Verordnung für den Praxisbedarf

Wie weit geht das Rezeptur- und Defekturprivileg der Apotheken?

Berlin - 24.04.2017, 14:00 Uhr

 Wie viele Spritzen – und für wen – darf eine Apotheke ohne besondere Zulassung anfertigen? (Foto: Svetlana Anikina / Fotolia)

Wie viele Spritzen – und für wen – darf eine Apotheke ohne besondere Zulassung anfertigen? (Foto: Svetlana Anikina / Fotolia)


Bei Rezepturarzneimitteln muss der Patient bekannt sein

Das Gericht führt in seinem Urteil aus, bei „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ handle es sich im Umfang der tatsächlichen Herstellung nicht um ein Arzneimittel, das „im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs“ hergestellt werde und damit keiner Herstellungserlaubnis bedürfe. Ein Rezepturarzneimittel sei es nicht, weil die Verschreibung nicht für einen bestimmten Patienten ausgestellt ist. Dazu heißt es im Urteil: „In Abgrenzung zum Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG zeichnen sich Rezepturarzneimittel durch die Patientenindividualität der Herstellung aus. Wesentliches Kennzeichen des Rezepturarzneimittels ist es, dass der Empfänger des herzustellenden Arzneimittels schon bei Beginn des Herstellungsvorgangs bekannt ist“.

Eine Auslegung des Begriffs „Rezepturarzneimittel“ dahingehend, dass die Herstellung aufgrund einer Verschreibung „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ für eine Mehrzahl noch nicht feststehender Patienten erfolgen könne, widerspreche dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG, der Apotheken bei der Herstellung privilegiert. „Diese Privilegierung verlangt, um Missbrauch zu vermeiden, eine restriktive Anwendung auf klar umgrenzte Ausnahmefälle“, so die Richter. Die für Rezepturarzneimittel bestehenden Abgrenzungsmerkmale der nicht im Voraus erfolgenden Herstellung und der Patientenindividualität dürften nicht durch von den Ärzten erfolgende Verschreibungen „für den Praxisbedarf“ aufgegeben und in das Belieben der verschreibenden Ärzte überführt werden.  

Auszug aus dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)

§ 13 Herstellungserlaubnis

(1) Wer

1. Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1,

2. Testsera oder Testantigene,

3. Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind oder die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, oder

4.  andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft

gewerbs- oder berufsmäßig herstellt, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. (…)

 (2) Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf nicht

1. der Inhaber einer Apotheke für die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs, oder für die Rekonstitution oder das Abpacken einschließlich der Kennzeichnung von Arzneimitteln, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind, sofern dies dem Prüfplan entspricht,

(…)

Europarechtskonforme Auslegung

Das Gericht sieht in der weiten Auslegung des Begriffes Rezepturarzneimittel einen Verstoß gegen den europäischen Humanarzneimittelkodex (Richtlinie 2001/83/EG). Denn soweit sich aus dem Wortlaut der Definition für ein Rezepturarzneimittel nach § 1a Abs. 8 ApoBetrO nicht unmittelbar ergebe, dass die Person des Patienten zu Herstellungsbeginn bekannt sein müsse, folge dies aus der gebotenen europarechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift. Denn dem Rezepturarzneimittel nach der Apothekenbetriebsordnung entspreche die Definition der Ausnahme nach Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2001/83/EG: Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis). Eine Auslegung in der Weise, dass der Arzt mit der Verschreibung „für den Praxisbedarf“ als „Patient“ im Sinne der Vorschrift gelten könne, sei mit dem Wortlaut unvereinbar, so das Verwaltungsgericht.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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