Gastbeitrag

Richtiger Umgang mit Zytostatikainfusionen in der Krebstherapie

Erding - 14.02.2017, 13:45 Uhr

Durch Einsparungen steigt das Risiko von Wirkverlusten. (Foto: benicoma / Fotolia)

Durch Einsparungen steigt das Risiko von Wirkverlusten. (Foto: benicoma / Fotolia)


Infusionslösungen und Haltbarkeit

Antikörper (und deren Biosimilars) sind Proteingemische, deren Wirkung durch die Einhaltung von Produktspezifikationen sichergestellt wird. Man muss sich diese Produktspezifikationen als eine Vielzahl von Parametern vorstellen, deren gemeinsame Einhaltung die Wirkung garantiert.

Prof. Dingermann, Universität Frankfurt und ausgewiesener Spezialist für Antikörper und Biosimilars, hat dazu ein sehr plastisches Beispiel entwickelt: die Beschreibung eines Sessels (Abb. 1). Nur wenn möglichst viele Parameter (z.B. Polsterdicke, Art des Polsters, Zahl der Stuhlbeine, Winkel der Rückenlehne) bekannt sind, ist dieser eindeutig definiert und kann ggfs. ohne eine Kronstruktionsskizze oder ein Muster nachgebaut werden.

Abb. 1.: Veranschaulichung der Produktspezifikationen (nach Prof. Dingermann). Eine Vielzahl von Parametern macht es in Summe möglich, den Sessel ohne Model nachzubauen. Ebenso verhält es sich bei den Antikörpern, deren Produktspezifikationen ihre Identität und damit ihre Wirksamkeit hinreichend beschreiben. Selbst zwei Chargen eines Fertigarzneimittels sind deshalb in der Regel nicht völlig identisch, aber doch wirksam.

Bei Antikörpern definieren diese Parameter bzw. deren Einhaltung die Wirksamkeit. Sie sind ein Produktionsgeheimnis, das nur dem Hersteller (Patentinhaber) und der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) bekannt ist. Warum muss man das wissen?

Nun, weil aus der Geheimhaltung der Produktspezifikationen folgt, dass ein Dritter keine validen Aussagen, z.B. über Haltbarkeitsverlängerungen, machen kann. So kann er zwar bestimmte Eigenschaften, vergleichbar der Polsterdicke des Sessels, zu verschiedenen Zeitpunkten messen, aber es fehlen ihm eben eine unbekannte Anzahl weiterer Parameter, um eine valide Aussage zur Wirksamkeit und damit zur Haltbarkeit treffen zu können.

Genauso wenig kann ein Schreiner allein mit dem Wissen der Polsterdicke einen bestimmten, ihm unbekannten Sessel nachbauen. Trotzdem werden genau diese Aussagen aber immer wieder und von verschiedenen Autoren, natürlich meist mit Haftungsausschluss, gemacht und unverständlicherweise von einigen Krankenkassen und sogar Aufsichtsbehörden akzeptiert. Dabei kann nur der Hersteller in Kenntnis aller Produktspezifikationen valide Angaben zur Haltbarkeit machen. Für seine Angaben in der Fachinformation muss und kann er auch die Haftung übernehmen. Dass diese Angaben in manchen Fällen präziser und vor allem umfangreicher sein könnten, ist deren wirtschaftlichen Eigeninteressen geschuldet und kann nur vom Gesetzgeber durch die Festlegung neuer Zulassungsanforderungen geändert werden.

Haltbarkeitsangaben anhand ungenügender Messparameter zu definieren, diese anzuwenden und/oder zu fordern, auf Verwürfe zu verzichten, ist hingegen mindestens fahrlässig. Das gilt im Besonderen für die besprochenen Proteinlösungen, deren Labilität hinreichend bekannt sein sollte.



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2 Kommentare

Gast?

von Holger Hennig am 15.02.2017 um 8:34 Uhr

Wenn ein "Gast" einen namentlich gekennzeichneten Beitrag publiziert, fände ich es sinnvoll, wenn irgendwo auch erkennbar wäre, wie/wo denn dieser Gast beruflich aufgestellt ist. Apotheker scheint er ja zu sein. Aber ist er selbständig, arbeitet er für die Industrie, für eine Krankenkasse oder in der Wissenschaft?? Diese Aussage vermisse ich.

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AW: Gast

von Nicola Kuhrt am 15.02.2017 um 8:39 Uhr

Hallo Herr Hennig,

Sie haben vollkommen Recht, der entsprechende Hinweis wurde leider vergessen. Wir fügen dies sofort ein.

Herzlicher Gruß, Nicola Kuhrt

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