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Kommentar zum AMTS-Projekt in Niedersachsen
Armins kleiner Bruder weckt Hoffnungen
Ärzte, Apotheker und AOK in Niedersachsen haben ein Projekt für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit bei Polymedikation vereinbart. Die Parallelen zum ABDA-Vorzeigeprojekt Armin betrachtet Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.
Armin, der große Hoffnungsträger der Apotheker in Sachsen und Thüringen, hat in Niedersachsen einen kleinen Bruder bekommen. Die Geburt verlief still und leise. Über die Schwangerschaft war in der Öffentlichkeit zuvor nichts bekannt. Welch ein Unterschied zu den langen und vielfach kommentierten Wehen bei seinem großen Bruder! Hinsichtlich der Fähigkeiten gibt es dagegen viele Ähnlichkeiten zwischen den Geschwistern.
Vergleich mit Armin
Wie Armin beruht auch das Projekt in Niedersachsen auf einem dreiseitigen Vertrag zwischen den Ärzteorganisationen, dem Landesapothekerverband und der AOK des Landes. Wie bei Armin geht es um Patienten mit Polymedikation, in Niedersachsen mit noch strengeren Einschlusskriterien. Das Projekt in Niedersachsen wendet sich zwar nur an Teilnehmer des Hausarztmodells der AOK, aber bei über 600.000 eingeschriebenen Versicherten ist das ein stattliches Potenzial für ein Modellprojekt.
Anders als bei Armin hat das Projekt nur eine Stufe. Offenbar ging es allen Vertragspartnern gezielt darum, durch die bessere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern arzneimittelbezogene Probleme bei der Polymedikation zu lösen. Diese Konzentration auf das Wesentliche könnte zum Vorbild werden und nährt die Hoffnung auf zunehmend leichte Geburten beim weiteren Nachwuchs in Armins Familie.
Als weiterer Vorteil erscheint das Konzept, dass Ärzte die ausführliche Medikationsberatung durch die Apotheke verordnen oder selbst einen Apotheker beauftragen. Ärzte brauchen sich dann nicht zu sorgen, dass sie die Kontrolle über den Behandlungsablauf verlieren könnten. So werden die Ärzte die Leistungen der Apotheker schätzen lernen. Das sollte für noch mehr Lust auf neue Geschwister für Armin sorgen.
Problemfeld Zusatzqualifikation
Wer diese ganzen Nachwuchspläne im Apothekerhaus kritischer betrachtet, stellt allerdings jedes Mal die Frage, ob die Apotheker sich in solchen Modellprojekten zu einer Zusatzqualifikation verpflichten sollen beziehungsweise zu welcher. Die Leistungen, die künftig in Niedersachsen gefragt sind, sollte jeder Apotheker auch ohne weitere Fortbildung erbringen können. Doch wenn die patientenorientierte Pharmazie sich weiter entwickeln soll, erscheinen Anreize für Fortbildungen sinnvoll. Einerseits wird das vorhandene Potenzial der Apotheker noch längst nicht genug genutzt. Andererseits wird immer wieder gefordert, zusätzliche Qualifikationen der Mitarbeiter zu honorieren. Dann muss dieses Geld auch irgendwoher kommen. Außerdem lässt sich so besser vermitteln, dass es um eine neue Leistung geht, die folglich auch zusätzlich bezahlt werden muss.
In diesem Dilemma ist ein Kompromiss gefragt. Für das Armin-Projekt, das auf langfristiges Medikationsmanagement zielt, wurde eine Fortbildung konzipiert. Beim Medikationskonsil in Greifswald, das mit weniger Inhalten startet, wird dagegen die nötige Qualifikation erst nach den ersten praktischen Erfahrungen festgelegt. Das ist diplomatisch geschickt und zugleich praxisnah. In Niedersachsen haben die Apotheker eine Fortbildung auf dem Niveau von Armin oder Athina zugesagt, allerdings mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren. So lange soll auch der Vertrag gelten. Die Fortbildung wäre dann eher eine Investition in ein Folgeprojekt, das allen Beteiligten noch mehr bringt. Dann bekäme die zusätzliche Fortbildung ihren Sinn.
Umfassende Medikationsdaten
Für diejenigen, die die Geburt des jüngsten Nachwuchses noch mehr hinterfragen, hier noch ein Nachtrag: Die „Arzneimittelinformationen“ der AOK, über die in Kommentaren bei DAZ.online gemutmaßt wurde, sind die Medikationsdaten der Patienten – und keine Bewertungen der AOK. Es geht also nur darum, dass Arzt und Apotheker alle nötigen Daten zur Medikation erhalten.
So wurde offenbar in Niedersachsen am grünen Tisch an vieles gedacht. Ab März wird Armins kleiner Bruder sich dann im richtigen Leben bewähren müssen.
1 Kommentar
Zwangsfortbildung
von Dr Schweikert-Wehner am 01.02.2017 um 14:02 Uhr
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