- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Massive Eingriffe bei der...
Österreich
Massive Eingriffe bei der Erstattung von Arzneimitteln befürchtet
In Österreich sorgt ein Gesetzentwurf für Furore, nach dem Pharmakonzerne den Krankenkassen für ihre Medikamente künftig maximal den EU-Durchschnittspreis verrechnen dürften. Die Industrie läuft gegen dieses Ansinnen geschlossen Sturm.
Noch in diesem Frühjahr könnte in Österreich ein Gesetz beschlossen werden, das massiv in die bestehenden Regularien für die Preisbildung und Erstattung bei Arzneimitteln eingreift. Nach einer Pressemitteilung des Branchenverbandes Pharmig sehen sämtliche Vertreter der Pharmawirtschaft für Einschnitte, die der Entwurf einer Novelle des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) vorsieht, keine wirtschaftliche Notwendigkeit.
Der vom österreichischen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) eingebrachte Gesetzesentwurf soll unter maßgeblichem Einfluss des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger zustandegekommen sein, beklagt der Pharmaverband Pharmig.
Rechtsgutachten in Auftrag gegeben
Der Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) Manuel Reiberg bekräftigt, dass die gesamte Pharmawirtschaft sich ihrer Verantwortung bewusst sei, die hohe Qualität des österreichischen Gesundheitswesens für die Zukunft abzusichern. „Aber das kann uns nur mit- und nicht gegeneinander gelingen“. sagt Reiberg. Außerdem vermisst er in dem Gesetzesentwurf die Sorgfalt für die österreichischen Patienten und sieht den Zugang zu innovativen Therapien als gefährdet an.
Wie der österreichischen Presse zu entnehmen ist, soll das FOPI ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben haben, in dem der Linzer Universitätsprofessor Michael Mayerhofer zu dem Schluss kommt, dass die geplante ASVG-Novelle „nicht im Einklang mit dem Unionsrecht“ sei und gegen die Warenverkehrsfreiheit in der EU verstoße.
Haushaltsüberschuss und trotzdem sparen?
Sylvia Hofinger vom Fachverband der chemischen Industrie (FCIO) führt ins Feld, dass der Hauptverband für das letzte Jahr einen Haushaltsüberschuss von voraussichtlich 81 Millionen vermeldet habe. Außerdem verweist sie auf eine Studie des Instituts für pharmakoökonomische Forschung (IPF), nach der die Kosten der heimischen Arzneimittel pro Packung deutlich unter dem EU-15 Schnitt liegen, obwohl Österreich gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner das viertreichste Land der EU ist. „Weitere massive Preiseingriffe können dazu führen, dass neue Produkte für die österreichischen Patienten nicht mehr so rasch wie bisher zur Verfügung stehen und Österreich damit seinen Spitzenplatz bei der Versorgung mit innovativen Arzneimitteln verliert“, befürchtet Hofinger.
Warum gerade der Großhandel von den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen besonders betroffen sein soll, erklärt der Präsident des Verbandes der Arzneimittelvollgroßhändler PHAGO Andreas Windischbauer: „Der steigende Einsatz von extrem preisgünstigen Generika reicht nicht mehr aus, die variablen Kosten im Arzneimittelvollgroßhandel abzudecken. Bereits jetzt liegt die Großhandelsspanne für die Hälfte aller Krankenkassen-Packungen unter den Porto-Kosten eines Standardbriefes. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, können wir den Versorgungsauftrag als kritische Infrastruktur für Österreich nicht mehr aufrechterhalten.“
Kampfansage an die Politik
Die Pharmawirtschaft habe sich über die gesamte Dauer der Gespräche mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen für eine zukunftsorientierte Lösung im Sinne der Systempartner eingesetzt, lässt Pharmig weiter wissen.
„Wir
brauchen ein ausbalanciertes Gesetz, damit die Unternehmen auch ihrem
Versorgungsauftrag nachkommen können.“ fordert dessen Generalsekretär Jan Oliver
Huber. „Es darf nicht sein, dass aufgrund schärfster gesetzlicher Vorgaben
Produkte in Österreich nicht verfügbar sind. Die gesamte Pharmawirtschaft wird
daher unter keinen Umständen ein Gesetz mittragen, das die Versorgung der
Patienten mit medikamentösen Therapien gefährden würde, lautet Hubers Kampfansage
an die Politik. Er bleibe allerdings zuversichtlich, dass es letztlich eine
ausgewogene Lösung geben werde.
Sovaldi „teuer wie Gold“
In einem jüngeren Pressebericht heißt es unter Berufung auf den Hauptverband der Sozialversicherungsträger, dass sich vor allem die Preise für teure Medikamente in Österreich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verfünffacht hätten. Das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi sei „teuer wie Gold“, wird die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse Ingrid Reischl zitiert.
Die Medikamentenpreise werden in Österreich derzeit mithilfe eines Erstattungskodex geregelt. Darin sind alle Medikamente aufgelistet, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Zuvor prüft der Hauptverband den Nutzen der neuen Medikamente. Immer öfter soll es jedoch vorkommen, dass sich Pharmafirmen diesem Prozedere nicht mehr unterwerfen.
Sie brächten teure Medikamente auf den Markt und die Krankenkassen damit unter Zugzwang, die sich schließlich vor Ärzten und Patienten legitimieren müssten.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.