Neue Forderung der Ärzte

Der Medikationsplan als unerschöpfliche Verdienstquelle

Berlin - 02.09.2016, 12:40 Uhr

Keine Budgetgrenzen: Der Berufsverband Deutscher Internisten fordert, dass Ärzte den Medikationsplan künftig ohne Budgetgrenze abrechnen können. (Foto: Stasique / Fotolia)

Keine Budgetgrenzen: Der Berufsverband Deutscher Internisten fordert, dass Ärzte den Medikationsplan künftig ohne Budgetgrenze abrechnen können. (Foto: Stasique / Fotolia)


Die Honorar-Forderungen der Ärzte in Sachen Medikationsplan wachsen an. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte bereits bekannt gegeben, auch für OTC-Beratungen Geld kassieren zu wollen. Die Forderung des Berufsverbandes der Internisten geht noch weiter: Die Mediziner wollen die Honorare für den Medikationsplan außerhalb ihres Budgets – und somit ohne Mengenbegrenzung – abrechnen können.

Zur Erinnerung: Im E-Health-Gesetz hatte der Gesetzgeber festgehalten, dass Patienten, die mehr als drei Arzneimittel gleichzeitig annehmen, das Recht auf einen Medikationsplan haben. Dieser soll zunächst in Papierform ausgestellt werden, später soll es auch eine elektronische Version geben. Laut Gesetz füllen die Ärzte den Plan alleine aus, die Apotheker dürfen ihn nur auf ausdrücklichen Patientenwunsch ergänzen. Ihr Honorar für diese neue Leistung müssen die Ärzte mit den Kassen aushandeln. Dazu muss im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), der Gebührenordnung der Kassenärzte, eine neue Honorar-Position etabliert werden.

Die Ärzte können die meisten im EBM aufgeführten Leistungen aber nicht unbegrenzt zum gleichen Preis abrechnen. Denn einmal pro Jahr handeln die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in den Regionen mit den Kassen eine Gesamtvergütung, also ein Budget, aus. Die Höhe dieses Budgets ist morbiditätsorientiert, sie orientiert sich also an der Krankheitslast in der jeweiligen Region. Daher gilt: Je höher der Behandlungsbedarf in einer KV-Region ist, desto mehr Geld steht den Ärzten zur Verfügung. Grundsätzlich gilt aber auch: Die Budgets der Mediziner sind gedeckelt. Überschreiten sie die Budgetgrenze, können sie die folgenden Leistungen nicht mehr zum gleichen Preis abrechnen, sie bekommen dann weniger Geld für die erbrachten Leistungen.

Es gibt allerdings auch sogenannte extra-budgetäre Leistungen, also Leistungen, die nicht im Gesamtbudget enthalten sind. Der Vorteil für die Kassenärzte: Sie können solche extra-budgetären Behandlungen unbegrenzt abrechnen, ohne dass deren Preis sich ändert. Beispiele für außer-budgetäre Leistungen sind Früherkennungs-Maßnahmen wie Hautkrebs-Screenings oder Vorsorgeuntersuchungen.

BDI will Medikationsplan ohne Budgetgrenze abrechnen

Zurück zum Medikationsplan: Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) fordert nun, dass die neue EBM-Position zum Medikationsplan extrabudgetär aufgestellt wird. Setzt sich diese Forderung durch, könnte der Medikationsplan zu einer neuen, großen Verdienstquelle für die Mediziner werden. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hatte kürzlich ausgerechnet, dass voraussichtlich bis zu 20 Millionen Patienten in Deutschland Anspruch auf eine Medikationsanalyse haben werden. Wie groß die Honorarsteigerungen der Ärzte durch den Medikationsplan sein könnten, ist also nicht schwer auszurechnen.

Der BDI begründet seine Forderung so: „Eine solche Ziffer darf nicht mit anderen Pauschalen verrechnet werden. Diese neuen Leistungen müssen zusätzlich erbracht werden und ersetzen keine seitherigen Honorierungen im EBM. Sie sind deshalb grundsätzlich extrabudgetär zu vergüten.“ Man erwarte von der KBV, dass diese Forderung in den Verhandlungen mit den Kassen vereinbart werde.

Doch zuletzt waren die Verhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband ins Stocken geraten. Die KBV rechnet damit, dass bald eine Schiedsstelle aktiv werden muss. KBV-Vize Regina Feldmann hatte kürzlich eine für Apotheker interessante Forderung in den Verhandlungen mit den Kassen aufgemacht: Ihren Wunsch nach einem angemessenen Honorar für die Erstellung der Medikationspläne begründete Feldmann unter anderem damit, dass Ärzte schließlich auch zu Medikamenten beraten müssten, die sich die Patienten in der Apotheke gekauft hätten. Insbesondere die ABDA dürfte das verärgern: Denn eine der Kernforderungen der Apotheker beim Medikationsplan war und ist es, dass die Pharmazeuten ihr „OTC-Wissen“ auf den Plänen selbst ergänzen und dafür entlohnt werden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Der Medikationsplan als unerschöpfliche Verdienstquelle

von M.Beutling am 05.09.2016 um 11:02 Uhr

Klasse Idee: diejenigen, die trotz mehrmaliger Hinweise immer noch an der Verordnung zweier miteinander kontraindizierter Arzneimittel festhalten, sollen auch Geld dafür bekommen, den Patienten über die korrekte Einnahme dieses für sie potentiell gefährlichen Cocktails zu informieren.....

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Ich heule nicht,

von Peter Lahr am 02.09.2016 um 16:34 Uhr

ich bewundere die Ärzte für ihren Einfallsreichtum neue Einnahmequellen durch Formulierung neuer Ansprüche an die Kassen und dadurch an die Gesellschaft in die Tat umzusetzen. Man könnte lernen, tut es aber nicht. Selbst das dümmste Wesen auf dem Planeten würde sich mit den Versprechungen die uns gemacht wurden spätestens nach der zweiten Enttäuschung zurückziehen und eine andere Taktik versuchen, nur wir glauben es jedesmal wieder... Lernt endlich mal von unseren Arztkollegen, das doppelte oder dreifache vom Gewünschten oder wie jetzt, was total absurdes abseits vom Honorar und Budget fordern, mit Maßnahmen drohen um dort zu landen was man haben wollte. Ich weiss die Arbeit ist nicht jedermanns Sache, aber wir bräuchten einfach langsam aber sicher eine vorpreschende Rampensau a la Montgomery die sich sofort medial einbringt. Ich schätze unseren aktuellen Präsidenten wirklich, er hat nur ein Problem, er ist ein typischer Apotheker, einen typischen Arzt vom gleichen Langweiligkeitsfaktor wie den typischen Apotheker sucht man in der Ärzt-Führungsriege allerdings vergeblich, gut der KV Chef ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch ein Klosterschüler, aber selbst der schlägt selbst unsere stärkste Person Becker noch um Längen.

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AW: Ja

von Andreas Dömling am 02.09.2016 um 16:40 Uhr

wir sind der Charlie Brown des Gesundheitswesen. Immer wieder wird uns der Ball weggezogen und uns haut´s auf die Fresse, aber wir versuchen es jedesmal wieder!

Bitte kein Heulen und Jammern jetzt!

von Wolfgang Müller am 02.09.2016 um 13:31 Uhr

Es stellen sich hier in Wirklichkeit doch vor Allem folgende interessante Fragen:
Darf man die Forderungen der Hausärzteschaft als ApothekerIn von der reinen Logik her und ohne Missgunst gut und richtig finden? Zugestehen, dass sie sogar was den OTC-Teil betrifft, irgendwie schlüssig sind? Darf man das Alles insgesamt als vorbildlich BEGRÜSSEN?

Und der Apotheker-Standespolitik vorschlagen, sich in Zukunft eben bezüglich des eigenen Zuständigkeitsbereich ähnlich glasklar/analytisch, klug und konsequent zu verhalten? Sei es beim frühzeitigen und gedeihlichen Einbringen ins Gabriel-Honorar-Gutachten, beim Einsatz für eine auskömmliche Rezepturhonorierung und für die allgemeine Regularien-Vereinfachung? Und auch bei "der AMTS"?

Bloß eben nicht "Gegen die Hausärzte"? Weil das eben donquichotesk ist?

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AW: Werter Herr Müller,

von Christiane Patzelt am 02.09.2016 um 18:18 Uhr

Sie haben ja gut lachen, ob Sie oder Ihre Frau vergütet werden, ist egal-es landet so oder so bei Ihnen. In die Röhre gucken die, die nicht mit einem Arzt verheiratet sind und trotzdem fein den Medikationsplan "pflegen". In der Praxis halkt es da gewaltig--und die Ärzte haben dafür kaum Zeit--macht es also die Sprechstundenhilfe!! Und so sehen die Dinger dann auch aus!! Und ne Sprechstundenhilfe kann apothekerliche Beratung zu OTC wie gut jetzt genau...?

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