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Schmerzkultur statt Unrechtsbewusstsein
Vor den Nebenwirkungen warnt auch der Mainzer Dopingexperte Perikles Simon. Gerade die schwächeren Schmerzmittel wie Paracetamol oder Diclofenac seien für rund 1.700 Todesfälle pro Jahr in Deutschland verantwortlich, sagt er. „Das passiert, weil die Leute nicht genügend über Nebenwirkungen wissen“, sagt Simon. Viele Menschen wüssten zum Beispiel nicht, dass es nichts bringe, mehr als eine Tablette zu nehmen. „Leber und Niere können langfristig geschädigt werden. Die Mittel können spontane Blutungen im Magen-Darm-Trakt auslösen“, sagt Simon.
Den Direktor des Instituts für Sportwissenschaft an der Universität Tübingen, Ansgar Thiel, überrascht der offensichtlich massive Einsatz von starken Medikamenten bei der Fußball-Europameisterschaft nicht. Thiel forscht seit Jahren zum Gesundheitsmanagement von Spitzensportlern. „Krank oder gesund ist im Sport keine medizinische Diagnose, sondern die Frage, ob Sport möglich ist oder nicht“, sagt Thiel. „Das medizinische Personal im Sport übernimmt diese Denklogik. Es geht nicht ums Heilen, sondern ums Reparieren.“
Trainer entscheiden
Ein internationales Turnier sei eine solch seltene Gelegenheit, da werde alles getan, um den Körper fit zu halten. „Solange Mittel nicht auf der Dopingliste stehen, haben die Sportler kein Unrechtsbewusstsein.“ Im Spitzensport herrsche eine Kultur des Schmerzes. Schon junge Sportler lernten, dass Schmerz kein Warnsignal sei, sondern überwunden werden muss. Die Kontrolle über das eigene Schmerzempfinden werde mit der Zeit häufig an den Trainer und die Betreuer abgegeben. „Der Trainer sagt, wann es nicht mehr geht. Nicht der Spieler.“
Insgesamt hat correctiv.org die Hotels von fünf EM-Teams aufgesucht, darunter die von drei Viertelfinalisten. Neben der Unterkunft der Ukraine waren wir am Quartier der Schweizer Mannschaft und der Isländer. Dort haben wir keine verdächtigen Packungen im Müll gefunden. Die Müllcontainer der Italiener und der deutschen Mannschaft waren nicht zugänglich.
Polizisten verhindern Müll-Analyse
Die Teams haben zum Teil spezielle Vorkehrungen getroffen. Beispiel Italien: Die reguläre Müllabfuhr der Stadt Montpellier hat in den vergangenen drei Wochen nicht einmal das italienische Hotel angefahren. Die Müllmänner durften sich angeblich aus Sicherheitsgründen dem Hotel nicht nähern, sagte eine Mitarbeiterin des „Courtyard Marriott“ Hotels, in dem die italienischen Fußballspieler übernachten.
Die Schweizer haben ihr Hotel in Juvignac, einem Vorort von
Montpellier. Dort ist der Müll nur über einen umzäunten Parkplatz erreichbar.
Rund 400 Kilometer nördlich liegt die Stadt Annecy am Fuße der Alpen. Hier hat
mit Island die Überraschungsmannschaft des Turniers sein zentrales Lager. Die
Polizei ist auch am „Hotel les Tresoms“ der Isländer auffällig präsent. Als
unser Reporter ein Müllhäuschen am Personalparkplatz betritt und die ersten
zwei Säcke anschaut, vergeht kaum eine Minute, bis der Sicherheitsdienst
erscheint. Wenig später steht ein halbes Dutzend Polizisten um ihn herum. Sie
nehmen seine Personalien auf.
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