Securpharm

400 Klinikapotheken noch ohne Anbindung

München - 22.06.2016, 13:00 Uhr

Fälschungssicher: Arzneimittelpackung im neuen Gewand. Ab 2019 Pflicht – doch wie läuft es in Klinikapotheken? (Foto: Securpharm)

Fälschungssicher: Arzneimittelpackung im neuen Gewand. Ab 2019 Pflicht – doch wie läuft es in Klinikapotheken? (Foto: Securpharm)


Ab 2019 dürfen keine Arzneimittelpackungen ohne gültige Serialisierung auf den Markt gebracht werden. Während es für niedergelassene Apotheken Pilotversuche gab, seien die Klinikapotheken kaum eingebunden, kritisiert der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker.  Zudem sei in vielen Fällen die Umsetzung auch nicht praktikabel. 

Securpharm – die Zeit drängt

Die Deutschen Krankenhausapotheker hoffen in der Diskussion um die Umsetzung der europäischen Fälschungsrichtlinie für Arzneimittel (FMD) auf zügige Gespräche – mit der Politik, den Pharmaherstellern und den Vertretern von Securpharm. Die Initiative startete 2013 zum Schutz des deutschen Arzneimittelvertriebs vor dem Eindringen gefälschter Arzneimittel, gegründet durch Organisationen wie die ABDA, BPI, BAH und Phagro.

Bei der Umsetzung der verabschiedeten Schutz-Richtlinien drängt die Zeit: Obwohl bereits ab Februar 2019 keine Arzneimittelverpackungen ohne gültige Serialisierung auf den Markt gebracht werden dürfen, sind Deutschlands rund 400 Klinikapotheken aus dem bisherigen Umsetzungsprozess noch weitgehend ausgeschlossen.

So habe es für die Klinikapotheken – anders als für die rund 20.000 niedergelassenen Apotheken – noch keinen Pilotversuch zur Erprobung des Umsetzungsszenarios gegeben, sagt PD Dr. Martin Hug. Er ist Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg und Sprecher der Projektgruppe FMD des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker. Mehr noch: „Für die Krankenhausapotheken gibt es derzeit noch kein funktionierendes System für die Software-Anbindung an das Securpharm-System“, betont er.

Grundvoraussetzungen für Klinikapotheken fehlen

„Auch für die Krankenhausapotheken ist ein Pilotversuch wichtig, wie er im niedergelassenen Bereich längst stattgefunden hat. Für uns ist er aber noch überhaupt nicht in Sicht.“ Es fehle bislang noch an den Grundvoraussetzungen: „Wir haben keine Hinweise auf Schnittstellen und Definitionen“, kritisiert der Klinikapotheker in Richtung Securpharm: „Leider hat man uns bis heute keinerlei Daten zur Verfügung gestellt.“

Deutschlands Krankenhausapotheker müssen, wie niedergelassene Apotheker auch, die Bestimmungen der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen aus dem Jahr 2011 umsetzen. Danach sollen bis Februar 2019 alle in der EU produzierten und in den Verkehr gebrachten verschreibungspflichtigen Arzneimittel mit Sicherheitsmerkmalen versehen werden, welche eine Identifizierung jeder einzelnen Arzneimittelpackung ermöglichen.Verschreibungspflichtige Arzneimittel erhalten einen fälschungssicheren Code auf der Packung, anhand dessen die Echtheit des Arzneimittels überprüft werden kann.

Dazu ist es notwendig, dass die Verpackung gescannt und die ausgelesenen Daten einer zentralen Erfassungsstelle übermittelt werden. Auch die Klinikapotheken sind künftig zu diesem Schritt gezwungen, was Dr. Torsten Hoppe-Tichy, früherer ADKA-Präsident, unlängst als unangemessenen Aufwand und unsinnig kritisiert hatte.

„Bei öffentlichen Apotheken ist der Scan-Vorgang Teil des Abgabeprozesses,“ unterstreicht Hug nun die Kritik der ADKA. Dagegen findet in Krankenhausapotheken keine direkte Abgabe von Medikamenten an Patienten statt. Deshalb bedeute der geforderte Scan bei tausenden täglich in einer Klinikapotheke bewegten Arzneimittelpackungen einen beträchtlichen logistischen Mehraufwand: Teilweise müssten ganze Paletten umgepackt werden.

System passt nicht, kostet aber viel Aufwand

 „Wir haben in der Klinikapotheke vollkommen andere Prozesse“, konstatiert Hug. Diesen werde bislang kaum Rechnung getragen, sagt er und rechnet vor: „Wir haben in Freiburg das System an verschiedenen Punkten innerhalb der Apotheke simuliert und haben bei 3,8 Mio. Einzelpackungen pro Jahr (ausgenommen sind nur verschreibungsfreie Arzneimittel und Infusionslösungen) einen durchschnittlichen zusätzlichen Zeitaufwand ermittelt, der allein in Freiburg einer zusätzlichen Vollkraft entspricht.“

Besonders ärgerlich ist diese zusätzliche Belastung aus Sicht der Klinikapotheker vor allem deshalb, weil sie sich einem deutlich geringeren Fälschungsrisiko ausgesetzt sehen: „Anders als in vielen anderen europäischen Ländern beziehen wir Krankenhausapotheker in Deutschland weniger als fünf Prozent des Umsatzvolumens über  Groß- und Zwischenhändler. In diesem Sinne haben wir in Deutschland eine Sonderstellung in Europa, sagt der Freiburger Pharmazeut.

„Natürlich müssen die Produkte, welche auch wir über den Großhandel beziehen auch Bestandteil des Scan-Prozesses sein, wie in allen anderen Apotheken auch“, sagt er. „Unsere Mitgliedsunternehmen beziehen aber das Gros der von Ihnen ausgegebenen Medikamente direkt vom Hersteller. Aus diesem Grund sehen wir in den Auflagen für die technische Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie für Krankenhausapotheken durchaus Spielräume, die wir in den kommenden Wochen in zahlreichen Gesprächen ausloten wollen. Wir sprechen hierzu auch mit der Politik.“

Schleppende Nachrüstung teurer Codes

Zu den Vorschlägen der ADKA zählt in diesem Zusammenhang etwa das Aufbringen aggregierter Codes auf Paletten oder die elektronische Übertragung der Seriennummer über einen sicheren Kanal zwischen Hersteller und Krankenhausapotheken. „Vor allem bei der Industrie stoßen wir mit unseren Anregungen auf Verständnis und deshalb hoffen wir zuversichtlich, dass hier ein Entgegenkommen möglich sein wird.“

Weitere Probleme befürchtet die ADKA mit Blick auf die im Einsatz befindlichen unterschiedlichen Software-Systeme: „Krankenhausapotheken brauchen und haben in der Regel keine spezielle Apotheken-Software für ihre Logistik. Stattdessen kommen Materialwirtschaftssysteme zum Einsatz – deren Hersteller haben aber noch keine Anbindung an das Securpharm-System geschaffen. Jetzt wird die Zeit knapp, wenn die Prozesse bis Ende 2018 stehen sollen. Auch in diesem Punkt müssen wir bald ins Gespräch kommen.“

Und noch ein weiteres Problem haben die ADKA-Unternehmen als dringend ausgemacht: „Der geplante neue Sicherheits-Code verfügt über eine deutlich höhere Informationsdichte als klassische Barcodes. So werden künftig Daten wie Chargen-Bezeichnung und Haltbarkeit erfasst. Das ist sehr gut, aber auch sehr teuer. Aus diesem Grund sind bisher nur sehr wenige Produkte mit dem neuen sicheren Code versehen,“ sagt Hug.

„Bei einem Aufpreis von rund 10 Cent pro Packung, fangen natürlich Hersteller preiswerter Massenprodukte an zu rechnen. Wir registrieren mit Sorge eine recht schleppende Nachrüstung.“ Das betreffe durchaus auch die Hersteller von Generika: „Die sind nach unserem Eindruck noch gar nicht in der Diskussion angekommen. Dabei sind sie längst nicht mehr vor jedem Fälschungsrisiko gefeit.“ Bei den riesigen Stückzahlen und der relativ knappen Zeit, entstehe hier vermutlich bald Handlungsbedarf. 



Sabine Rössing, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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