Arzneimittel und Therapie

Mehr Sicherheit und weniger Kosten

Ein Interview zum Projekt Safety First

js | Im Beitrag „Safety First bei oraler Tumortherapie“ auf S. 28 in dieser DAZ wurde das Projekt Safety First vorgestellt. Die überregionale Studie soll zeigen, dass orale Tumorpatient­innen und -patienten von intensivierter Betreuung und Schulung profitieren. Die DAZ sprach mit Studienleiter Prof. Dr. Frank Dörje, Chefapotheker am Universitätsklinikum Erlangen.

Prof. Dr. Frank Dörje

DAZ: Safety First ist die erste überregionale, multizentrische Studie, die den Nutzen eines therapiebegleitenden Schulungs- und Betreuungskonzeptes bei Patienten mit oraler Tumortherapie zeigen soll. Inwieweit ist das eine Herausforderung?

Dörje: Grundsätzlich ist die Koordina­tion der Vielzahl an teilnehmenden Standorten bei multizentrischen Studien nicht einfach zu bewältigen. Im Fall von Safety First werden 24 Standorte eingebunden. Diese Heterogenität der Versorgungsstrukturen bildet die in Deutschland bestehende onkologische Versorgungspraxis ab. Die Schwierigkeit in der Studiendurch­führung liegt, bedingt durch das gewählte Studien-Design, wie häufig in Versorgungsforschungsstudien, in der benötigten gleichförmigen Rekrutierung, das heißt in der kontinuierlich zu rekrutierenden Anzahl der eingeschlossenen Patienten pro Periode und Standort über die gesamte geplante Dauer der Studie.

 

DAZ: Welche Vorarbeiten gingen dem Projekt voraus?

Dörje: Das Konzept von Safety First basiert vor allem auf der vorangegangenen AMBORA-Studie [1], die in Erlangen durchgeführt wurde und bei der es sich um eine multizentrische, randomisierte, regionale Studie handelte. Hier konnte gezeigt werden, dass eine intensivierte klinisch-­pharmakologische bzw. pharmazeutische Therapiebegleitung in den ersten zwölf Wochen nach Behandlungs­beginn mit einer neuen oralen Anti­tumortherapie einen erheblichen Nutzen für die Patienten bringt. Es konnte nicht nur eine signifikante Reduktion von Medikationsfehlern und (schwerwiegenden) Nebenwirkungen mit Bezug zum oralen Anti­tumortherapeutikum erreicht werden, sondern auch das Patientenbefinden erheblich verbessert und die Rate an Hospitalisierungen und Therapieabbrüchen reduziert werden. Das entwickelte Beratungskonzept wurde in Erlangen zwischenzeitlich lokal etabliert.

 

DAZ: Wie aussagekräftig ist eine überregionale multizentrische Studie?

Dörje: Die Teilnahme der 24 Standorte spiegelt die „Real world“-Versorgung wider, da die Voraussetzungen an den unterschiedlichen Standorten variieren, zum Beispiel der Grad der Spezialisierung oder die Erfahrung in der Betreuung onkologischer Patienten. Die Ergebnisse der Studie sollen auch die Basis für eine spätere Diskussion über eine mögliche Integration des Betreuungskonzeptes in die Regelversorgung bieten.

 

DAZ: Welchen Mehraufwand bedeutet die intensive Betreuung für Apotheken und Kliniken/Praxen?

Dörje: Der benötigte Zeitaufwand pro Patient ergibt sich aus der Inter­vention, der Datenerhebung, den Nacharbeiten im Rahmen der Medikationsanalyse, Absprachen zwischen den Heilberuflern sowie der Dokumentation. Hier erstreckt sich der größte Anteil auf die teilnehmenden Apotheken, da die Apothekerinnen und Apotheker die Patientengespräche sowie die umfassende Medikationsanalyse durchführen. Neben den positiven Effekten für die Patienten ist von einem deutlich entlastenden Effekt des Therapiebegleitungskonzepts auf die Kosten des Gesundheitssystems auszugehen. In weitergehenden Analysen der AMBORA-Studie konnte gezeigt werden, dass die Reduktion ungeplanter Therapieabbrüche Kosten durch Arzneimittel­verwürfe der hochpreisigen Tumormedikamente senken kann. Außerdem konnten durch vermiedene Krankenhausaufenthalte die Krankenhauskosten reduziert werden [2].

 

DAZ: War es schwer, Teilnehmer für die Studie zu finden?

Dörje: Es war nicht schwer, die notwendigen Studienstandorte im niedergelassenen und Klinikbereich zu finden. Nach einem Workshop zum Projekt nähern wir uns aktuell unserem Ziel, die Studienstandorte vollständig zu rekrutieren.

 

DAZ: Was erhoffen Sie sich für die engere Zusammenarbeit von Ärzte- und Apothekerschaft ?

Dörje: Wir wünschen uns (wie vielerorts bereits etabliert und gelebt) eine gemeinsame und intensivierte kollegiale Betreuung onkologischer Patienten, die mit einem oralen Tumormedikament behandelt werden. Der sich gegenseitig befruchtende Einsatz der Expertise sowie der interprofessionelle Austausch werden maßgeblich zum Erfolg der Safety First-Studie beitragen.

 

DAZ: Herr Professor Dörje, vielen Dank für das Gespräch! |

 

Literatur

[1] Dürr P, Schlichting K, Kelz C et al. The Randomized AMBORA Trial: Impact of Pharmacological/Pharmaceutical Care on Medication Safety and Patient-Reported Outcomes During Treatment With New Oral Anticancer Agents. J Clin Oncol 2021;39(18):1983-199

[2] Dürr P, Schlichting K, Krebs S et al. Ökonomische Aspekte bei der Versorgung von Patient*innen mit neuen oralen Tumortherapeutika: Erkenntnisse aus der AMBORA-Studie. ZEFQ 2022;169:84-93

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