglich ist. Vorurteile können sich sehr hartnäckig halten. Dennoch sind wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert. Zunächst müssten wir uns jedoch im Klaren sein und auch zugeben können, dass wir alle hin und wieder auf Vorurteile und stereotypes Denken zurückgreifen. Das ist der erste Schritt. Die Thematik anderen gegenüber anzusprechen, beispielsweise im beruflichen Umfeld, wäre ein weiterer wichtiger Schritt.

Es gibt Ressentiments, die heutzutage meist nicht öffentlich geäußert werden. Eine Voreingenommenheit beispielsweise gegenüber älteren Mitarbeitern wird dann zwar nicht offen benannt, kann aber dennoch zum Tragen kommen. Solche Art von Vorurteilen könnte durch vermehrten Kontakt zu den beschriebenen Gruppen, durch enge Zusammenarbeit, gemeinsame Ziele und echtes Interesse an den betreffenden Personen ausgeräumt werden. Schwieriger ist es bei unbewussten Vorurteilen, beispiels­weise der Bevorzugung gut aus­sehender Personen oder auch von Menschen, die einem selbst vom Verhalten oder der Art ähneln. Dies kommt zudem nicht nur unter Kollegen oder bei Vorstellungs­gesprächen zum Tragen. Es wirkt sich eventuell auch auf den Kontakt zu Kunden aus. Sich im Klaren zu sein, dass auch eine unbewusste Kategorisierung der Menschen, die in die Apotheke kommen, nach solchen Kriterien erfolgen kann, ist ein erster Schritt, diesen Vor­urteilen entgegenzuwirken.

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen herausgefunden werden kann, welche Vorurteile in uns schlummern, und mit deren Hilfe wir eingeschliffene Denkmuster überwinden können. Zu diesen Methoden gehören beispielsweise Wahrnehmungstrainings und Übungen zur Verhaltensänderung. Sich zunächst selbst bewusst zu werden und eine Selbsteinschätzung vorzunehmen, das eigene Selbstkonzept zu kennen, ist wichtiger Bestandteil eines Wahrnehmungstrainings. Verhaltensänderungen wiederum sind nicht schnell und durch einmalige Interventionen und Trainings zu er­reichen. Vielmehr sind darüber hinausgehende Maßnahmen sinnvoll wie beispielsweise mehr Interaktionen zwischen den einzelnen Teammitgliedern. Eine freundliche Arbeitsatmosphäre, die diese Inter­aktionen erleichtert und gemein­same Ziele stärkt, ist hilfreich. Zusätzlich können sogenannte Anti-Bias-Trainings gezielt zur Vermeidung von Vorurteilen eingesetzt werden.

Es lohnt sich, vielleicht nicht wirklich vorurteilsfrei, aber mindestens doch vorurteilsbewusst, im Privaten wie im Berufsleben anderen Menschen zu begegnen. |

Inken Rutz, Apothekerin und freie Journalistin

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