AMVSG

Impfstoff-Rabattverträge verlieren ihre Exklusivität

Berlin - 17.03.2017, 17:00 Uhr

Auch Apotheken werden aufatmen: Impfstoffe dürfen künftig nicht mehr von den Kassen ausgeschrieben werden. (Foto: Miss Fafalda / Fotolia)

Auch Apotheken werden aufatmen: Impfstoffe dürfen künftig nicht mehr von den Kassen ausgeschrieben werden. (Foto: Miss Fafalda / Fotolia)


Das Ende der Impfstoff-Ausschreibungen der Krankenkassen ist besiegelt. Mit dem jüngst beschlossenen Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz wird die Rechtsgrundlage für die exklusiven Verträge der Krankenkassen mit pharmazeutischen Herstellern gestrichen. Doch was bedeutet das für die noch laufenden Verträge?

Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hatte die damalige schwarz-gelbe Regierungskoalition im Jahr 2011 gleich zwei Preisbremsen für Impfstoffe eingeführt: Zum einen wurde den Krankenkassen ermöglicht, Impfstoffe für Schutzimpfungen ausschreiben und Rabattverträge schließen zu können. Zum anderen wurde ein Abschlag auf den Abgabepreis des Herstellers eingeführt. Dessen Höhe bemisst sich nach der Differenz zwischen dem Abgabepreis und einem europäischen Durchschnittspreis.

Die Impfstoff-Rabattverträge sorgten in den vergangenen Jahren jedoch immer wieder für Probleme, insbesondere in der Saison 2012/2013. Viele Apotheker dürften sich noch daran erinnern: Damals kam es in weiten Teilen Deutschlands zu Versorgungsproblemen, weil mit Novarits ein exklusiver Rabattpartner für einen Grippeimpfstoff ausfiel. Denkwürdig war auch eine Ausschreibung der AOK Baden-Württemberg über sieben verschiedene Schutz-Impfstoffe, die von Ausfällen geprägt war. Ein zweiter Anlauf der Rabattvertrags-freudigen Kasse schlug gleich fehl – lediglich für Grippeimpfstoffe gingen noch Angebote ein. Auch ein Versuch der AOKen Hessen und Niedersachsen, Rabattpartner für HPV-Impfstoffe zu finden, scheiterte.

Das besondere Problem bei Impfstoffen liegt auf der Hand: Es gibt nur wenige Anbieter, die Herstellung ist komplex und ein Ausfall kann nicht so einfach kompensiert werden. Die Kassen beschränkten ihre Ausschreibungen alsbald auf Grippe-Impfstoffe, für die es immerhin noch etwas mehr Anbieter gab – Tendenz sinkend – als für andere Vakzine für Schutzimpfungen. Nur in Hessen, Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern setzten die Kassen bis zuletzt auf mit den Apotheken verhandelte Fix-Preismodelle.  

Seit Sommer 2014 sind zwei Rabattpartner gefordert

Der Gesetzgeber sah die Probleme der Rabattverträge wohl – und besserte zunächst nur nach: Seit Sommer 2014 müssen Kassen pro ausgeschriebenem Versorgungsgebiet mit mindestens zwei Unternehmen einen Vertrag schließen. Doch auch diese Vorgabe erwies sich als schwierig. In einigen Regionen war es den ausschreibenden Kassen zuletzt nicht mehr möglich, zwei Vertragspartner zu finden.  

Nun ist nach  gut sechs Jahren endgültig Schluss mit den Impfstoff-Rabattverträgen. So sieht es das kürzlich vom Bundestag beschlossene Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) vor. Zur Begründung wird auf die bekannten  Besonderheiten des Impfstoffmarkts hingewiesen – auf die Unwägbarkeiten, die mit der Herstellung einhergehen und Auswirkungen auf die Sicherheit und Sicherstellung der Versorgung haben können. Gerade im Falle von exklusiven Rabattverträgen könne es zu zeitweiligen Lieferproblemen kommen. Letztlich will der Gesetzgeber mit der Abschaffung der Rabattverträge auch für eine Erhöhung der Impfquote sorgen. 

Mit dem AMVSG werden auch die Ausschreibungen für Zyto-Zubereitungen auf Apothekenebene abgeschafft. Während hier eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, was mit den bestehenden Altverträgen geschieht – sie werden mit Ablauf des dritten Monats nach Inkrafttreten des AMVSG unwirksam – gibt es für die Impfstoff-Verträge keine entsprechende Vorgabe. In der Begründung heißt es lediglich: „Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden“.

Kassen müssen wieder alle Impfstoffe erstatten

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Michalk erklärt nun in einer Pressemitteilung, dass bestehende Vereinbarungen auslaufen werden – und sobald das AMVSG in Kraft getreten ist, können neben den rabattierten Impfstoffen auch individuelle Impfungen über die Kassen abgerechnet werden. Jeder Impfstoffhersteller könne jetzt seine Impfstoffe auf dem Markt anbieten. 

Dies stellt auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einem erklärenden Schreiben klar, das DAZ.online vorliegt. Die Exklusivität der Rabattverträge wird mit Inkrafttreten des AMVSG fallen (anders als bei den Zyto-Verträgen, die jedoch in ihrer Laufzeit beschränkt werden). Es tritt nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft – voraussichtlich im Laufe des Aprils. Eine Verlängerung der laufenden Verträge ist ausgeschlossen, auch wenn sie eine solche Option vorsehen. Das Ministerium stellt klar: Die Kassen müssen die verordneten Impfstoffe erstatten, soweit die Leistung im Rahmen der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgt.  

Das Ministerium geht davon aus, dass es noch Verträge gibt, die bis zur Saison 2018/2019 laufen, in Niedersachsen sogar bis 2019/2020. Dass Ärzte alsbald alle Impfstoffe verordnen können, wird sich daher auf die Abgabemengen der Hersteller mit Rabattverträgen auswirken. Diese Rabattverträge enthielten aber keine konkreten Mengenvorgaben – die Mengenplanung sei Sache des Herstellers. Das BMG geht davon aus, dass die Krankenkassen sich weiterhin dafür einsetzen werden, dass rabattierte Impfstoffe zur Anwendung kommen. Wie dies allerdings genau geschehen könnte, bleibt offen. Eine etwaige Anpassung oder Aufhebung bestehender Verträge sei jedenfalls Angelegenheit der Vertragspartner selbst.

Bei GlaxoSmithKline begrüßt man die bevorstehenden Änderungen: „Dies stellt grundsätzlich die bestmögliche Versorgung aller in Deutschland lebenden Menschen sicher und gibt den Ärzten die Therapiehoheit zurück", freut sich Jens Vollmar, Medzinischer Leiter Impfstoffe bei GSK. „Die Gesetzesänderung gewährleistet damit auch gesetzlich versicherten Patienten wieder den Zugang zu Innovationen, der ihnen in den letzten Jahren durch ausschließlich preisorientierte Ausschreibungen versagt war.” Mit der Neuerung wird den Ärzten nämlich auch ermöglicht, tetravalente Grippeimpfstoffe zu verschreiben, die einen breiteren Schutz bieten als die rabattierten trivalenten Vakzine. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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