Schwerpunkt Retaxierung

Aufschlussreiche Ergebnisse

Umfrage des DAP zu Erfahrungen und Umgang der Apotheken mit Retaxierungen

Um einen Überblick zu erhalten, wie aktuell in Apotheken der Stand bei Retaxierungen ist und wie die Teams damit umgehen, führte das Deutsche Apotheken Portal (DAP) eine Umfrage durch. Die Ergebnisse erlauben einen Einblick in die täg­liche Apothekenpraxis und decken typische Retaxfallen auf.

Obwohl nach und nach das E-Rezept eingeführt werden soll und damit hoffentlich viele Retaxierungen der Vergangenheit angehören dürften, lohnt ein Blick auf die aktuelle Situation in Apotheken. Weiterhin wird ein Großteil der Rezepte klassisch auf Papier ausgestellt und dies wird nach derzeitigem Stand auch noch eine ganze Weile so bleiben. An der Umfrage „Retaxationen – warum, wie oft, in welcher Höhe?“ des Deutschen Apotheken Portals (DAP) nahmen zwischen dem 29. August und dem 10. September 2022 mehr als 2000 Apothekenmitarbeiter teil und beantworteten zahlreiche Fragen zu diesem Themengebiet.

Wie erfolgt die Rezeptprüfung?

Ein wichtiger Punkt zur Vorbeugung von Retaxationen ist die Rezeptprüfung, bevor die Rezepte in die Abrechnung gelangen. Hier bieten mittlerweile verschiedene EDV-Systeme Unterstützung. Doch wer führt in der Apotheke diese Rezeptprüfung durch und wird die automatische Unterstützung genutzt? Mehrheitlich antworteten die Teilnehmer, dass die Rezepte vor der Abrechnung mithilfe einer eigenen Software geprüft werden – hier suchen sich die Apotheken also durchaus Unterstützung, damit keine Fehler übersehen werden. Ohne Softwareunterstützung wird die Überprüfung vor allem durch Apotheker vorgenommen, seltener durch PTA. Verschwindend gering ist dagegen der Anteil der Teilnehmer, bei denen überhaupt keine Rezeptüberprüfung vor der Abrechnung durchgeführt wird.

Eckdaten zu Retaxierungen

Die Umfrage gibt einen guten Überblick darüber, wie häufig Retaxierungen in Apotheken anfallen und um welche Summen es dabei geht. Im Schnitt erhält mit gut 75 Prozent die deutliche Mehrheit der Teilnehmer ein bis zehn Retaxationen pro Monat. Nur 13,6 Prozent erhalten so gut wie nie Retaxationen. Dies zeigt, dass trotz aller Verbesserungen gegenüber älteren Vertragsversionen und neuer Heilungsmöglichkeiten, die im aktuellen Rahmenvertrag vereinbart sind, offenbar weiterhin (Form-)Fehler bei der Rezeptbelieferung auftreten, die dann von der GKV geahndet werden.

Als Nächstes wurde abgefragt, welche Retaxierungen am häufigsten vorkommen: Nullretaxierungen, bei denen der Apotheke jegliche Erstattung genommen wird, kommen bei 11,2 Prozent der Teilnehmer am häufigsten vor. Bei einer Mehrheit von 56,1 Prozent kommen am häufigsten Rechnungskürzungen vor, die je nach Höhe der Kürzung ebenso ärgerlich sind wie eine Nullretax. Knapp ein Drittel der Teilnehmer berichtet, dass beide Arten von Retaxationen in etwa gleich häufig vorkommen.

Interessant ist ein Einblick, wie hoch die Retaxsumme der Apotheken im Schnitt pro Monat ist. Besonders hoch (über 500 Euro) ist die Retaxsumme bei 4,1 Prozent der Teilnehmer. Mehrheitlich wird berichtet, dass sich die Retaxsumme im Bereich zwischen 100 und 300 Euro bewegt. Auch ohne Ausreißer durch teure Retaxationen kommt demnach bei vielen Apotheken im Jahresverlauf eine beachtliche Summe zusammen.

Wird immer Einspruch erhoben?

Ob immer Einspruch gegen eine Re­taxierung erhoben wird, muss jede Apotheke im Einzelfall entscheiden. Teilweise ist dabei die Frage, ob sich der Aufwand je nach Höhe der Retax überhaupt lohnt. Daher wurde auch dies im Rahmen der Umfrage erörtert. Es stellte sich heraus, dass die Mehrheit der Teilnehmer meistens Einspruch erhebt: 22,5 Prozent geben an, dass sie erst ab einer bestimmten Re­taxsumme Einspruch erheben. Ist Letzteres der Fall, so liegt die Schmerz­grenze der Teilnehmer in 51,6 Prozent der Fälle bei 10 Euro, 41,5 Prozent der Teilnehmer legen erst bei Retaxsummen ab 100 Euro Einspruch ein.

Ob ein Einspruch letztlich erfolgversprechend ist, hängt natürlich immer vom vorliegenden Einzelfall ab – so gibt es durchaus unberechtigte Retaxierungen, die zurückgenommen werden müssen, und solche, bei denen im Nachhinein noch eine Heilung möglich ist. Falls eine Retaxierung durch die Vorgaben des Rahmenvertrags gerechtfertigt ist, kann eine GKV trotzdem entscheiden, die Apotheke ganz oder teilweise zu vergüten. Die Abfrage bei den Apotheken ergab, dass die Aussichten eines Einspruchs oft nicht so schlecht sind, wie vielleicht vielfach vermutet wird. Die Mehrheit der Teilnehmer gibt an, ab und an Erfolg mit den Einsprüchen zu haben. 24,6 Prozent berichten, dass ihre Einsprüche meistens von Erfolg gekrönt sind. Es kann also durchaus sinnvoll sein, auf Retaxationen mit einem Einspruch zu reagieren.

Einschneidende Retaxierungen

Viele Retaxierungen werden in Apotheken vermutlich als lästiges Übel angesehen, doch auch Retaxierungen, die im Einzelfall nicht hochpreisig sind, können in der Summe einen gewaltigen Einschnitt bedeuten, wenn sie sich häufen. Doch es gibt sicher in jeder Apotheke Retaxierungen, die aufgrund der Summe in Erinnerung bleiben – hier baten wir die Teilnehmer darum, Beispiele zu schildern. Genannt wurden hier hochpreisige Retaxationen aus unterschiedlichsten Gründen, die ein breites Bild typischer Retaxfallen zeichnen: So berichtet eine Apotheke von einer Retax in Höhe von 6000 Euro aufgrund von Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels. Eine andere Apotheke wurde aufgrund einer fehlenden Dosierungsangabe in Höhe von 4000 Euro retaxiert. Auch fehlende Arztunterschriften können für ein böses Ende sorgen, so bei einer Re­taxierung in Höhe von 5000 Euro bei einem nicht unterschriebenen Sprechstundenbedarfsrezept. Bei Rezeptfälschungen steht am Ende ebenfalls die Apotheke mit leeren Händen da – in einem Fall wurde eine Retax in Höhe von 3500 Euro ausgesprochen. Auch verspätete Rezepteinlösungen führen oft zu Retaxationen: In einem Fall wurde ein als Entlassrezept ausgestelltes T-Rezept zu spät eingelöst, was eine Retax in Höhe von 7000 Euro zur Folge hatte. Diese und zahlreiche weitere einschneidende Retaxationen zeigen, dass vor allem bei hochpreisigen Arzneimitteln eine Rezeptprüfung schon bei der Abgabe sinnvoll ist, denn viele dieser Fehler lassen sich durchaus gut vermeiden, wenn man sich der typischen Retaxfallen bewusst ist.

Lästige Zeitfresser

An dieser Stelle dürfen auch die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Umfrage der DAZ nicht unerwähnt bleiben, die zeigen, wie groß der mit der Retax-Bearbeitung verbundene Zeitaufwand in der Apotheke ist. Hier wurde unter anderem erfragt, wie lange die Bearbeitung einer Retaxation in der Apotheke im Durchschnitt dauert. Es zeigt sich, dass jede Retaxation Arbeitszeit in der Apotheke kostet: 24 Prozent der Teilnehmer geben an, dass pro Retax im Schnitt 10 bis 15 Minuten an Bearbeitungszeit anfallen, bei 32 Prozent sind es sogar mehr als 15 Minuten. 29 Prozent der Teilnehmer geben an, dass die Zeiten je nach Retax sehr unterschiedlich sind.

Dass damit die Retax-Bearbeitung bei 87 Prozent der Teilnehmer als echter Zeitfresser angesehen wird, ist nicht verwunderlich – dadurch werden wertvolle Ressourcen gebunden.

Welche Krankenkassen retaxieren?

In der DAP-Umfrage wurde auch erfragt, welche Krankenkassen Retaxierungen aussprechen. Es zeigte sich, dass alle abgefragten Krankenkassen retaxieren. Dabei darf natürlich die Anzahl der Versicherten nicht außer Acht gelassen werden, dennoch ergibt sich ein interessantes Bild: Am häufigsten sprechen nach Aussage der Teilnehmer die AOK, DAK-Gesundheit, Barmer und Techniker Krankenkasse Retaxierungen aus. Zum Vergleich: Die AOK hat die meisten Ver­sicherten (27 Millionen, Stand Dezember 2021), gefolgt von Techniker Krankenkasse (> 11 Mio. Versicherte, Stand 01.09.2022), Barmer (> 8 Mio. Versicherte, Stand 01.09.2022), DAK-Gesundheit (> 5 Mio. Versicherte, Stand 01.09.2022) und IKK classic (> 3 Mio. Versicherte, Stand 01.08.2022).

Außerdem wurden die Apotheken gefragt, wie sie grundsätzlich zum Thema Retaxierungen stehen. Finden sich Apotheken mit Retaxierungen ab bzw. sind diese nachvollziehbar, wenn gegen geltendes Recht verstoßen wird, oder drängt sich eher der Eindruck auf, dass sie als Instrument der Kosten­ersparnis gesehen werden? Auf diese Frage antwortet die Mehrheit der Teilnehmer, dass sie tatsächlich häufig das Gefühl haben, dass zur Kostenersparnis gezielt nach Fehlern gesucht wird. Gut ein Viertel der Teilnehmer hat sich damit abgefunden, dass es Retaxierungen gibt, und versucht diese mit sorgfältiger Rezept­bearbeitung zu vermeiden.

Bis hierher zeigt die Umfrage, dass Retaxierungen weiterhin ein wich­tiges Thema in Apotheken sind und sich dadurch in vielen Fällen empfindliche Einschnitte ergeben. Umso wichtiger ist es, die gesetzlich und vertraglich vorgegebenen Regelungen zu kennen und diese korrekt umzusetzen.

Wie verteilen sich typische Retaxfallen?

Um Retaxierungen erfolgreich vorzubeugen, sollten typische Retaxfallen bekannt sein. Wie sich diese im Einzelnen in den teilnehmenden Apotheken verteilen, zeigt das Ranking, das sich aus den Umfrageergebnissen ableiten lässt:

1. Falscher Zuzahlungsstatus

2. Unwirtschaftliche Abgabe (z. B. Vergleich Original/Import)

3. Fehlende Sonder-PZN/Dokumen­tation auf dem Rezept

4. Rabattvertrag missachtet

5. Hilfsmittelabgabe ohne gültigen Vertrag

6. Fehlendes/Überschrittenes Abgabedatum

7. Abgabe eines nicht erstattungs­fähigen Präparates (Nahrungs­ergänzungsmittel/OTC-AM f. Erwachsene/nicht erstattungs­fähiges Medizinprodukt)

8. Fehlender/Falscher Hash-Code

9. Fehlende/Falsche Dosierung

10. Fehlendes A auf BtM-Rezept

11. Fehlende Arztdaten (z. B. Arztname bei Klinikrezepten)

12. Fehlende Arztunterschrift

Außerdem lässt sich erkennen, bei welchen Rezepten häufig Retaxationen vorkommen:

1. Rezepte über Arzneimittel

2. Rezepturen

3. Klinikrezepte/Entlassrezepte

4. Betäubungsmittelrezepte

5. Sprechstundenbedarfsrezepte

6. Impfstoffrezepte (Individual­verordnung)

7. Isotretinoin-, Acitretin-, Alitretinoin-Rezepte

8. T-Rezepte

Zusammenfassend ergibt sich hier ein guter Einblick in die aktuelle Situation in Apotheken hinsichtlich des Umgangs mit Retaxierungen. Die auf­gedeckten typischen Retaxfallen sind überwiegend bereits bekannt, aber es lohnt immer, diese genauer zu betrachten und das Apothekenteam darauf zu schulen, damit diese rechtzeitig bei der Rezeptbearbeitung erkannt werden. Bei vielen Retaxationen ist ein Einspruch erfolgversprechend, daher sollte der bürokratische Aufwand nicht gescheut werden. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass es durchaus immer wieder auch unberechtigte Retaxationen gibt – gerade hier ist ein Einspruch unbedingt anzubringen. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie weitere Details zur Vorbeugung der wichtigsten Retaxfallen. |

 

Literatur

[1] Ergebnisse der DAZ-Umfrage: Zeitfresser Retax – so sehr belasten Kassenbeanstandungen die Apotheken. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/10/25/zeitfresser-retax-so-sehr-belasten-kassen-beanstandungen-die-apotheken

[2] AOK: Zahlen und Fakten im Gesundheits­wesen https://www.aok.de/pk/magazin/cms/fileadmin/pk/pdf/zahlen-fakten-kompakt-2021.pdf

[3] Die größten Krankenkassen: Zahl der Versicherten https://www.krankenkassen.de/krankenkassen-vergleich/statistik/versicherte/aktuell/ Stand: November 2022

 

Autorin

Christina Dunkel, Apothekerin, Studium der Pharmazie in Bonn, Tätigkeit in öffentlichen Apotheken, seit 2011 beim DAP

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