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Kleine Anfrage der Grünen
Bundesregierung muss sich zu Heilpraktikern positionieren
Nach dem Tod dreier Krebspatienten begann eine Diskussion um die Rechte von Heilpraktikern. Die Bundesregierung sah bislang keinen Handlungsbedarf, doch muss sie sich nun kritischen Fragen von Grünen-Politikern stellen: Soll die Ausbildung von Heilpraktikern nicht vereinheitlicht und Befugnisse begrenzt werden?
Sechs Wochen nach dem Tod dreier Krebspatienten, die kurz nach der alternativmedizinischen Behandlung eines Heilpraktikers verstarben, muss sich die Bundesregierung heiklen Fragen der Opposition stellen. Während das Bundesgesundheitsministerium bislang sagte, für die Überwachung von Heilpraktikern seien die Länder zuständig und Änderungen des bundesweiten Heilpraktikergesetzes seien nicht geplant, sagte ein Sprecher von Minister Hermann Gröhe (CDU) am Montag gegenüber DAZ.online, dies würde nun „geprüft“. Doch Grünen-Politiker um die Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche wollen mehr erfahren.
Schon auf die erste Frage ihrer Kleinen Anfrage, die DAZ.online vorliegt, dürfte das Ministerium keine Antwort haben: „Wie viele Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker gibt es derzeit in Deutschland“, fragen die Politiker. Doch da Heilpraktiker nicht in Kammern organisiert sind und es anders als bei Ärzten oder Apothekern keine zentrale Erfassung gibt, weiß wohl niemand genau, wie viele Heilpraktiker im Land tätig sind. Und auch Fragen, wie viele Heilpraktiker eine beschränkte Erlaubnis oder eine andere Gesundheitsausbildung haben, dürften kaum zu beantworten sein.
Da Heilpraktiker zwar den gängigen Sorgfaltspflichten entsprechen müssen, aber ihre Therapiefreiheit mit Ausnahme der Zahnheilkunde und der Verschreibung rezeptpflichtiger Arzneimittel fast unbeschränkt ist, wird die Bundesregierung auf die Frage nach bisherigen Beschränkungen wohl eine Fehlanzeige machen müssen.
Mit Verweis auf das Heilpraktikergesetz betonen die Grünen-Abgeordneten, dass Heilpraktiker jede „berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen“ vornehmen dürfen. Sie fordern die Bundesregierung dazu auf, sich zu Vorschlägen unter anderem des Vorsitzenden des Bundestags-Gesundheitsausschusses Edgar Franke (SPD) und seines Stellvertreters Rudolf Henke zu positionieren, die Befugnisse zu begrenzen: In vielen Ländern dürfen Alternativmediziner beispielsweise keine Infusionen durchführen.
Heilpraktiker: Will Gröhe das Gesetz von 1937 überarbeiten?
Auch auf die Frage, welche Anforderungen an Inhalte, Struktur und Dauer der Ausbildung von Heilpraktikern es derzeit gibt, wird die Antwort mangels Vorgaben wohl äußerst kurz ausfallen: Bislang ist nur eine Überprüfung für neue Heilpraktiker gesetzlich vorgeschrieben, die ausschließen soll, dass diese eine „Gefahr für die Volksgesundheit“ darstellen, Anforderungen an eine Ausbildung gibt es aber nicht – sodass diese im Selbststudium erfolgen kann. Im Juni 2016 hatte schon die Gesundheitsministerkonferenz der Länder Gröhe aufgefordert, im Sinne des Patientenschutzes eine einheitliche Überarbeitung der Regeln für die Prüfung zu starten, nach der Heilpraktiker tätig werden dürfen.
Nun fordern die Grünen-Gesundheitspolitiker von der Bundesregierung eine Stellungnahme, inwiefern sie dies für notwendig erachtet – und ob sie das Heilpraktikergesetz von 1937 überarbeiten will. „Wenn nein, warum sieht sie keinen Handlungsbedarf“, fragen die Bundestagsabgeordneten – „Wenn ja, wann wird die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen und welche Regelungen sollen darin enthalten sein“.
Grüne fordern Qualitätsstandards
„Im Interesse des Erhalts, der Weiterentwicklung und der Vielfalt von komplementärmedizinischen Angeboten im Gesundheitswesen und im Interesse des Verbraucherschutzes sind Qualitätsstandards und Aus-, Fort- und Weiterbildung anhand der heutigen Bedarfe zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen“, schreiben die Grünen-Politiker. Sie fragen, inwieweit die Bundesregierung es als mit dem Patientenschutz unvereinbar ansehe, wenn Heilpraktikeranwärter in der Kenntnisprüfung lediglich medizinische Grundlagenkenntnisse nachweisen müssen, „vor allem auch vor dem Hintergrund ihres weiten Tätigkeitsspektrums“.
Auch ein weiterer Fragenkatalog der Abgeordneten wird wohl zusammenfassend mit „keine“ beantwortet werden können: Die Grünen-Politiker fragen, ob es für Heilpraktiker rechtlich verbindliche Pflichten zur regelmäßigen Fortbildung, Teilnahme an Qualitätssicherungs-Maßnahmen oder Dokumentationspflichten gibt. „Wenn es derartige rechtlich verbindlichen Verpflichtungen und Beschränkungen bislang nicht gibt, inwieweit wird die Bundesregierung darauf hinwirken, solche Verpflichtungen einzuführen“, haken die Abgeordneten nach. Auch erkundigen sie sich nach zivilrechtlichen Haftungsvorschriften – und inwiefern gesetzliche Krankenkassen Heilpraktiker-Leistungen erstatten und deren Qualität überprüfen.
Was passiert in der „Blackbox“ des Heilpraktikerwesens
Gesundheitspolitiker aller Parteien hatten bereits Verschärfungen der Heilpraktiker-Gesetze gefordert. So hatte auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach gegenüber dem Spiegel gesagt, das Heilpraktikerwesen sei eine „riesige Blackbox“ – und gefordert, dass Licht ins Dunkel gebracht werde. „Wir wissen nichts über das medizinische Wissen dieser Leute, nichts über ihre Methoden, nichts über die Komplikationen ihrer Therapien“, erklärte er. Mit der Kleinen Anfrage ist die Bundesregierung nun wohl gezwungen, dies einzuräumen – und zu erklären, ob sie dies als ein Problem für den Patientenschutz ansieht.
Der Heilpraktiker sagt inzwischen aus
Nach Angaben der „Neuen Ruhr Zeitung“ wird der Heilpraktiker, dessen drei Patienten verstarben, seit einigen Tagen zu den Zwischenfällen verhört. Laut Staatsanwaltschaft zeige er sich kooperativ und gebe Auskunft zu den Behandlungen. Unklar sei, wie viele seiner früheren Patienten befragt werden sollten: Der Kreis solle nicht zu groß sein, da sie sich auch aufgrund ihrer Krebserkrankung alle „in einer angespannte Lage“ befänden, wie ein Pressesprecher sagte. Der Heilpraktiker hatte seinen Patienten ein umstrittenes und nicht zugelassenes Mittel namens 3-Bromopyruvat verabreicht, das in den Glykolyse-Stoffwechsel von Krebszellen eingreifen soll – aber auch toxische Effekte bei gesunden Zellen verursachen kann.
Der Heilpraktiker hatte es zeitweise von einer Apotheke in Deutschland bezogen. Eine Probe der Substanz sei inzwischen analysiert und „völlig unbedenklich“, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber der Zeitung sagte. Doch für die zuletzt behandelten und verstorbenen Patienten hätte der Heilpraktiker 3-Bromopyruvat ohnehin aus einer anderen Quelle bezogen.
4 Kommentare
Bock zum Gärtner
von Lars Dittrich am 09.09.2016 um 6:46 Uhr
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Therapien auf dem Prüfstand
von Rach am 09.09.2016 um 5:57 Uhr
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Grüne Opposition wusste in der Vergangenheit jenes zu schützen was sie heute geregelten wissen will!!!
von Rach am 09.09.2016 um 5:26 Uhr
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Wenn jetzt noch nicht klar ist, wo das DIlemma liegt...
von Udo Endruscheit am 09.09.2016 um 3:41 Uhr
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