Die Seite 3

Den Nutzen im Blick

Thomas-Müller Bohn, Redakteur der DAZ

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurden im November die Regeln für die Preisbildung neuer Arzneimittel verändert und erweitert. In den Apotheken sorgt dieses Gesetz besonders durch den ab Februar 2023 für zwei Jahre erhöhten Kassenabschlag für Ärger. Nun steht die geplante Evaluation der Regeln für neue Arzneimittel an. Die Verbände der Arzneimittelhersteller sehen darin Belastungen sowohl für die Arzneimittelversorgung als auch für den Wirtschaftsstandort. Einzelne Arzneimittel seien daraufhin bereits vom Markt genommen oder verspätet eingeführt worden. Da Unternehmen langfristig planen, seien noch deutlich mehr Folgen zu erwarten. Die Verbände betonen jeweils unterschiedliche Aspekte der Neuregelungen – und diese Mahnungen erscheinen jeweils begründet und plausibel. Allerdings dürfte es derzeit schwierig sein damit Gehör zu finden. In einer Zeit, in der etablierte Arzneimittel für die Grundversorgung bei häufigen Erkrankungen zur Mangelware geworden sind, dürfte das öffentliche Interesse an Innovationen für meistens kleine Indikationsgebiete begrenzt sein, zumindest soweit es dabei um die Preisbildung bei neuen Arzneimitteln geht, denen nur ein geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen bescheinigt wurde.

Doch die Kritik der Hersteller ist noch in anderer Hinsicht beachtenswert. Denn sie passt ins Gesamtbild. Ein wesentliches Problem der frühen Nutzenbewertung dürfte der fehlende Anreiz für Innovationen bei großen Volkskrankheiten sein. Doch statt die Regeln dafür zu ändern, schraubt der Gesetzgeber an Details herum, um noch mehr zu sparen. Das ähnelt dem halbherzigen Vorgehen im Lieferengpassgesetz, das sehr spät einige Erleichterungen bei besonders betroffenen Arzneimitteln gebracht hat, aber an den Strukturen wohl kaum etwas ändern wird. Dieser Blick auf Details entwickelt sich zum Trend. Wenn die Apotheken im Herbst zum Gegenstand eines Gesetzentwurfs werden, ist Ähnliches zu befürchten. Vielleicht gibt es irgendwo etwas weniger Bürokratie und ein neues Honorar für irgendeine alltägliche Formalität. Doch das Maß für eine wirksame Stärkung der Apotheken kann nur der Betrag sein, der zusätzlich bei den Apotheken ankommt.

Die Mahnungen der Hersteller zum Umgang mit neuen Arzneimitteln drängen noch eine weitere Überlegung auf. Sie erinnern daran, dass bei neuen Arzneimitteln der Zusatznutzen gegenüber anderen Therapien einen maßgeblichen Einfluss auf den Preis haben soll. Bei generischen Arzneimitteln spielt der Nutzen dagegen keine Rolle für die Preise. Dort ist das Ziel nur, den Wettbewerb so zu gestalten, dass die niedrigsten Preise herauskommen. Doch dabei geht es vielfach um Arzneimittel, die mit ihrem Zusatznutzen in jedem Bewertungsverfahren triumphieren würden, beispielsweise um Antibiotika. Ökonomisch hat der Generikamarkt zwar eine ganz andere Struktur, aber der pharmazeutische Blick auf diese Arzneimittel sollte auch Politikern und Krankenkassen die Augen öffnen. Auch Generika verdienen zumindest einen Gedanken an den therapeutischen Nutzen – und auch das Apothekenhonorar sollte berücksichtigen, welchen großen Nutzen die Apotheken ihren Patienten bieten.

Das könnte Sie auch interessieren

Eine pharmakoökonomische Analyse der Auswirkungen hochpreisiger Arzneimittel

Teure Gesundheit

Analyse zu Möglichkeiten und Grenzen der Finanzierung von Arzneimittelinnovationen

Hochpreiser gefährden Grundversorgung

Digitaler Eppendorfer Dialog

Großes Potenzial für bewährte Wirkstoffe

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Weniger Einsparungen als erwartet und Behinderung von Innovationen?

Viele Tücken in reformierter Preisbildung

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.