Therapie mit Car-T-Zellen

Erneute Todesfälle bei Studie zu Krebs-Immuntherapie

Stuttgart - 28.11.2016, 07:00 Uhr

Der Therapieansatz von Juno Pharmaceutics oder Novartis soll das Immunsystem zur Bekämpfung von Krebszellen nutzen. (Foto: royaltystockphoto / Fotolia)

Der Therapieansatz von Juno Pharmaceutics oder Novartis soll das Immunsystem zur Bekämpfung von Krebszellen nutzen. (Foto: royaltystockphoto / Fotolia)


Zwei Probanden eines Arzneimittel-Tests der US-amerikanischen Biotech-Firma Juno Therapeutics verstarben vergangene Woche an Hirnödemen. Erst im Juli war nach dem Tod dreier Probanden der Test gestoppt worden. Die Arzneimittelagentur FDA hatte  jedoch schnell eine Fortsetzung ermöglicht. Was bedeutet der Zwischenfall für die Therapieart, die viele Forscher als vielversprechend ansehen?

Bei einer Studie zu einer Krebs-Immuntherapie der US-amerikanischen Biotech-Firma Juno Therapeutics sind vergangene Woche erneut zwei Probanden an Hirnödemen verstorben. Bereits im Juli war die Phase-2-Studie „ROCKET“ von der Arzneimittelbehörde FDA gestoppt worden, nachdem drei Patienten mit therapierefraktärer Akuter lymphatischer Leukämie (ALL) mit vergleichbaren Symptomen verstorben waren. Damals nahm Juno Therapeutics an, die Vorbehandlung der Patienten mit zwei Chemotherapeutika – unter anderem Fludarabin – habe zu den Problemen geführt.

Nur fünf Tage nach dem Stopp hatte die FDA die Fortsetzung der Studie erlaubt.

Eigentlich sollten mindestens 50 schwer erkrankte Patienten behandelt werden, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie JCAR015 zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden den Probanden eigene T-Zellen entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie einen künstlichen T-Zell-Rezeptor (chimärischer Antigen-Rezeptor, CAR) ausbilden, mittels dessen das Immunsystem die jeweiligen Tumorzellen erkennen und bekämpfen kann.

Protokolländerung half nicht wie erhofft

Seit August wurden zwölf Patienten behandelt. Einer der nun verstorbenen Patienten war jünger als 30 Jahre, zu dem anderen Patienten machte Juno zunächst keine Angaben. „Es ist unsere Einschätzung, dass der Verzicht auf Fludarabin die Häufigkeit der schweren Neurotoxizität verringert hat“, sagte der Geschäftsführer von Juno Therapeutics, Hans Bishop, laut dem Nachrichtenportal STAT. „Es hat uns nur noch nicht so weit gebracht, wie wir erhofft hatten.“

War die US-amerikanische Arzneimittelbehörde in ihrer schnellen Entscheidung, die Studie fortzuführen, zu voreilig? „Angesichts dessen, was passiert ist, hat die FDA wirklich einen Bock geschossen“, sagte der Gesundheitsanalyst von Edison Investment Research und Krebstherapie-Experte Maxim Jacobs gegenüber STAT. „Was hat die FDA in dem Zeitraum untersucht, von der Ankündigung der Unterbrechung der Studie bis zur dessen Aufhebung“, fragte er. Die Arzneimittelbehörde nahm laut dem Branchendienst zunächst keine Stellung.  

Paul-Ehrlich-Institut wollte Studien in Deutschland überprüfen

Nach dem Stopp der Studie im Juli hatte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gegenüber DAZ.online betont, dass hierzulande keine Studien mit den JCAT015-Zellen liefen, die in den USA verwendet wurden. Es fände aber „eine intensive Überprüfung laufender und geplanter klinischer Prüfungen mit anderen CAR-T-Zellen statt“, erklärte eine Sprecherin damals. „Die Kollegen bemühen sich derzeit um weitere Informationen zu der betroffenen klinischen Prüfung in den USA und stehen mit Unternehmen, die Studien mit ähnlichen Medikamenten in Deutschland planen oder durchführen, im intensiven Austausch“, schrieb sie im Juli.

Ergebnis der Überprüfungen bleibt unklar

Auf Nachfrage äußerte sich die Behörde nun nicht zu der Frage, was die Überprüfungen ergeben hätten oder welche Informationen das PEI zu der Studie in den USA erhalten habe. Eine Sprecherin des PEI betonte nur, dass in Deutschland weiterhin keine Studien mit den verwendeten JCAT015-Zellen liefen. „Selbstverständlich werden aber bei möglichen Anträgen auf klinische Prüfung mit solchen Zellen die entsprechenden Entwicklungen berücksichtigt“, erklärte sie.

Wie es nun mit der Studie weitergeht, bleibt offen. „Zu den möglichen Optionen gehört unter anderem, dass wir mit JCAR015 in der aktuellen Studie nach einer Protokollmodifikation weitermachen, eine neue Studie beginnen oder das Programm beenden“, erklärte Bishop von Juno Therapeutics.

Wie geht es mit den CAR-T-Therapien weiter?

Der Aktienkurs von Juno Therapeutics sank teils um mehr als ein Drittel des Wertes. Forscher und Firmen weltweit dürften die Konsequenzen aus den Todesfällen mit großer Aufmerksamkeit verfolgen – so der Konzern Novartis, der mit seinem CTL019 genannten Therapieansatz gleichfalls auf eine CAR-T-Behandlung setzt. Nach dem Zwischenfall im Juli hatte ein Firmensprecher erklärt, dass Novartis bezüglich des Nutzen-Risiko-Profils von CTL019 zuversichtlich bliebe.

Patrick Schmidt vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg forscht gleichfalls an Therapien mit CAR-T-Zellen – und rief gegenüber DAZ.online trotz der Zwischenfälle zu Besonnenheit auf, auch da die Therapien sich teils deutlich unterscheiden würden. „Es ist etwas, was nicht überdramatisiert werden sollte“, erklärte er. Es gäbe viele offene Fragen, die zunächst geklärt werden müssten – sodass andere Studien seiner Ansicht nach voraussichtlich auch nicht angehalten werden müssten.

Schmidt begrüßte, dass Juno den Stopp nun direkt am Tag nach dem Todesfall veranlasste. „Es ging alles rasend schnell“, sagte er.

Scharfe Waffe

Für Patienten mit nicht-soliden Tumoren – wie insbesondere Leukämien – sieht er die bisherigen Ergebnisse von CAR-T-Therapien als sehr vielversprechend an. „Das sind Antwortraten, die man so bislang noch von keinen anderen Medikamenten kannte“, erklärte Schmidt.

Beobachtete Nebenwirkungen müsse man dagegen abwägen, dass den betroffenen Patienten bislang ansonsten nicht geholfen werden könne. „Natürlich ist das eine scharfe Waffe, mit der man gut umgehen muss“, betonte Schmidt, der selber in Heidelberg klinische Studien vorbereitet. „Wir sind vorsichtig optimistisch, dass wir Ende 2017 starten könnten“, sagte er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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