Arzneimittelkosten

Mondpreise oder sinkendes Preisniveau?

München - 20.04.2017, 17:50 Uhr

Zu teuer oder zu billig? Was die Arzneimittelpreise angeht, haben Hersteller und Kassen naturgemäß unterschiedliche Sichtweisen. (Foto: athomass / Fotolia)

Zu teuer oder zu billig? Was die Arzneimittelpreise angeht, haben Hersteller und Kassen naturgemäß unterschiedliche Sichtweisen. (Foto: athomass / Fotolia)


Das Preisniveau für neue Arzneimittel in Deutschland sinkt. Mittlerweile liege die Preise im europäischen Mittelfeld oder sogar darunter. Das berichten die Herstellerverbände vfa und BAH. Die gesetzlichen Krankenkassen hingegen halten die Preise für Innovationen weiterhin für zu hoch. Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen weiter an, kritisieren sie.

Deutschland ein Hochpreisland? Zumindest für Arzneimittel trifft dies nicht zu, folgt man einer aktuellen Mitteilung des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa). Der hat nämlich festgestellt, dass das Preisniveau für neue Arzneimittel in Deutschland sinkt. Mittlerweile liege Deutschland hier im europäischen Mittelfeld oder sogar darunter: „Die Preise, die im deutschen Markt für neue Medikamente erstattet werden, fallen deutlich geringer aus als in 15 europäischen Vergleichsländern“, so der vfa. Mehr als zwei Drittel lägen unterhalb des Durchschnitts in den Nachbarländern, ein Drittel der hiesigen Arzneimittelpreise seien sogar die niedrigsten.

Eine ähnliche Entwicklung beobachtet der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Dieser berichtet, dass sich in den vergangenen 15 Jahren die Ausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleichbleibend zu anderen Leistungsbereichen entwickelt hätten, im Jahr 2016 jedoch nur unterdurchschnittlich gestiegen seien. Während die Ausgaben für Nettoverwaltungskosten der Krankenkassen im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent kletterten, seien die Arzneimittelausgaben der GKV lediglich um 3,1 Prozent pro Versichertem gestiegen.

Entspannung bei Hepatitis-C-Präparaten

Besonders deutlich zeigt sich die Preis-Entspannung bei Hepatitis-C-Arzneimitteln. Dort, so der vfa, sinken die Preise durch den entstandenen Wettbewerb. Immer neue Medikamente kämen in dieser Indikation auf den Markt. Außerdem sei der Verbrauch von Hepatitis-C-Arzneimitteln inzwischen deutlich gesunken, da viele Patienten nach ihrer Heilung keine weiteren Medikamente benötigten. Deshalb seien die Ausgaben der Krankenkassen für diese Medikamente 2016 spürbar zurückgegangen. Zur Erinnerung: Als Gilead Sciences seine neue Hepatitis-C-Therapie 2014 in Europa einführte, kostete eine Tablette anfangs noch rund 700 Euro, eine 24-Wochen-Therapie rund 100.000 Euro. 

Kassen beklagen steigende Gesamtausgaben

Damit bewerten die Herstellerverbände die Lage gänzlich anders als beispielsweise die DAK. Die Kasse hatte am gestrigen Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung des AMNOG-Reports 2017 die „Mondpreise“ bei neuen Arzneimitteln kritisiert. Die Arzneimittelausgaben im Gesundheitssystem stiegen trotz  gesetzlicher Regularien seit Jahren. Das aktuelle Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz biete kaum Möglichkeiten die steigenden Ausgaben für Arzneimittel einzudämmen, erklärt die Kasse.
Ein ähnliches Bild von den Arzneimittelpreisen zeichnet der GKV-Spitzenverband. Zwar bestätigte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, kürzlich, dass sich die hohen Ausgabenzuwächse aus früheren Jahren wie zum Beispiel für neue Hepatitis-C-Arzneimittel abgeschwächt hätten. Insgesamt, so der Verband, seien die Arzneimittelausgaben in Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch gestiegen. Lagen diese 2011 noch bei 29,12 Milliarden Euro, betrug deren Wert im Jahr 2015 rund 34,8 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr machten die Ausgaben dann nochmal einen deutlichen Sprung, nämlich um rund 1,5 Milliarden Euro auf 36,3 Milliarden Euro. Die Entspannung bei den Arzneimittelpreisen gibt also offenbar nur relativ, nicht aber in absoluten Zahlen.  

Paralellhandel hat sich umgedreht

Zudem hat das vergleichsweise niedrige Preisniveau in Deutschland nach Angaben des vfa dazu geführt, dass sich inzwischen der Parallelhandel „völlig umgedreht“ hat. Die offiziellen Anmeldungen bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zeigten mit 70 Prozent mehr als doppelt so viele Ausfuhren wie Einfuhren an. Dies belege, dass das Preisniveau innovativer Arzneimittel in Deutschland so niedrig sei, dass sich für Parallelhändler die Ausfuhr in andere europäische Länder lohne, was hierzulande als mit einer der Gründe für Lieferengpässe gilt. 



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

DAK-Gesundheit kritisiert fehlendes Einsparpotenzial beim AMVSG / vfa: Preise im europäischen Mittelfeld

Mondpreise versus sinkendes Preisniveau

Finanzergebnisse der GKV im 1. Quartal 2017

AOK-Ausgaben für Arzneimittel sind gesunken

AOK-Institut analysiert Ausgaben für Patentarzneimittel / Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie bestreitet „Kostenexplosion“

„Immer mehr Geld für immer weniger Versorgung“

Arzneimittel-Atlas des vfa analysiert Arzneimittelausgaben der GKV

Einsparungen kompensieren Mehrkosten

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.