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BfArM im Dialog
Abgrenzung von Arzneimitteln ist ein schwieriges „Geschäft“
Die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Produktkategorien wie Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten oder Kosmetika bereitet immer wieder Probleme. Eine weitere BfArM-Dialog-Veranstaltung widmete sich dieser komplexen Materie. Verbraucherschützer beklagen vor allem die Intransparenz in der Vermarktung von Borderline-Produkten.
200 Fachleute informierten sich bei einer Dialog-Veranstaltung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, was bei der Einordnung der so genannten Borderline-Produkte zu beachten ist. Nahrungsergänzungsmittel, ergänzende bilanzierte Diäten, Medizinprodukte, Kosmetika und Biozide, die Bereiche für die Grenzziehung sind breit gefächert. Entsprechend umfangreich und komplex sind die Regeln für die Abgrenzung. Erschwerend kommt hinzu, dass der Rechtsrahmen für die Einstufung und die Entwicklung der Märkte ständig im Fluss ist. „Es gibt immer wieder neue Produkte, die ein Umdenken erfordern.“ sagte BfArM-Abteilungsleiter Michael Horn, in dessen Abteilung die zuständige Stelle für Abgrenzungsfragen angesiedelt ist. „Was gestern Arzneimittel war, kann heute zu einer anderen Produktkategorie gehören.“
Für
die Einstufung von Produkten sind primär die Überwachungsbehörden der
Bundesländer zuständig. Das BfArM kann auf Antrag der Bundesländer über die
Zulassungspflicht von konkreten Produkten entscheiden. Bei Medizinprodukten
kann auch der Inverkehrbringer beim BfArM einen Antrag auf Einstufung stellen. Diese
wird nach Darlegung der „Abgrenzungs-Expertin“ im BfArM, Kerstin Stephan, unter
Berücksichtigung aller Merkmale eines Produktes nach dem „Mosaik-Prinzip“
vorgenommen. Trotzdem ist nicht zu verhindern, dass immer wieder Produkte als
Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika vermarktet werden, die tatsächlich
Arzneimittel sind. Durch die falsche Zuordnung werden sie de facto ohne
Zulassung, also ohne eine behördliche Überprüfung ihrer Qualität, Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit, in den Verkehr gebracht.
Wenig Transparenz bei Nahrungsergänzung und bilanzierten Diäten
Evelyn Breitweg-Lehmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig berichtete von den Schwierigkeiten im Grenzbereich zu den Nahrungsergänzungen. Deren Inverkehrbringen muss beim BVL angezeigt werden. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es mit über 4000 Erstanzeigen bereits mehr als im Jahr 2015 insgesamt. Dabei gehe es um einen „bunten Strauß“ von Stoffen mit einer ernährungsspezifischen oder physiologischen Wirkung, darunter Vitamine und Mineralstoffe, Pflanzen und Pflanzenteile, Aminosäuren, Enzyme, Bakterien, Ayurvedische Erzeugnisse oder Präparate aus der traditionellen chinesischen Medizin. Für die zugelassenen Stoffe gebe es keine abschließende Liste, was die Einstufung erschwert. „Wir können es nicht verhindern, dass Leute im Internet an nicht sichere Nahrungsergänzungsmittel gelangen“, sagte Breitweg-Lehmann, „wir können sie aber aufklären und erziehen.“ Hierzu biete das BVL entsprechende Informationen auf seiner Webseite an.
Ähnlich intransparent ist der Markt der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten). Breitweg-Lehmann verwies in diesem Zusammenhang auf das neue Positionspapier des BVL und des BfArM, das in der letzten Woche veröffentlicht wurde. Es liefert wertvolle Hilfestellungen zur Einordnung der Produkte und zum Herausfischen „schwarzer Schafe“, die zu Unrecht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke daher kommen wollen.
Stofflisten liefern Orientierung
Seit 2013 unterhalten das BVL und das BfArM eine unabhängige gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen. Für die Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“ hat die Kommission eine spezielle Stoffliste erarbeitet, die zwar nicht rechtsverbindlich ist, aber eine gewisse Orientierung bietet, ob eine Arzneidroge in einem Lebensmittel, inklusive Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden könnte/darf oder nicht. Bei einem konkreten Produkt muss dann gegebenenfalls immer noch die Aufmachung (Präsentation) mit betrachtet werden, um zu entscheiden, ob es ein Lebensmittel oder ein Arzneimittel ist.
Alles steht im selben Regal
Medizinprodukte werden auf europäischer Ebene von einer speziellen Expertengruppe (Medical Devices Expert Group on Borderline and Classification) eingestuft und die Entscheidungen in einem Manual zusammengefasst. Bislang gibt es 19 Einstufungen zur Abgrenzung von Medizinprodukten zu Arzneimitteln. Ein etwaiger Vermerk auf einem Produkt: „Dies ist kein Medizinprodukt“, mit dem Hersteller versuchen, in strittigen Fällen eine Einstufung als Arzneimittel zu umgehen, sind für die tatsächliche Einordnung völlig bedeutungslos, betonte Nicole Rämsch-Günther vom BfArM.
Als „Anwältin der Verbraucher“ beklagte Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., dass die Produkte im Grenzbereich in Verbrauchermärkten oft bunt gemischt angeboten werden. Hier fänden sich Arzneimittel, traditonelle Phyto-Präparate, Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte häufig in ein und demselben Regal, das manchmal auch noch mit einem Schild „Arzneimittel“ versehen sei. Zum Teil gebe es ganze Regale der Kategorie „Arzneimittel“, die allesamt Nahrungsergänzungen sind. Auch die Apotheke ist für sie diesbezüglich kein „unproblematischer Verkaufsort“, denn hier habe der Kunde eine besonders hohe Erwartungshaltung an die Produkte.
Klare Ausweisung der Produktart
Als kritisches Beispiel führte die Verbraucherschützerin die beiden flüssigen Präparate Floradix® Eisen plus B12, vegan (Nahrungsergänzungsmittel) und Kräuterblut® Floridix® mit Eisen (Arzneimittel) an, die ihrer Meinung nach eine „identische“ Produktaufmachung besitzen. „Wie soll der Verbraucher das unterscheiden?“ fragte Clausen. Sie fordert eine klare räumliche Trennung von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungen im Handel und eine ausreichend große Benennung der Produktkategorie auf der Schauseite der Verpackung. Für Clausen haben Botanicals aus der traditionellen Heilkunde in Nahrungsergänzungen im Übrigen nichts verloren.
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