Neurologie

Höhenschwindel – neue Therapieansätze für ein altes Leiden

Dresden - 07.10.2013, 12:11 Uhr


Bereits in antiken Berichten und Schriften wird der Höhenschwindel erwähnt, so im Corpus Hippocraticum, einer Sammlung medizinischer Texte aus dem 2. bis 5. Jahrhundert, in römischen Beschreibungen der Erstürmung Karthagos und von Zeitzeugen der Alpen-Überquerung Hannibals.

Am Höhenschwindel – auch visuelle Höhenintoleranz genannt – leiden mehr als 25 Prozent der Bevölkerung. Er tritt meistens erst im zweiten Lebensjahrzehnt auf, Kinder sind selten betroffen. Bereits das Klettern auf eine Leiter kann schwindelig machen, die häufigsten Auslösereize sind das Besteigen eines Turms oder eine Bergwanderung. Wer unter Höhenschwindel leidet, geht langsamer, mit kleineren Schritten, achtet weniger auf seine Umgebung und kommt leichter ins Stolpern.

Trotz der weiten Verbreitung des Phänomens gibt es bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen dazu. Der Neurologe Thomas Brand, Leiter des Deutschen Zentrums für Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen am Klinikum Großhadern der Universität München, und seine Mitarbeiter wollen das ändern. Mithilfe von mobilen Bewegungsmessinstrumenten können sie die subjektiv empfundene Beschwerden objektivieren: Schwindelige Personen führen weniger Augenbewegungen aus, bewegen den Kopf in allen Ebenen deutlich weniger und neigen dazu, den Blick auf den Horizont zu richten. Dies erklärt, warum sie sich deutlich unsicherer im Gelände bewegen.

Brand will mit weiteren Experimenten dazu beitragen, neue Therapien zu schaffen, denn derzeit gibt es keine wirksame Medikation. „Womöglich können wir aus unseren Daten eine Verhaltenstherapie ableiten, bei der die Angst vor der Höhe durch konkrete Anleitungen zum Blick-, Stand- und Gangverhalten verbessert wird“, hofft er.

Quelle: Thomas Brand: „Höhenschwindel – eine archaische Angstreaktion“, Festrede auf der Eröffnungsveranstaltung des 86. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie am 19.9.2013, Dresden.


Dr. Bettina Hellwig