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Einfach erklärt
Die Macht der Worte
Komplexe Sachverhalte einfach erklärt – Folge 5: Nasenspray-Abhängigkeit
Sie haben gerade an blasse Gestalten gedacht, die sich nachts in dunklen Gassen oder auf unappetitlichen Bahnhofstoiletten herumtreiben?
Das liegt an der Macht der Worte. Ein paar Worte (manchmal nur ein einziges) rufen eine Fülle von Assoziationen hervor.
Um den Sinn von Worten zu begreifen, ruft unser Gehirn nämlich alles auf, was wir mit diesem Wort verbinden: Gerüche, Bilder, Geräusche, haptische Erfahrungen und Emotionen. Eben alles, was wir zu diesem Wort abgespeichert haben.
Die Kognitionswissenschaft bezeichnet diese Lebenserfahrungen, die mit bestimmten Worten assoziiert sind, als Deutungsrahmen oder Frames. Framing gibt unseren Worten eine Bedeutung und beeinflusst sogar unser Handeln.
Was hat das jetzt alles mit Nasenspray zu tun? Sehr viel! Ich habe keine Vorstellung davon, wie oft ich im Laufe meines Berufslebens gewarnt habe: „Bitte höchstens dreimal täglich und nicht länger als eine Woche anwenden!“
Wahrscheinlich habe ich sogar auf die Frage nach dem „Warum“ hin und wieder irgendwas mit „Abhängigkeit“ oder „Sucht“ geantwortet.
Was wollte ich erreichen? Ich wollte meine Kundinnen und Kunden vor einem Rebound-Effekt oder gar einer „Stinknase“ bewahren. Gewiss wird sich die betroffene Person nicht sofort in der Drogenszene verortet haben. Aber sie wird die „Abhängigkeit“ oder „Sucht“ möglicherweise mit dem latenten Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, assoziiert haben.
Die Wortwahl entscheidet also über die Aktivierung unterschiedlicher Frames.
Keine Frage: Nasensprayabhängigkeit existiert und kann für die Betroffenen äußerst unangenehme Folgen haben. Entscheidend ist, dass die Wortwahl nicht nur das Verständnis von Zusammenhängen beeinflusst, sondern auch das Handeln. Sucht oder vermeidbare Folgeerkrankung? Bei welchem Thema könnte ich Sie eher motivieren, dagegen anzugehen?
Patienten fragen – wir antworten
Warum schwillt meine Nasenschleimhaut bei Schnupfen an?
Ein erkältungsbedingter Schnupfen (Rhinitis) wird durch Erkältungsviren ausgelöst. Diese Viren schleusen sich in unsere Schleimhautzellen ein und vermehren sich. In der Folge sterben die Schleimhautzellen ab und entlassen unzählige neue Schnupfenviren, die wiederum weitere Schleimhautzellen infizieren.
Unsere Schleimhaut wehrt sich, indem sie versucht, die unerwünschten Gäste mit kräftigem Niesen herauszuschleudern.
Wird das Nasensekret mit der Zeit gelblich und dickflüssig, hat sich die Nasenschleimhaut entzündet. Ein willkommener Nährboden für Bakterien! Die bakterielle Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) ist daher eine der häufigsten Komplikationen des Erkältungsschnupfens.
Wie wirken abschwellende Nasensprays?
Abschwellende Nasensprays enthalten Wirkstoffe, die die Blutgefäße in der Nasenschleimhaut zusammenziehen. So wird ein Abschwellen der Schleimhaut erreicht und Nasenatmung sowie Sekretabfluss werden deutlich verbessert.
Wie wende ich abschwellende Nasensprays an?
Ein Nasenspray korrekt zu benutzen ist keine große Sache. Ein paar Punkte sollten Sie dennoch beachten:
- Teilen macht nicht immer glücklich. Deshalb: für jedes Familienmitglied ein eigenes Nasenspray!
- Vor jeder Anwendung sollten Sie sich vorsichtig und ohne großen Druck schnäuzen.
- Neigen Sie Ihren Kopf leicht nach vorne.
- Führen Sie mit der rechten Hand die Spitze des Dosiersprays etwa einen halben Zentimeter in das linke Nasenloch ein (quasi Überkreuz) ohne die Nasenscheidewand zu berühren.
- Geben Sie einen Sprühstoß ab und schniefen Sie dann leicht (!) hoch.
- Jetzt die andere Seite: führen Sie die Spitze des Dosiersprays mit der linken Hand in das rechte Nasenloch ein. Sprühstoß. Leicht einatmen.
- Applikatorspitze mit einem Papiertaschentuch abwischen. Kappe wieder drauf.
Warum die aufwendige Choreografie? Indem Sie die jeweils gegenüberliegende Hand zum Sprühen benutzen, erreichen Sie automatisch den richtigen Winkel, um den bestmöglichen Effekt zu erreichen: weg von der Nasenscheidewand hin zur Nasenhaupthöhle. Die Schleimhaut auf der Nasenscheidewand ist nämlich besonders dünn und empfindlich. Konzentriert sich der abschwellende Wirkstoff aus dem Spray dort, reagiert die Schleimhaut oft beleidigt und brennt oder blutet gar.
Warum sollte ich sie nur über einen begrenzten Zeitraum anwenden?
Unsere Nasenhöhle ist mit Nasenmuscheln ausgekleidet. Auf jeder Seite liegen drei Muscheln übereinander.
Beim Einatmen strömt die Luft durch die Nasenmuscheln und wird auf Körpertemperatur angewärmt sowie befeuchtet. Damit sich die Muscheln zwischendrin auch mal erholen können, schwillt eine nach der anderen für eine Zeit lang an und steht kurzzeitig nicht zur Verfügung.
Weil immer nur eine Muschel „in Pause“ ist, merken wir in gesundem Zustand davon gar nichts. Bei einer langfristigen Anwendung abschwellender Nasensprays werden diese Erholungsphasen unterbunden und die Schleimhaut trocknet aus. Es bilden sich Krusten und Borken aus getrocknetem Nasensekret, manchmal blutet die Nase auch.
Ideale Bedingungen für Bakterien, vor allem für bestimmte Bakterienstämme, die einen grünlich-gelben, schmierigen Belag bilden. Durch sie werden auch Riechnervenfasern zerstört und der Geruchssinn wird geschwächt. Dummerweise nur der eigene, denn die Mitmenschen können den Bakterienschleim sehr wohl riechen! Eine unangenehme Folge ständigen Nasenspray-Gebrauchs ist daher die „Stinknase“, auch „Ozäna“ genannt.
Und was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, ich kann ohne Nasenspray nicht mehr gut atmen?
Erst mal ab zum Arzt. In Absprache kann man die „Einloch-Methode“ versuchen, bei der die Dosis zuerst schrittweise reduziert wird (von der Erwachsenendosis über Nasenspray für Kinder bis zu Säuglingstropfen). Wichtig ist, konsequent nur ein Nasenloch zu behandeln (immer das gleiche!), bis sich das andere erholt hat. Dann lässt man das abschwellende Medikament komplett weg. |
Komplexe Sachverhalte aus dem Apothekenalltag einfach erklärt …
… das ist die Idee hinter dieser Serie! Denn wie alle Experten sind auch wir Apothekerinnen und Apotheker chronisch gefährdet, einen zu hohen Wissensstand beim Gegenüber – unseren Kundinnen und Kunden – vorauszusetzen. Bei der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind einfache Erklärungen auf die Frage „Warum?“ oft förderlicher als detaillierte Ausführungen, die sich mit dem „Wie“ beschäftigen.
Deshalb finden Sie in dieser Serie regelmäßig entsprechend aufbereitete Informationen, die Sie an Ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können – wir übernehmen sozusagen die Übersetzungsarbeit aus dem Pharmazeutischen.
Bei der Themenauswahl haben wir uns an der Häufigkeit im Apothekenalltag und am praktischen Nutzen für die AMTS orientiert.
Folge 1: Gehört heißt nicht immer richtig verstanden – Was bedeutet „nüchtern einnehmen“?,
DAZ 2021, Nr. 29, S. 48
Folge 2: Dem Schmerz eine „kleben“ – Transdermale therapeutische Systeme,
DAZ 2021, Nr. 34, S. 50
Folge 3: Sauer? Nicht lustig – Protonenpumpeninhibitoren,
DAZ 2021, Nr. 38, S. 62
Folge 4: Verdammt, ich schluck dich! Ich schluck dich nicht! – Nebenwirkungen und Adhärenz, DAZ 2021, Nr. 43, S. 52
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