Lesen mit den Fingern

Wie die Braille-Schrift in die Welt kam

Berlin - 03.01.2017, 15:00 Uhr


Junge Menschen lernen schnell Braille

Wie viele Menschen Braille lesen können, dazu gibt es keine verlässlichen Angaben – schon zur Zahl der Blinden und Sehbehinderten in Deutschland liegen nur Schätzungen vor. Gerade junge Menschen könnten in recht kurzer Zeit Braille lernen, sagt Kahlisch. Menschen, die erst im Alter ihre Sehkraft verlieren, tun sich dagegen oft schwerer. Wer das System beherrscht, kann damit heute mithilfe einer sogenannten Braillezeile auch am Computer arbeiten oder das Smartphone nutzen. Wer als Blinder Braille beherrscht, hat damit deutlich bessere Chancen auf einen Job.

„Es gibt viele Potenziale“, sagt Kahlisch mit Blick auf die Verbindung von Braille und moderner Technik. So könne man sich vom Handy navigieren lassen, mit einer Supermarkt-App einkaufen oder mit einer Bank-App ein Konto führen. „Aber das geht auch mit einer gewissen Abhängigkeit von den Geräten einher.“ Zudem gibt es neue Schwierigkeiten – etwa, wenn Software-Entwickler nicht wissen, wie sie eine App gestalten müssen, damit sie auch von Blinden genutzt werden kann. „Die ganzen Vorzüge der digitalen Welt sind nur dann nutzbar, wenn sie barrierefrei sind.“ Kahlisch wünscht sich noch mehr Braille im Alltag, etwa auf Pizzaverpackungen. „Da müssen wir viel tun, auch Überzeugungsarbeit leisten.“

Louis Braille selbst erlebte den internationalen Siegeszug seiner Schrift übrigens nicht mehr, er starb 1852 im Alter von 43 Jahren an Tuberkulose. Erst Jahrzehnte später wurde das 6-Punkte-Alphabet 1878 bei einem internationalen Kongress als bestes System anerkannt. 100 Jahre nach seinem Tod ehrte sein Heimatland das Lebenswerk von Louis Braille und ließ dessen Gebeine ins Pariser Pantheon umbetten – die Ruhestätte von Frankreichs Nationalhelden.



Sebastian Kunigkeit, dpa Wissenschaftsredaktion
redaktion@daz.online


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