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Trotz Antikörper-Euphorie, beschränkt sich derzeit die Alzheimertherapie noch auf Donepezil, Galantamin, Rivastigmin und Memantin. Welcher Patient profitiert von welchem Arzneimittel? Und: Hilft Donepezil Off-label auch bei schwerer Demenz?
Alzheimerpatienten können bislang nicht geheilt werden. Die Therapiemöglichkeiten sind begrenzt – und ernüchternd: Keines der zugelassenen Arzneimittel verhindert die Krankheitsprogression. Zeigen die Patienten erste Symptome der neurodegenerativen Erkrankung, sind meist bereits 70 Prozent der betroffenen Neurone zerstört. Insbesondere Neurone des cholinergen Systems trifft der Zelluntergang bei Morbus Alzheimer. Wichtigstes Kerngebiet für cholinerge Neurone ist der Nucleus basalis Meynert im Frontalhirn. Von hier projizieren cholinerge Neurone zum Neocortex, wo Aufmerksamkeit, Aktivität und gezielte Bewegungen gesteuert und die Informationen des Sinnessystems verarbeitet werden.
Der Nucleus basalis Meynert spielt eine bedeutende Rolle bei Lern- und Gedächtnisleistungen des Gehirns. Der Untergang von Acetylcholinneuronen und der Mangel dieses Neurotransmitters werden mit der Alzheimer-Erkrankung assoziiert. Es liegt daher nahe zu versuchen, durch Arzneimittel dieses cholinerge Defizit zu kompensieren.
Schweregrade bei Alzheimer
Die pharmakologische Therapie der Erkrankung ist stets nur ein Standbein im Gesamttherapiekonzept. Patienten und ihre Angehörigen benötigen meist auch eine begleitende psychosoziale Betreuung.
Anhand des Mini-Mental-Status-Test (MMST) wird versucht, die Demenzerkrankung bei Patienten einem Schweregrad zuzuordnen. Der MMST dient sowohl der primären Einteilung der Schwere der vorliegenden Demenz, wird aber auch zur Verlaufskontrolle herangezogen. Er überprüft die kognitiven Funktionen der Erkrankten, die beispielsweise leichte Rechenaufgaben lösen, sich drei Begriffe merken und Fragen zur Orientierung (Aufenthaltsort, Jahreszeit) beantworten müssen. Insgesamt umfasst der MMST neun Aufgabenkomplexe – je nach Anzahl korrekt gelöster Aufgaben erfolgt die Einteilung anhand eines Punkte-Scores in die drei Kategorien leichte, moderate/mittelschwere und schwere Alzheimer-Demenz. Dies ist jedoch nicht ganz einfach: Die einzelnen Stufen sind nicht scharf voneinander zu trennen – auch weist die Leitlinie darauf hin, dass der Test abhängig vom Bildungs- und Sprachniveau der Patienten sei. Sowohl die amerikanische als auch europäische Zulassungsbehörde, FDA und EMA, orientieren sich bei der Zulassung antidementiver Arzneimittel an dieser Einteilung.
Donepezil & Co.: Pharmakotherapie bei Alzheimer
Die Pharmakotherapie der Kernsymptomatik der Demenz ist überschaubar: Derzeit sind vier Arzneimittel zugelassen. Die Antidementiva überzeugten während einer 24-wöchigen Therapie verglichen mit Placebo – sie verbesserten die kognitive Leistungsfähigkeit und die Alltagsbewältigung der Patienten.
Die klassischerweise bei der Alzheimer-Demenz eingesetzten Antidementiva greifen vorwiegend im cholinergen System an und hemmen die Acetylcholinesterase und somit den Abbau des Neurotransmitters, und erhöhen auf diese Weise die Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt. Zu dieser Wirkstoffgruppe zählen Donepezil, Galantamin und Rivastigmin. Sie sind zugelassen zur symptomatischen Behandlung von lediglich leichten bis mittelschweren Formen der Alzheimer-Demenz. Die Wirkung aller Acetylcholinesteraseinhibitoren ist dosisabhängig. Das bedeutet: Nach einschleichender Dosierung und abhängig von der individuellen Verträglichkeit sollten jeweils die Maximaldosen appliziert werden. Und zwar: Zehn Milligramm bei Donepezil, 24 Milligramm Galantamin und zwölf Milligramm Rivastigmin jeweils als Tageshöchstdosen.
Rivastigmin ist als Pflaster verfügbar, bei Donepezil gibt es Schmelztabletten, was insbesondere vorteilhaft für Patienten mit Schluckstörungen sein kann.
Welcher Acetylcholinesterasehemmer ist der beste?
Es gibt keine klinisch relevanten Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit einzelner Acetylcholinesteraseinhibitoren. Auch gibt es keine zeitliche Begrenzung für die Therapie mit Donepezil & Co. Sie können fortlaufend gegeben werden. Rechtliche Grauzonen ergeben sich allerdings beim Fortschreiten der Demenz hin zum schweren Stadium: Für diese Indikation ist keines dieser Arzneimittel zugelassen – ein klassischer Off-Label-Use liegt vor. Unter diesem Vorbehalt empfiehlt die im Januar aktualisierte Leitlinie zu Demenzen allerdings zum ersten Mal die Weiterbehandlung mit Donepezil und Galantamin bei Patienten mit schwerer Demenz. Studien lieferten Hinweise auf die Wirksamkeit auch bei dieser Patientensubgruppe.
Memantin, der vierte bei Alzheimer eingesetzte Wirkstoff hat als einziger eine Zulassung für die Indikation der mittelschweren bis schweren Demenz. Als NMDA-Rezeptor-Antagonist unterscheidet sich der Wirkmechanismus grundlegend von dem der Acetylcholinesteraseinhibitoren. Die bei Alzheimer pathologisch erhöhten Glutamatspiegel führen zu neuronalen Funktionsstörungen und werden durch den Einsatz von Memantin reduziert. Auch dieser Wirkstoff soll einschleichend bis zu Maximaldosis von 20 Milligramm auftitriert werden. Die Fachinformation empfiehlt jeweils eine wöchentlich Dosiserhöhung um fünf Milligramm. Memantin steht Patienten auch als Lösung oder in Form von Schmelztabletten zur Verfügung.
Add-on Memantin zu Donepezil?
Die Datenlage zur kombinierten Behandlung mit den Wirkstoffen Donepezil und Memantin ist nicht eindeutig. Bei leichter bis moderater Demenz, empfiehlt die Leitlinie aufgrund der aktuellen Datenlage keine Zusatzbehandlung mit dem NMDA-Rezeptor-Antagonisten. Die Kombitherapie sei in diesem Stadium einer Monotherapie mit Donepezil nicht überlegen, heißt es hierzu. Während im schweren Stadium der Demenz erwogen werden kann, eine bereits bestehende Donepezilbehandlung um Memantin zu erweitern.
Wie sieht`s mit Ginkgo Biloba aus?
Ginkgo Biloba steht als einzige pflanzliche Therapiemöglichkeit in den Empfehlungen der Demenz-Leitlinie. Für die leichte bis mittelschwere Demenz kann eine Behandlung mit dem standardisierten Spezialextrakt EGb 761 erwogen werden. Dieser ist in Tebonin® enthalten. Mit einer täglichen Dosis von 240 Milligramm wird das OTC-Präparat sogar von der GKV erstattet. Das pflanzliche Arzneimittel gilt als sicher und zeigt eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz.
Davon rät die Leitlinie ab
Immer wieder kursieren Berichte über unterstützende Therapiemaßnahmen. Und Patienten beziehungsweise ihre Angehörigen sind empfänglich für jede Option, die eine vielleicht bereits bestehende Pharmakotherapie positiv unterstützt. Doch: Möchte man Supplemente oder Arzneimittel, deren Nutzen belegt ist und bei denen valide Daten vorliegen, ist in der Selbstmedikation schnell das Ende der Fahnenstange erreicht.
Diskutiert werden immer wieder Radikale, die zu einer Schädigung der Hirnzellen beitragen. So sollen „Radikalfänger“ wie die Vitamine E, C und A sowie spezielle Nahrungsergänzungsmittel sich positiv auf die kognitiven Funktionen auswirken. Die Leitlinie spricht hierzu – aufgrund mangelnder Evidenz – keine Empfehlung aus. Es gibt kein Supplement, das in der Lage ist, die kognitiven Leistungen zu verbessern.
Auch für Beobachtungen, dass Frauen unter einer Hormonersatztherapie (HRT) seltener eine Demenz entwickelten, gibt es offensichtlich keine validen Daten. Eine HRT zur Prävention einer Alzheimer-Erkrankung steht somit ebenfalls nicht in den Empfehlungen der Leitlinie.
Gleichermaßen verhält es sich mit NSAR: Bei Ibuprofen und Diclofenac wird über eine Abschwächung der Demenz-Symptomatik berichtet – doch sind die Daten nicht ausreichend, um klare Therapieempfehlungen auszusprechen.
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