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Rollenverteilung in Haushalt und Familie

In der Pandemie verstärkt sich die bestehende Ungleichheit

Eine neue Studie bestätigt die Warnungen: Corona-bedingtes Home­office, Kontaktbeschränkungen sowie Schul- und Kita-Schließungen haben dazu geführt, dass Frauen in der Pandemie noch stärker durch häusliche Aufgaben belastet sind. Dabei handelt es sich laut Bertelsmanns-Stiftung weniger um einen Rückfall in die traditionelle Rollenverteilung. Es zeige sich vielmehr, dass diese noch gar nicht richtig „aufgebrochen“ war.

Beim Stichwort „Hausarbeit“ gaben 69 Prozent der befragten Frauen an, dass sie hier das Gros der Aufgaben übernehmen. Bei den Männern übernehmen nach eigenen Angaben nur 11 Prozent den überwiegenden Anteil der häuslichen Arbeiten.

Foto: Serhii – stock.adobe.com

Putzen, Kochen, Hausaufgaben betreuen: Frauendomänen

Auch bei der Kinderbetreuung, speziell beim Homeschooling sowie beim Thema Mahlzeiten wird die Schieflage deutlich: 51 Prozent der Frauen und nur 15 Prozent der Männer kümmern sich „vorwiegend“ darum, dass der schulpflichtige Nachwuchs auch unter Pandemiebedingungen lernt. Bei der Koordination der Termine ihrer Kinder sind es zu 66 Prozent die Mütter und lediglich 18 Prozent der Väter, die hier überwiegend zuständig sind. Mahlzeiten bereiten in der Regel 62 Prozent der befragten Frauen und 14 Prozent der Männer zu.

Faire Verteilung? Zwei Sichtweisen!

Ob die Aufgabenverteilung und Belastung in der Familie gerecht verteilt ist, dazu haben Männer und Frauen eine deutlich unterschiedliche Wahrnehmung:

Zwei Drittel der männlichen Befragten finden die Aufteilung bei der Haus­arbeit und Kinderbetreuung gerecht. Bei den Frauen sieht das nicht einmal die Hälfte so.

Interessant sind auch die abweichenden Bewertungen, welchen Einfluss die Pandemie auf die Rollenverteilung hat: In der Vor-Corona-Zeit sei die Aufteilung der familiären Aufgaben gerechter gewesen, finden 48 Prozent der Männer, aber nur 39 der Frauen.

Dass sich durch Homeoffice und an­dere Pandemiefolgen die Balance von Erwerbs- und Care-Arbeit wieder zu Ungunsten von Frauen verschiebt, befürchten dagegen mehr Frauen (49 Prozent) als Männer (33 Prozent).

Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert

Kein Wunder also: Frauen stimmen häufiger der Aussage zu, dass ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwerer als sonst fällt – weil die meiste Familienarbeit an ihnen hängenbleibt (43 vs. 32 Prozent bei den Männern). Fast jede zweite Frau leidet sehr an der pandemiebedingten Situation und fühlt sich körperlich, psychisch und emotional so belastet, dass es an ihre Grenzen geht. Von den Männern bejahen dies 30 Prozent.

Was ist zu tun?

„Arbeitsmarkt- und Beschäftigungs­politik, Familien- und Gesundheits­politik können nicht mehr getrennt betrachtet werden“, sagt Martin Spilker, Experte für Unternehmenskultur und Führung bei der Bertelsmann-Stiftung, zu den Ergebnissen der Studie. Wenn verstärkt Maßnahmen für flexiblere Arbeitsformen wie Homeoffice eingefordert und umgesetzt werden, dürfe die Work-Life-Balance auf der persönlichen Ebene nicht leiden.

Aber nicht nur Gesellschaft, Politik und Unternehmen sind gefragt, um die klassischen Rollenverteilungen aufzubrechen. Sowohl Frauen als auch Männer sollten sich mit ihren privaten und beruflichen Rollen auseinandersetzen und die Aufgabenverteilung in der Familie diskutieren, fordert Spilkers Kollegin Barbara von Würzen.

Für die repräsentative Umfrage hatte das Marktforschungsunternehmen Ipsos im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung im Mai dieses Jahres 537 Frauen und 523 Männer befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutschsprachige Gesamtbevölkerung im Alter von 16 bis 75 Jahren. |

Quelle

von Würzen B. Rollen und Aufgabenverteilung bei Frauen und Männern in Corona-Zeiten. Ergebnisse einer repräsentativen Studie. Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), 1. Auflage 2020, www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/rollen-und-aufgabenverteilung-bei-frauen-und-maennern-in-corona-zeiten

Sigrid Joachimsthaler

Verhandlungssache

Ein Kommentar

Foto: Angela Pfeiffer/ADEXA

Tanja Kratt

Stress führt selten dazu, dass man sich Zeit nimmt für neue, bessere Strukturen und den Abbau schlechter oder unliebsamer Gewohnheiten. Vielmehr fällt man in stressigen Situationen noch leichter in überwunden geglaubte Muster zurück. Das gilt auch für die Corona-Pandemie. Wobei in diesem Fall wohl eher die Männer und Väter der Auffassung waren, die alten ungleichen Familien­strukturen bereits hinter sich gelassen zu haben. Frauen sind da offenbar aus Erfahrung realistischer in ihrer Einschätzung.

Und gerade Frauen sollten auch kritischer sein, wenn die Frage nach einem Homeoffice-Arbeitsplatz als Dauerlösung nach der Pandemie aufkommt. In einem bestimmten Umfang mag das heimische Büro entlastend sein. In größerem Maße oder gar bei der 100-Prozent-Perspektive sollten die Alarmglocken schrillen. Denn die Sache hat einen Haken: Netzwerke bilden und nutzen, Projekte im Team erarbeiten, erfolgreich präsentieren und durchführen, das alles fällt am Präsenzarbeitsplatz leichter.

Gute familienfreundliche Rahmenbedingungen im Betrieb und in der Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik sind in jedem Fall wichtig, damit Paaren und Eltern eine bessere Aufteilung gelingt. Aber letztlich muss jede Frau auch selbstbewusst mit dem Partner eine faire Verteilung der familiären Pflichten aushandeln.

Tanja Kratt, ADEXA-Vorstand

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