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Notdienst

Die wirtschaftliche Seite

Analyse zur Finanzierung des Apothekennotdienstes

Angesichts der Personalnot und der Pläne der Ampel-Koalition für „integrierte Notdienstzentren“ sollten sich die Apotheken auf eine Diskussion über die künftige Gestaltung des Notdienstes vorbereiten. Nach einem Beitrag zur Verteilung des Notdienstes (siehe DAZ 2022, Nr. 8, S. 20) geht es hier um die Finanzierung. Dabei steht der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) im Vordergrund. Die Pauschale aus dem Fonds soll ein Zuschuss für den Notdienst und zugleich eine Strukturförderung sein. Daraus ergeben sich vielfältige betriebswirtschaftliche Folgen. | Von Thomas Müller-Bohn

Die Apotheken mussten den Notdienst früher nahezu ausschließlich aus der Handelsmarge finanzieren – wie heute noch fast alle anderen Pflichten. Die Pauschale aus dem NNF gibt es erst seit dem 1. August 2013 (siehe unten). Dafür wird gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bei jeder Abgabe eines Rx-Fertigarzneimittels ein Zuschlag von 21 Cent erhoben und an den NNF abgeführt. Später wird das Geld als Notdienstpauschale an die Apotheken ausgeschüttet. Für das dritte Quartal 2021 waren das 380,86 Euro pro Vollnotdienst. Die Struktur des NNF hat sich mittlerweile bewährt und bietet sich als Vorbild für weitere Honorarelemente an. Für die pharmazeutischen Dienstleistungen ist das Konzept bereits vorgesehen, für die weitere Strukturförderung liegt es nahe. Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiterzuentwickeln, was auch immer damit gemeint ist.

Notdienstgebühr mit geringer Finanzierungswirkung

Eine viel längere Geschichte als der NNF hat die Notdienstgebühr gemäß § 6 AMPreisV, die zu bestimmten Zeiten von Patienten bei der Inanspruchnahme des Notdienstes oder bei einer „noctu“-Verordnung von der Krankenkasse zu leisten ist. Sie beträgt derzeit 2,50 Euro einschließlich Umsatzsteuer. Sie gilt auch als „Schutzgebühr“, die von der willkürlichen Inanspruchnahme abhalten soll. Für die Finanzierung bringt sie nur wenig. Sogar wenn nach 20 Uhr noch 40 Patienten die Apotheke aufsuchen, würde sie nur 100 Euro einbringen – also viel weniger als die Pauschale vom Nacht- und Notdienstfonds.

Hintergrund des Notdienstfonds

Den weitaus größten Anteil an der Finanzierung des Notdienstes hat damit die Zahlung aus dem NNF, aber auch sie ist als Zuschuss gedacht. Dies ergibt sich aus der Struktur der AMPreisV und der Entstehungsgeschichte des NNF. Die wesentliche Einnahmequelle für Apotheken im Rahmen der AMPreisV sind die Zuschläge auf Rx-Arzneimittel, die über den Abgabevorgang hinaus die allgemeinen Betriebskosten finanzieren müssen. Im Unterschied dazu sind die Tarife für Rezepturarzneimittel und die BtM-Dokumentationsgebühr so bemessen, dass sie günstigstenfalls die zusätzlichen Kosten der jeweiligen Leistung decken. Zumindest bis zur Einführung des NNF konnte die verbindlich geregelte Honorierung der Apotheken nur über den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel an veränderte Kosten angepasst werden. Dieser Logik folgt auch § 78 Abs. 1 Satz 2 AMG, der eine Anpassung des Festzuschlags „entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ vorsieht. Die einzige jemals aufgrund dieser Regelung vorgenommene Erhöhung des Festzuschlags von 8,10 auf 8,35 Euro zum 1. Januar 2013 löste wegen der geringen Anpassung Proteste der Apothekerschaft aus, die am 1. August 2013 zur Einführung des NNF als zusätzliches Honorarelement führten. Die Bemessung der Notdienstpauschale beruhte nicht auf einer fundierten Analyse der Notdienstkosten. Es war selbstverständlich, dass jeder Zuschuss zu einer bisher nicht explizit honorierten Leistung für die Apotheken vorteilhaft ist und voll auf das Betriebsergebnis durchschlägt. Gegenüber einer Erhöhung des Festzuschlags bot die Pauschale zwei wesentliche Vorteile. Erstens wollte die Politik nicht alle Apotheken gleichermaßen „mit der Gießkanne“ honorieren. Mit der Pauschale kann stattdessen eine besondere Leistung finanziert werden. Zweitens profitieren Apotheken in Alleinlagen überproportional, weil sie meist viele Notdienste versehen. Damit ist die Pauschale eine politisch gewünschte Strukturförderung. Die Verteilung über den Notdienst ist ein Vehikel, um Apotheken in Abhängigkeit von ihrer Versorgungsrelevanz zu unterstützen, ohne diesen Begriff umständlich definieren zu müssen. Diese Logik hat auch der vorige Bundesgesundheitsminister Spahn in seinem Maßnahmenpaket für die Apotheken genutzt. Zum 1. Januar 2020 stieg der Zuschlag für den NNF von 16 auf 21 Cent pro Rx-­Packung, was als allgemeine Unterstützung für die Apotheken dargestellt wurde.

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Eine mögliche Reform des Notdienstes darf nicht an anderer Stelle neue Lücken aufreißen, die die Existenz von Apotheken in Alleinlagen gefährden.

Teilkostenrechnung für den Notdienst

Darum hat die Relation zwischen der Pauschale und den Kosten des Notdienstes bisher politisch kaum interessiert. In einer Debatte über den Notdienst ist hingegen zu fragen, was dieser Dienst kostet und inwieweit die Pauschale diese Kosten deckt. Die Antwort hängt von der Rechenweise und von der jeweiligen Apotheke ab. Dabei ist insbesondere der Unterschied zwischen Teil- und Vollkostenrechnung zu beachten. In einer Teilkostenrechnung werden nur die Kosten betrachtet, die durch den Notdienst ausgelöst werden. Fixe Kosten werden dabei nicht auf den Notdienst umgelegt. Damit wird die Infrastruktur der Apotheke mit Räumen, Betriebsausstattung, Organisation und Verwaltung vorausgesetzt. Der Notdienst leistet bei einer Teilkostenrechnung keinen Beitrag zur Finanzierung dieser Infrastruktur. Das beruht auf der Argumentation, dass die Infrastruktur vorhanden ist und der Notdienst zusätzlich zu den sonstigen Leistungen erfolgt. Im Gegensatz zu neuen pharmazeutischen Dienstleistungen geht es nicht um ein neues Geschäftsfeld, das weiter ausgebaut werden und die Apotheke wirtschaftlich mittragen soll. Anders als bei den pharmazeutischen Dienstleistungen steht die Apotheke auch nicht vor der Wahl, den Notdienst anzubieten oder nicht.

Die wichtigste Position in einer Teilkostenrechnung sind die Personalkosten für die Zeit des Notdienstes. Hinzu kommen zusätzliche Betriebskosten, beispielsweise für Strom und Heizung, im Vergleich zu einer Nacht ohne Notdienst, zusätzliche Beiträge und Gebühren aufgrund zusätzlicher Umsätze und Kosten für die Organisation. In eine längerfristige Betrachtung müssten auch die Kosten für das Nachtdienstzimmer und die Nachtdienstanlage eingehen. Kurzfristig zählen sie nicht, weil sie ohnehin vorgeschrieben sind. Im Gegenzug sind die zusätzlichen Einnahmen aus dem Notdienst zu betrachten: die Pauschale vom NNF, die Zuschläge auf die abgegebenen Arzneimittel und die Notdienstgebühr. Die „normalen“ Zuschläge decken jedoch auch die Teilkosten für die Warenlogistik, die auch die im Notdienst abgegebenen Arzneimittel betrifft, und die umsatzabhängigen Kosten. Im Vergleich zu den Personalkosten sind die übrigen Unterschiede zum „Normalbetrieb“ gering. Daher kann für eine grobe pragmatische Abschätzung angenommen werden, dass die Margen aus den Arzneimittelumsätzen und die Notdienstgebühr die zusätzlichen Betriebskosten außer den Personalkosten decken. Dann muss die Pauschale vom NNF das Personal finanzieren. Diese Vereinfachung wird sich als gerechtfertigt erweisen, weil das entscheidende betriebswirtschaftliche Problem ganz woanders liegt (siehe unten im Zwischenfazit). Gemäß dem Gehaltstarif für Apotheken ab 1. Januar 2022 beträgt die tarifliche Zahlung für Apotheker ab dem 11. Berufsjahr für einen Notdienst von 18 bis 8 Uhr 236 Euro. Bei 22 Prozent Sozialabgaben des Arbeitgebers und sonstigen gehaltsabhängigen Kosten ergibt dies Personal(-teil-)kosten von 288 Euro für eine Nacht. Wochenenddienste bleiben hier unbeachtet. Mit einer Pauschale von beispielsweise 380,86 Euro ergibt die oben dargestellte vereinfachte Teilkostenrechnung einen Deckungsbeitrag von etwa 92 Euro pro Notdienst für die Fixkosten der Apotheke. Faktisch ist dies die erwähnte Strukturförderung.

Vollkostenrechnung

Im Gegensatz dazu wird bei einer Vollkostenrechnung argumentiert, dass der Notdienst eine betriebsbereite Apotheke voraussetzt und daher einen gewissen Anteil der Fixkosten finanzieren muss. Für eine Vollkostenrechnung soll hier eine Zuschlagskalkulation auf der Grundlage der Personalkosten erfolgen. Aus dem Verhältnis aus Personalkosten und sonstigen Kosten gemäß ABDA-Wirtschaftsbericht für 2020 ergibt sich ein Zuschlag von 67,3 Prozent auf die Personalkosten. Damit betragen die Vollkosten ohne Gewinnzuschlag 482 Euro pro Notdienstnacht. So entsteht eine Unterdeckung von etwa 101 Euro pro Nacht.

Zwischenfazit für eine ideale Welt

Damit würde die Pauschale ihre politisch definierte Aufgabe erfüllen. Sie wäre ein Zuschuss, der etwas mehr als die Teilkosten deckt, sodass der Notdienst nicht zur wirtschaftlichen Last wird, aber er wäre auch nicht so lukrativ, dass er andere Leistungen erübrigt. Doch dieses Zwischenfazit ist im Konjunktiv formuliert. Denn die Realität entspricht immer seltener dem beschriebenen Szenario, und daraus ergeben sich die entscheidenden Probleme für die Arbeit der Apotheken und für eine betriebswirtschaftlich angemessene Bewertung.

Realität als Kontrast

In einem Leserbrief in DAZ 5 hat Daniela Hänel beklagt, dass das Tarifentgelt kaum noch die tatsächlichen Honorare für Notdienste abbildet. Gelegentlich würden sogar 500 Euro pro Nacht gefordert. Dann ergibt die obige Rechnung einen beträchtlichen Verlust für die Apotheke. Dann erfüllt die Pauschale ihren Zweck nicht. Sie müsste deutlich höher sein. Als Alternative bleibt der Notdienst durch die Inhaber, worauf Hänel ausführlich eingeht. Für die betriebswirtschaftliche Betrachtung hat das viele Konsequenzen. Da Inhaber kein steuerlich absetzbares Gehalt beziehen, können für ihre Arbeit in einer Kostenrechnung nur kalkulatorische Kosten angesetzt werden. Die Argumentation mit kalkulatorischen Kosten ist politisch verpönt, weil sie als willkürliche Minderung des Gewinns gilt. Doch dieser Einwand wird hier zu einem inakzeptablen „Totschlagargument“, weil hier eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung nur mit kalkulatorischen Kosten möglich ist. Dies hängt ursächlich mit der Rechtsform der Apotheken als Einzelunternehmen zusammen. Doch bleibt zu fragen, welche kalkulatorischen Kosten anzusetzen sind.

Literaturtipp

Apothekerinnen und Apotheker im Notdienst sind meist ganz auf sich allein gestellt. Es gilt, regulatorische Fragen zu lösen, schwierige Situationen kommunikativer Art zu meistern und pharmazeutische Kompetenz zu zeigen. Mit dem „Notdienst-Retter“ an der Hand umschiffen Sie brenzlige Situationen und finden kreative Lösungen. Wichtige Arbeitshilfen wie Checklisten oder Tabellen zum schnellen Nachschlagen stehen zusätzlich als Download auf Online-PlusBase zur Verfügung. So gerüstet starten Sie entspannt in den nächsten Nacht- oder Notdienst!

Von Stefanie Brune, Sebastian Baum und Timo Kieser

Notdienst-Retter

Handbuch für Organisation und Praxis
XVI, 455 S., 20 farb. Abb., 76 farb. Tab., 19,3 × 27,0 cm, Gebunden, 59,80 Euro, ISBN 978-3-7692-7347-2
Deutscher Apotheker Verlag 2021


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Große Unterschiede zwischen den Apotheken

Ein Inhaber, der im Apothekengebäude wohnt und beim Notdienst „im eigenen Bett“ (vielleicht) schlafen kann, wird eher wenig belastet – zumindest in einer ländlichen Gegend mit einem eher „ruhigen“ Dienst. Inhaber in einer so komfortablen Situation können mit der Notdienstpauschale einen Deckungsbeitrag für ihre Apotheke erwirtschaften. Wenn der Pauschale für 40 Notdienste pro Jahr keine steuerlich wirksamen zusätzlichen Kosten gegenüberstehen, kann das Betriebsergebnis im Idealfall um bis zu 15.000 Euro steigen. In einer vollständigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung müssten kalkulatorische Kosten als Entgelt für die Belastung des Inhabers abgezogen werden. Doch hier erfüllt die Pauschale ihren strukturfördernden Zweck. Sie kann diese Apotheke bei einer akzeptablen Belastung des Inhabers „eine Runde weiter“ bringen und wird in einigen Fällen der Grund sein, weshalb die Apotheke überhaupt noch existiert. Doch für Inhaber, die weiter entfernt wohnen, kleine Kinder versorgen oder bei denen andere Aspekte vom obigen Ideal abweichen, stellt sich das ganz anders dar. Für sie kann ein Notdienst eine sehr viel größere Belastung sein und sogar Betreuungskosten nach sich ziehen. Die derzeitige Pauschale kann das nicht abgelten. Dann wird jeder Notdienst zum Verlust. Selbstverständlich stehen auch diese Apotheken mit dem NNF besser da als ohne die Pauschale. Der Unterschied ist, dass für sie jeder Notdienst eine persönliche und auch wirtschaftliche Belastung darstellt. Demnach fußt dieses Notdienstsystem, das wesentlich auf den Einsatz der Inhaber ausgelegt ist, auf den sozialen Verhältnissen dieser Inhaber. Die Gesellschaft setzt auf die traditionelle Struktur der Landapothekerfamilie, die im Apothekengebäude wohnt, während die Patienten ganz andere Lebens- und Arbeitsmodelle entwickeln. Viele profitieren von einem Modell, das sie für sich selbst ablehnen. Mit dem anstehenden Generationenwechsel ist das Verfalldatum dieses Konzepts absehbar.

Ungerechte Steuerfolgen

Hinzu kommt die steuerliche Seite. Gehaltszahlungen an Angestellte senken den zu versteuernden Gewinn der Apotheke. Außerdem sind Gehaltszuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b Einkommensteuergesetz für die Angestellten in bestimmten Grenzen steuerfrei. Dies kann problematisch sein, wenn der Notdienst durch ein erhöhtes Gehalt abgegolten ist. Doch immerhin sind Gestaltungen möglich, mit denen Angestellte diese Steuerregelung nutzen können. Wenn hingegen die Inhaber Notdienste leisten, erhöht die Pauschale das Betriebsergebnis. Damit werden die Inhaber sogar vierfach bestraft. Erstens muss ihr Notdienst-„Honorar“ im Rahmen der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit versteuert werden, ohne dass dabei die persönliche Nachtarbeit berücksichtigt werden kann. Denn das Geld landet systembedingt „in einem Topf“ mit anderen unternehmerischen Gewinnen. Zweitens fällt sogar zusätzlich Gewerbesteuer an, weil es aus einem Gewerbebetrieb stammt. Drittens kann die Notdienstpauschale auch die Berechnungsgrundlage für Prämien und Beiträge erhöhen und damit zu weiteren Belastungen führen. Der Inhaber profitiert von der gleichen Arbeit also weniger als ein Angestellter, der den Notdienst leistet. Viertens müssen sich die Inhaber von der Politik vorrechnen lassen, dass die Apotheken einen guten Gewinn erzielen. Das mögliche zusätzliche Betriebsergebnis von 15.000 Euro erscheint eindrucksvoll und kann der entscheidende Unterschied sein, der eine Apotheke noch rentabel wirken lässt. Doch die Leistung des Inhabers erscheint in keiner Bilanz, und es bleibt offen, ob ein Nachfolger diese Leistung künftig erbringen will und kann.

Grenze des Systems

Auch wenn diese Überlegungen wichtige strukturelle Einblicke vermitteln, helfen sie bei der Suche nach einem Ansatz für die kalkulatorischen Kosten nicht weiter. Die klassische betriebswirtschaftliche Methode zur Bemessung kalkulatorischer Kosten für den Arbeitseinsatz des Inhabers ist der Vergleich mit Angestellten. Das geht aber nur, solange Angestellte für diese Arbeit zu finden und realistische Vergleichswerte verfügbar sind. Der Leserbrief von Hänel zeigt, dass dies in immer mehr Apotheken kaum gelingt. Daraufhin leisten Inhaber 36-Stunden-Schichten, die für Angestellte nicht zulässig wären. Gesundheitsgefährdende Selbstausbeutung ist neben der menschlichen Komponente auch betriebswirtschaftlich unsinnig. Denn die Arbeitskraft des Inhabers ist eine wesentliche Grundlage für den langfristigen Erfolg der Apotheke.

Als ultima ratio bliebe die Verringerung lukrativer Geschäftstätigkeit während der Tagesstunden zur Kompensation, beispielsweise die Verkürzung der Öffnungszeiten an Tagen ohne Notdienst. Die dabei entgangenen Gewinne müssten als Opportunitätskosten betrachtet und könnten als kalkulatorische Kosten für die Arbeit im Notdienst angesetzt werden. Selbstverständlich kann die derzeitige Notdienstpauschale solche Beträge keinesfalls kompensieren. Es führt auch nicht weiter, auf diesem Weg eine angemessene Pauschale errechnen zu wollen. Vielmehr zeigt sich hier die Grenze des Systems. Wenn eine für die Apotheke einträgliche und gesellschaftlich wertgeschätzte Tätigkeit am Tage aufgegeben werden müsste, um Personalressourcen für einen Notdienst mit möglicherweise sogar fragwürdigen Nutzungen zu gewinnen, wäre das System nicht mehr zielführend.

Ob diese Belastungsgrenze erreicht wird, ist wahrscheinlich eher eine Frage des Ortes als der Zeit. Wenn eine solche Situation regelmäßig in bestimmten Regionen auftreten würde, müsste der Notdienst dort neu gestaltet werden. Dann wäre zu klären, ob Umstrukturierungen innerhalb der bestehenden Regularien helfen können. Der vorangegangene Beitrag zur Verteilung des Notdienstes (siehe DAZ 8) hat dazu verschiedene Wege aufgezeigt, die bereits genutzt werden. Wenn dies nicht ausreicht, müssten neue Konzepte gefunden werden, beispielsweise spezielle Notdienstapotheken in der Nähe des ärztlichen Notdienstes. Auch der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung enthält eine Formulierung, die so interpretiert werden kann. Daraufhin werden sich die Notdienste künftig regional vermutlich noch mehr als bisher unterscheiden.

Finanzierung für neue Wege

Eine grundlegende Umgestaltung des Notdienstes hätte jedoch Konsequenzen für die Honorierung. Nur auf der Grundlage des NNF erscheint die Finanzierung eines zentralisierten Notdienstes überhaupt denkbar. Denn damit besteht ein Instrument, mit dem prinzipiell über alle Apotheken gemeinsam ein Notdienstsystem finanziert werden kann, auch wenn die Beträge möglicherweise nachjustiert werden müssten. Allerdings würden den Apotheken mit Inhabern in einer komfortablen Notdienstsituation dann Einnahmen wegbrechen, die vielleicht sogar existenziell notwendig sind. Es ist daher berufspolitisch wichtig, die Erinnerung an die Entstehungsgeschichte des NNF wachzuhalten. Der NNF soll vordergründig den Notdienst finanzieren, ist aber als Ausgleich für eine politisch als zu niedrig bewertete Anpassung des Festzuschlags entstanden und soll zugleich als Strukturförderung wirken. Falls der NNF irgendwann zur Finanzierung eines neuen Notdienstsystems umgewidmet werden sollte, müsste daher eine Ersatzhonorierung für diejenigen Apotheken geschaffen werden, denen die Pauschale mehr bringt, als sie der Notdienst kostet. Eine Reform des Notdienstes darf nicht an anderer Stelle neue Lücken aufreißen, die die Existenz von Apotheken in Alleinlagen gefährden. Dieser zusätzliche Finanzbedarf müsste in die Überlegungen zum Notdienst einbezogen werden. Außerdem müsste dann ein konsensfähiges Verteilungsverfahren für die Strukturförderung gefunden werden. Möglicherweise weist die Ankündigung im Koalitionsvertrag, den NNF zu einem Sicherstellungsfonds weiterzuentwickeln, in diese Richtung. Doch hier liegen erhebliche Hürden, die bei der Diskussion über mögliche Neuerungen unbedingt beachtet werden müssen.

Fazit: Konsequenzen

Insgesamt ergeben sich aus den hier angestellten Über­legungen drei Konsequenzen:

Erstens deckt die Pauschale immer seltener die Teilkosten des Notdienstes. Daher sollte ein Betrag ermittelt werden, für den Mitarbeiter flächendeckend zum Notdienst bereit sind. Dieser Betrag plus ein politisch zu bemessender Deckungsbeitrag sollten als Zielgröße für die Pauschale des NNF dienen. Der Zuschlag gemäß AMPreisV sollte entsprechend angepasst werden.

Zweitens stößt die Idee, die Apotheken insgesamt über den NNF zu fördern, an Grenzen. Die Konstruktion ist politisch geschickt und bietet noch viel Potenzial für künftige Aufgaben. Doch der NNF allein kann die überfällige Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittel nicht dauerhaft ersetzen.

Drittens zeigt sich hier, wo die Grenze des Notdienstsystems liegt. Wenn die Inhaber ihre Gesundheit gefährden oder sinnvolle Angebote während des Tages einschränken müssen, muss der Notdienst neu organisiert werden. Falls dabei weitreichende Änderungen erfolgen, müssten auch die komplexen Folgen für die weitere Apothekenhonorierung beachtet werden. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, DAZ-Redakteur

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