Deutscher Apothekertag 2023

Weniger Apotheken, weniger Beschäftigung, weniger Gewinn

Apothekenwirtschaftsdaten erstmals beim Deutschen Apothekertag

tmb | Diesmal präsentierte Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin für Ökonomie, erstmals beim Deutschen Apothekertag einen kurz gefassten Apothekenwirtschaftsbericht mit Halbjahreszahlen. Demnach haben die Schließungszahlen ein neues Rekordniveau erreicht, die Beschäftigung geht zurück, und das Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke ist im ersten Halbjahr um 4,9% gesunken. Für das Gesamtjahr erwarten 11% der Apotheken einen Verlust.

Für den Freitagvormittag beim Apothekertag war ursprünglich eine Diskussion mit Politikern geplant. Die hatten allerdings nur für eine Online-Teilnahme zugesagt, und das wollte die ABDA nicht. Stattdessen präsentierte Korf die Apothekenwirtschaftsdaten für das erste Halbjahr 2023. Das war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Das war neu für den Apothekertag, und es war nicht nur eine Darstellung von Zahlen, sondern Korf hielt einen mitreißenden Vortrag. Die vorgestellten problematischen Zahlen boten die richtige Grundlage für die „Düsseldorfer Erklärung“, die die Hauptversammlung anschließend mit medienwirksamen Bildern verabschiedete. In dieser Erklärung wird eine faire Vergütung für die Apotheken vor Ort gefordert, insbesondere die Erhöhung des Festzuschlags auf 12 Euro pro Rx-Packung.

Korf hatte ihren Vortrag mit „Trends und Tränen“ betitelt, weil viele Zahlen den Apothekern Tränen in die Augen treiben würden. Dazu erklärte sie mehrfach „Zahlen lügen nicht“, worauf das Plenum jeweils mit dem Slogan „Apo­theken stärken! Jetzt!“ antworten sollte – und dies auch lautstark tat.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

„Trends und Tränen“ lautete der Titel von Claudia Korfs Vortrag zu den aktuellen Wirtschaftszahlen der Apotheken.

Apothekenschließungen auf Rekordniveau

Als Einstieg berichtete Korf über den stärksten Halbjahresrückgang der Apothekenzahl seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1956. Demnach sank die Apothekenzahl im ersten Halbjahr 2023 um 238 Apotheken auf 17.830. Im ersten Halbjahr 2022 war die Zahl „nur“ um 205 gesunken. Ausgehend von Indikatoren, beispielsweise den Kündigungen für den N-Ident-Zugang, geht Korf von etwa 600 Schließungen im Jahr 2023 aus. Mit einer Apothekendichte von 21,1 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegt Deutschland mittlerweile weit unter dem EU-Durchschnitt von 32. Mit Blick auf Zuzug, Alterung und Morbidität sei das nicht mehr bedarfsgerecht. Zum Stichtag 30. Juni waren von den 17.830 Apotheken 9.714 Einzelapotheken, 3.392 Hauptapotheken und 4.724 Filialen. Es gab allerdings nur 348 Hauptapo­theken mit jeweils drei Filialen. Nur in diesen Fällen werde die Grenze ausgeschöpft. Daraufhin sei es für Korf eine „irre Idee“, dass mehr Filialen die Lösung wären.

Rückgang auch in der Beschäftigung

Der Rückgang, der schon lange bei den Apothekenzahlen zu sehen ist, erfasst nun auch die Zahl der Beschäftigten. Korf berichtete über Daten aus dem Apothekenklima-Index. Demnach ist die Zahl der Apotheken, die in den nächsten zwei bis drei Jahren Einstellungen plant, gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Zahl der Apotheken, die Entlassungen plant, ist gestiegen. Der von Destatis ermittelte Indexwert zur Zahl der Beschäftigten in Apotheken ist von 124,4 im Dezember 2022 auf 118,9 im Juli 2023 gesunken. Nun komme die Forderung der Adexa nach 10,5% mehr Gehalt hinzu. Doch die Apotheken seien von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten, wie der bekannte Vergleich zwischen unver­ändertem Honorar einerseits und GKV-Einnahmen, Brutto­inlandsprodukt, Tariflöhnen in Apotheken und Verbraucherpreisindex andererseits zeigt. Korf warnte, dass der Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Apotheken mit seinen jüngsten Plänen im Wesenskern angreife. Trotzdem dürften jetzt nicht Struktur und Geld gegeneinandergestellt werden. Die Forderung nach mehr Geld müsse jetzt erhoben werden, auch weil die Inflation weitergehe. Die jüngsten Rückgänge der Inflationszahlen seien durch Basiseffekte, also die Entwicklung der Vergleichswerte vor einem Jahr, zu erklären.

Weiterhin steigende Umsätze

Gemäß den präsentierten Daten sind die Arzneimittelumsätze in Apotheken im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 4,2% auf 30.555 Millionen Euro gestiegen. Bei den Rx-Arzneimitteln ist es ein Zuwachs um 3,4% auf 27.453 Millionen Euro. Der Arzneimittelabsatz stieg um 4,1% auf 683 Millionen Packungen im ersten Halbjahr 2023. Bei den Rx-Arzneimitteln waren es 4,0% mehr und damit 387 Millionen Packungen. Korf erklärte die steigenden Umsätze und Absätze mit einer im Durchschnitt immer kränkeren Bevölkerung. Diese Dynamik nehme allerdings langfristig ab.

Abgekoppelt von der Wirtschaft

Die Apotheken seien aber „ganz weit entfernt davon, das Problem der GKV zu sein“, betonte Korf. Im ersten Halbjahr seien die Gesamtausgaben der GKV um 4,6% gestiegen, die Ausgaben für Arzneimittel aber nur um 2,4%. Anders als bei den jährlichen Wirtschaftsberichten präsentierte Korf auch einen Vergleich mit der Vergütung der Ärzte in der GKV. Der Festzuschlag für Rx-Arzneimittel wurde zuletzt 2013 um nur 25 Cent auf 8,35 Euro erhöht. Seit 2013 sei der Orientierungswert zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen um 19,3% gestiegen. Bei identischer Entwicklung müsste der Festzuschlag für Rx-Arzneimittel demnach auf etwa 10 Euro steigen. Bei den Ärzten seien allerdings im betrachteten Zeitraum auch andere Vergütungen erhöht worden, beispielsweise aufgrund von Morbiditätsveränderungen und für extrabudgetäre Leistungen. Seit 2012, dem Basisjahr für die jüngste Erhöhung des Festzuschlags, sei der Verbraucherpreisindex um 37,6% gestiegen. Daraus resultiere die ABDA-Forderung nach einem Festzuschlag von 12 Euro. Zugleich sei „sonnenklar“, dass die Arbeit der Apotheken betriebswirtschaftlich nicht aufgehen könne, wenn Kostensteigerungen von fast 40% nicht ausgeglichen werden. Damit sich dies künftig nicht wiederholt, fordert die ABDA auch eine Dynamisierung des Apothekenhonorars. Korf erläu­terte, dass die ABDA einen Dynamisierungsfaktor vorschlägt, der zu gleichen Teilen aus den Veränderungen des Bruttoinlandsproduktes, des Verbraucherpreisindex und der Grundlohnsumme gebildet wird. Das hätte für 2012 bis 2022 durchschnittlich 2,7% mehr pro Jahr ergeben, für 2023 voraussichtlich 3,5%.

Betriebsergebnis geht zurück

Außerdem stellte Korf Zahlen zur betriebswirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken im ersten Halbjahr 2023 vor. Diese seien insbesondere deshalb so interessant, weil der Vergleichszeitraum im ersten Halbjahr 2022 nicht mehr durch Sonderleistungen wegen der Pandemie geprägt sei. Diese Sondereffekte seien vorbei, damit werde die Tragik der Entwicklung jetzt offensichtlich, erklärte Korf. Zur betriebswirtschaftlichen Situation einer Durchschnittsapotheke im ersten Halbjahr 2023 präsentierte Korf diese Vergleiche zum ersten Halbjahr 2022: Der Nettoumsatz stieg um 4,9%, der Wareneinsatz nahm mit plus 5,7% aber mehr zu. Der Rohgewinn stieg nur um 1,7%, die Personalkosten hingegen um 6,6%. Die sonstigen Kosten sanken um 1,8%, dies beruhe aber zu einem großen Teil auf der gesunkenen Gewerbe­steuer durch den Wegfall der Corona-Sondereffekte im Jahr 2022. Damit sank das Betriebsergebnis letztlich um 4,9%.

Endlich Daten zur Verteilung

Im Gegensatz zum jährlichen Apothekenwirtschaftsbericht legte Korf diesmal nicht nur Durchschnittszahlen vor, sondern zeigte auch Daten zur Verteilung der Betriebsergebnisse. Die Zahlen kamen nicht ganz unerwartet, denn sie sind offenbar Fortschreibungen der Daten der Treuhand Hannover, die Dr. Sebastian Schwintek am 7. September beim Zwischenahner Dialog vorgelegt hatte (siehe DAZ 2023, Nr. 37). Dass die ABDA so differenzierte Angaben zu den Betriebsergebnissen macht, ist aber neu, und die Daten passten zum Titel „Trends und Tränen“. Denn nach diesen Angaben werden im Jahr 2023 voraussichtlich 11% der Apotheken einen Verlust erzielen. In den Jahren 2021 und 2022 waren dies 4 bzw. 8%. Der Anteil hat sich also in den drei Jahren fast verdreifacht, betonte Korf. Außerdem wird für 2023 erwartet, dass 15% der Apotheken ein Betriebsergebnis zwischen 0 und 50.000 Euro und 10% ein Betriebsergebnis zwischen 50.000 und 75.000 Euro erzielen. Damit würden die Apothekenleiter in 36% der Apotheken weniger Gewinn haben, als ein angestellter Krankenhausapotheker in der untersten Dienstaltersstufe verdient. Aus einem Betriebsergebnis müssen allerdings auch Investitionen und das Unternehmerrisiko finanziert werden.

Gemeinsam kämpfen

Nach Einschätzung von Korf ist das Kerngeschäft der Apotheken inzwischen unwirtschaftlich geworden. Nun sei der Kipppunkt erreicht. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, stehe den Apotheken eine Talfahrt bevor, warnte Korf. Doch Billigstrukturen mit Abgabestationen seien keine Antwort. Apotheken ohne Apotheker seien eine Mogelpackung. Darum gelte es jetzt, die Politik wachzurütteln. Außerdem mahnte Korf Geschlossenheit an. Die Apotheken seien unterschiedlich, aber im Kern wesensgleich. Sie bräuchten jetzt alle den „Schutz der Gruppe“. Denen, die sich in einer anderen Posi­tion sehen, rief sie zu: „Ihr überlebt nur in der ersten Runde, in der zweiten seid ihr genauso weg.“ Die Apotheken bräuchten gemeinsame Ziele und Vertrauen in die eigene Kraft. Offensichtlich traf Korf mit ihrem Vortrag den Nerv der Delegierten. Diese dankten mit stehenden Ovationen. |

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