Apothekenthema im Koalitionsausschuss

Das sind die Last-Minute-Forderungen zum Rx-Versandverbot

Berlin - 29.03.2017, 17:30 Uhr

Auf geht's in den Ausschuss: CSU-Chef Horst Seehofer (li.), Kanzlerin Angela Merkel  und SPD-Chef Martin Schulz (re.) könnten am heutigen Mittwochabend das Rx-Versandverbot beschließen. (Foto: dpa)

Auf geht's in den Ausschuss: CSU-Chef Horst Seehofer (li.), Kanzlerin Angela Merkel  und SPD-Chef Martin Schulz (re.) könnten am heutigen Mittwochabend das Rx-Versandverbot beschließen. (Foto: dpa)


Die Spannung steigt. Am heutigen Mittwochabend treffen sich die Parteispitzen der drei Regierungsparteien (CDU, CSU und SPD), um über strittige Punkte in der Gesetzgebung zu entscheiden. Mit dabei: Das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vorgelegte Rx-Versandverbot. In den Stunden davor positionieren sich nochmals Apotheker, Kassen und Politik. Wer will was? DAZ.online hat sich die Last-Minute-Forderungen angeschaut.

Bis in die tiefen Nachtstunden dürften die Koalitionäre tagen. Mit dabei auch zum ersten Mal: SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender Martin Schulz. Aber auch CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel werden natürlich erwartet. Hinzu kommen die Fraktionschefs beider Regierungsfraktionen Thomas Oppermann (SPD) und Volker Kauder (CDU) sowie Vertreter der Parteien aus den Ländern.

Die CSU hatte das von der Union geforderte und von der SPD abgelehnte Rx-Versandverbot auf die Liste der zu verhandelnden Themen gesetzt. Beide Unionsparteien dürften ein Interesse daran haben, dass das Verbot konsentiert wird. Im Koalitionsausschuss besteht allerdings ein „Geben und Nehmen“: Will die Union das Verbot haben, müsste sie sich wahrscheinlich von einer anderen Forderung trennen. Mit im Topf soll auch die von der SPD geforderte „Ehe für alle“ sein, bei der die Union wiederum nicht nachgeben will. Verhandlungsgegenstand sind auch eine Neuregelung bei Teilzeitbeschäftigungen, die Mietpreisbremse und eine härtere Ahndung von Einbruchsdiebstählen.

In den vergangenen Stunden haben Verbände und Politiker auf beiden Seiten des Versandverbotes noch einmal die Werbetrommel gerührt. Das sind die Last-Minute-Forderungen:

Die ABDA hat in den vergangenen Tagen noch einmal alle (!) Bundestagsabgeordneten persönlich angeschrieben. In dem Brief weisen die Apotheker darauf hin, dass das Verbot aus Gründen des Verbraucherschutzes benötigt werde. Ausländische Versandapotheken hätten den 2004 gefundenen Kompromiss „aufgekündigt“, nach dem der Rx-Versand erlaubt wurde, wenn gleichzeitig die Festpreise gelten würden.

ABDA verschickt Broschüre an alle MdBs

Viel Geld muss die ABDA auch in eine Broschüre gesteckt haben, die sie mit dem Brief an alle Abgeordneten verschickte. In dem 20-seitigen Papier werden die bekanntesten Gegenargumente zum Verbot mit Darstellungen der ABDA widerlegt. Dass der Rx-Versand nicht verboten werden könne, weil das unzeitgemäß sei, entkräftet die ABDA damit, indem sie den Versandhandel im Rx-Bereich als „analogen Vorgang“ bezeichnet. Spannend ist auch, dass die ABDA der Behauptung widerspricht: „Ausländische Versender leisten in Deutschland einen volkswirtschaftlichen Beitrag und zahlen Steuern wie jede andere Apotheke auch.“ Die ABDA gibt zwar zu, dass DocMorris und Co. hierzulande die Mehrwertsteuer abführen. Aber nur die Apotheke vor Ort zahle die „Gewerbesteuer und andere Steuern“ an den deutschen Fiskus.

Außerdem widerspricht die ABDA in ihrer neuen Broschüre auch den Behauptungen, dass der Rx-Versand für die Landversorgung benötigt werde, dass das Verbot rechtlich nicht möglich sei, dass Rx-Boni Einsparungen für die Kassen ermöglichten und dass der Versandhandel keine Gefahr für die Apotheker darstelle.

NRW: Alle bis auf die FDP für das Verbot

Auch in den Bundesländern wurden die Apotheker kurz vor der Entscheidung noch einmal aktiv. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen sind die Pharmazeuten noch einmal auf die Barrikaden gegangen. So verabschiedeten die Apothekerverbände in Essen, Mühlheim, Oberhausen, Köln und Düsseldorf in den vergangenen Tagen Resolutionen oder Erklärungen, die sich für den Erhalt der Preisbindung und das Rx-Versandverbot aussprechen.

Mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen veranstaltete die Apothekerkammer Westfalen-Lippe am vergangenen Montag eine politische Diskussionsrunde mit den gesundheitspolitischen Sprechern der im Landtag vertretenen Fraktionen. Auch Barbara Steffens (Grüne), Gesundheitsministerin in NRW, erschien. Mit Ausnahme der FDP sprachen sich alle anwesenden Politiker erneut für das Verbot aus. SPD-Politiker Michael Scheffler erklärte zum Dissens mit seiner Bundestagsfraktion: „Wir werden die Bedeutung des Versandhandelsverbotes weiterhin auf die Bundesebene tragen. Wir nutzen aus Nordrhein-Westfalen dazu unsere politischen Stränge.“ Die SPD sei jedoch auf allen Ebenen eine demokratische Partei, und man könne nicht einfach von NRW aus den Kollegen im Bund vorschreiben, was diese zu tun hätten. Die FDP’lerin Susanne Schneider hingegen konstatierte: „Wir sind eine Partei des Wettbewerbs. Und Sie können nicht von uns erwarten, dass die FDP, die sich regelmäßig gegen alle Reglementierungen ausspricht, hier nach einem Verbot schreit.“

KKH: Kein Artenschutz für Apotheker

Auch aus der CSU gab es am heutigen Mittwoch nochmals die Zusicherung für die Apotheker, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Georg Nüßlein, zum Rx-Versandverbot stehe. „Die Zeit läuft uns davon, die Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken für die Menschen auf dem Land sicherzustellen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. „Ich appelliere eindringlich an die SPD, einzulenken und das Versandhandelsverbot zu ermöglichen, um die Land-Apotheken zu schützen“, erklärte Nüßlein. Auch die Freien Wähler im bayerischen Landtag sind für ein Verbot. Über eine Pressemitteilung ließ Karl Vetter, gesundheitspolitischer Sprecher der Partei, mitteilen: „Es kann nicht angehen, dass eine ausländische Versandapotheke Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren darf, die kleine Apotheke vor Ort aber nicht. Faire Wettbewerbsbedingungen müssen für alle gelten.“

Natürlich wurden aber auch noch einmal die Gegner des Rx-Versandverbotes tätig. Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (Mitglied des Haushaltsausschusses) twitterte am gestrigen Dienstag: „Das Verbot des Arzneimittel-Internetversandhandels im 21. Jahrhundert ist absurd. Selbst das Finanzministerium macht da nicht mit.“

Gegenwind gab es auch von den Krankenkassen. Ingo Kailuweit, Chef der KKH Kaufmännische Krankenkasse, teilte via Pressemitteilung mit:  „Es kann im 21. Jahrhundert keinen Artenschutz für Apotheker geben. Sie müssen sich mit Leistung und Service behaupten. Der Einzelhandel bekommt ja auch nicht die Konkurrenz durch Amazon verboten. Grundsätzlich wünschen wir uns als Krankenkasse mehr Wettbewerb, um für unsere Versicherten den besten und günstigsten Preis gewährleisten zu können. Gerade für chronisch Kranke, die dauerhaft gleiche Medikamente benötigen, hat der Versandhandel enorme Bedeutung. Die Bundesregierung versäumt es aktuell, frühzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Ein Versandhandelsverbot passt nicht in unsere Zeit.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Vor und Zumame

von Frank Ebert am 30.03.2017 um 7:35 Uhr

Hallo Daz Redaktion : sind Steffi und Marius Vor -und Zuname ? Dann schreibe ich wieder unter Bert.

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Unglaublich

von hanfti am 29.03.2017 um 19:48 Uhr

Ein Haushaltspolitiker der auf Steuereinnahmen verzichtet. Eine Vertreter der KK der das Beste für die Kranken will aber nur von Anderen.

Dem einen etwas erlauben, was man dem Anderen nict zugesteht ist ungerecht.

Offensichtlich sind die überwiegenmden Länder der EU "Dummköpfe" ,denn die vernichten nicht ihre Apotheken indem sie Sonderregelungen für ausländische Versandhändler schaffen

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Bitte kein Rx-Versandverbot

von Steffi am 29.03.2017 um 19:13 Uhr

Sollen chronisch Kranke nicht die Wahl haben einige Euros zu sparen. Ein Verbot trifft die alten und schwachen. Die Altersarmut steigt immer weiter. Und gerade diejenigen die nicht zuzahlungsbefreit sind oder Mehrkosten leisten müssen trifft ein Verbot. Im 21 Jahundert ist dies auch nicht mehr zeitgemäß. Da sollen eher andere Lösungen her.

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AW: Bitte kein Rx-Versandverbot

von Marius am 30.03.2017 um 3:29 Uhr

Man könnte auch einfach mal die MwSt reduzieren. Deutschland hat hier mit die höchsten MwSt auf Medikamente in Europa. Und wenn die Belastung bei Chronikern zu hoch ist, sollte hier ein Kompromiss gefunden werden. Versand ist nur dann fair, wenn sich alle an die Spielregeln halten würden. Aber diese Forderung ist utopisch. Ich gebe Ihnen Recht, dass Chroniker entlastet werden sollen. Aber das muss nicht zwangsläufig durch den Versand stattfinden. Denn unter den unfairen Bedingungen leidenicht die kleinen Apotheken auf dem Land und folglich dann auch die Patienten dort.

AW: Bitte kein Rx-Versandverbot

von Anita Peter am 30.03.2017 um 5:37 Uhr

Die chronisch Kranken sind die größten Profiteure am Solidarsystem. Die Gemeinschaft kommt für ihre Medikamente auf. Das sind mehrere tausend Euro pro Jahr. Chroniker haben zudem nur 1% Belastungsgrenze. Aber in Deutschland muss alles kostenlos sein, auch wenn dadurch Strukturen zerstört werden. Ich hoffe sie verzichten dann freiwillig auf BTMs / NN / Rezepturen etc.

Schachern

von Frank ebert am 29.03.2017 um 17:51 Uhr

Homo-Ehe gegen RX-Versandverbot. Dämmung der Häuser gegen RX-Versandvorbot. Managergehälter begrenzen gegen RX-Versandverbot . Ein Irrenhaus ! Weiß gar nicht was bei Clinton gegen Trump anders ist wiie bei Merkel gegen Schulz. Es ist so traurig.

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