US-Gesundheitssystem

Obama, Trump und Clinton – zwischen Rückschritt und Fortschritt

Stuttgart - 29.07.2016, 12:00 Uhr

Hillary Clinton beim Nominierungs-Parteitag der Demokraten: Wie verändert sich das US-Gesundheitssystem zukünftig mit ihr – oder mit Konkurrent Donald Trump? (Foto: picture alliance / AA)

Hillary Clinton beim Nominierungs-Parteitag der Demokraten: Wie verändert sich das US-Gesundheitssystem zukünftig mit ihr – oder mit Konkurrent Donald Trump? (Foto: picture alliance / AA)


Ende 2016 bestimmen Wahlmänner, wer künftig an der Spitze der Vereinigten Staaten stehen wird. Donald Trump und Hillary Clinton setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Gesundheitsversorgung, aber auch bei der Forschung. Pharmazeutische Hersteller machen aus ihren Sympathien für Trump keinen Hehl. Gelder fließen selbst aus Richtung deutscher Firmen. 

Barack Obama hat während seiner Amtszeit geschafft, woran Dutzende seiner Vorgänger gescheitert sind. Am 23. März 2010 trat der Patient Protection and Affordable Care Act in Kraft. Mit „Obamacare“ gelang es, schätzungsweise 32 von 47 Millionen US-Bürgern, die vorher keinen Schutz hatten, in eine Krankenversicherung aufzunehmen. Konzerne durften Amerikaner nicht mehr wegen Vorerkrankungen oder hoher Arztkosten ausschließen – eine früher recht gängige Praxis. Umfragen zufolge lehnten 59 Prozent der amerikanischen Bevölkerung Obamas Reformen ab. Juristische Winkelzüge seiner politischen Gegner scheiterten am 28. Juni 2012, als der Oberste Gerichtshof im Wesentlichen keine Verstöße gegen die Verfassung fand. Trotzdem gaben sich die Republikaner nicht geschlagen.

„Obamacare“: Top oder Flop?

Im aktuellen Wahlkampf fordert ihr Spitzenkandidat Donald Trump, alle Reformen rückgängig zu machen. „Obamacare hat die wirtschaftliche Unsicherheit jeder einzelnen Person verstärkt, die hier in diesem Land lebt“, moniert der Republikaner. Er rügt Qualitätsmängel der Versorgung, überhöhte Preise, aber auch die Bevorzugung großer Versicherungskonzerne. Stattdessen setzt Trump auf einen „free market plan“ mit stärkerer Selbstregulation durch den freien Wettbewerb. Bisher sind Versicherungen auf einzelne Bundesstaaten limitiert. Diese Einschränkung will Trump aufheben. Details nennt er – typisch Trump – aber nicht. Im Unterschied zu mittlerweile ausgeschiedenen Bewerbern seiner Partei will er bei Medicare und Medicaid nicht den Rotstift ansetzen.

Umso vorsichtiger nähert sich Hillary Clinton der Thematik. Bernie Sanders, ihr früherer Konkurrent aus dem demokratischen Lager, überrollte sie mit weitaus radikaleren Vorschlägen. Er wolle „ein Recht für jeden Mann, für jede Frau und jedes Kind“ auf Krankenversicherung durchsetzen. Clinton entgegnete, dies ginge zulasten der Mittelschicht. Sanders verlor zwar das Rennen, gab aber bekannt, er habe seine Konkurrentin in mehreren Punkten überzeugt. Dazu gehören leichtere Zugänge zu „Obamacare“ und Medicare, aber auch Gelder für öffentliche Gesundheitszentren. 

Baut oder trocknet Trump die Forschung aus?

Im Gesundheitsbereich tauchen noch weitere Kontroversen auf. Clinton priorisiert die Erforschung von Alzheimer. Dafür stellt sie zwei Milliarden US-Dollar in Aussicht. Ihre Hoffnung ist, die Erkrankung bis 2025 behandelbar zu machen. Trump äußert sich nur auf Nachfrage von Journalisten, für ihn sei Alzheimer ebenfalls eine „Top-Priorität“. Auch hier nennt er keine Details, brachte sich aber mehrfach mit umstrittenen Twitter-Botschaften in das Gespräch. Dazu gehören längst widerlegte Zusammenhänge zwischen Impfungen und Autismus.

Am Höhepunkt der Ebola-Krise forderte er, weite Teile des Luftverkehrs einzustellen. Ob er Obamas große Forschungsprojekte weiter finanzieren wird, bleibt unklar. Dazu gehören die Precision Medicine Initiative für maßgeschneiderte Therapien, die BRAIN Initiative zur Erforschung des menschlichen Gehirns und „Cancer Moonshot“ für innovative Krebstherapien.

Inwieweit sich Clinton engagieren wird, ist genauso fraglich. Barack Obamas Enthusiasmus, Krankheiten zu erforschen, teilt sie jedenfalls nur bedingt.

„Räuberische Praktiken“

Umso deutlicher positioniert sich Hillary Clinton gegenüber der pharmazeutischen Industrie. Pfizers Versuch, Allergan für 160 Milliarden US-Dollar zu übernehmen, sorgte für mächtigen Wirbel. Der neue Gigant sollte seinen Sitz in Irland und seine Hauptverwaltung in New York haben, um dem amerikanischen Fiskus keine Abgaben zu entrichten. „Angesichts solcher Tricks haben die US-Steuerzahler das Nachsehen“, sagte Clinton Ende 2015. Und Barack Obama ergänzte, der hart arbeitende Amerikaner fühle sich betrogen, wenn Unternehmen Vorteile aus Steuerlücken zögen. Im Falle ihres Wahlsiegs kündigte Clinton Maßnahmen gegen legale Steuerflucht dieser Art an. Pfizer ruderte zurück, und der Deal platzte

„Big Pharma“ unterstützt Trump

Die demokratische Kandidatin macht sich darüber hinaus für niedrigere Kosten bei Arzneimitteln stark. Das bekam Valeant am eigenen Leibe zu spüren. Der Hersteller schluckt Konkurrenten, um seine Monopolstellung auszubauen. Hillary Clinton sprach von „räuberischen Praktiken“ und „ungerechtfertigten Preisen“. Beispielsweise habe sich der Preis eines Migränepräparats von 3.000 Dollar (2014) auf mehr als 14.000 Dollar (2015) erhöht, sagte die Kandidatin. Beobachter wundern sich deshalb kaum, welche Seite Hersteller politisch unterstützen.

Wohin fließen die Wahlkampfgelder?

Wie das Center for Responsive Politics (CRP), eine Nicht-Regierungsorganisation, herausfand, gehen 63 Prozent aller Parteispenden von Angehörigen von Pharmafirmen an die Republikaner. Die Gelder stammen nicht direkt von den Firmen, sondern offiziell von Mitarbeitern, da Unternehmen in den USA keine Wahlkämpfe unterstützen dürfen. Zu diesem Zweck werden von Mitarbeitern Spendenausschüsse – so genannte Policital Action Committees (PACs) – gegründet. PACs, die sich deutschen Unternehmen oder ihren amerikanischen Tochterfirmen zuordnen lassen, beteiligen sich ebenfalls an der Förderung von Donald Trump.

Spendenausschüsse von Firmen wie BASF (73 Prozent für Trumps Republikaner) oder Bayer (82 Prozent) positionieren sich klar im politischen Geschehen. Jener von Boehringer bemüht sich hingegen, beide Seiten zu unterstützen – in den vergangenen drei Wahlperioden ging allerdings signifikant mehr Geld an die Demokraten als die Republikaner. Gegenüber der „Welt“ äußerte sich der Konzern, der Spendenausschuss unterstütze Kandidaten, „welche die Interessen der Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim zu öffentlichen Themen mit Auswirkung auf unser Geschäft teilen“. 



Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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