Verordnung für den Praxisbedarf

Wie weit geht das Rezeptur- und Defekturprivileg der Apotheken?

Berlin - 24.04.2017, 14:00 Uhr

 Wie viele Spritzen – und für wen – darf eine Apotheke ohne besondere Zulassung anfertigen? (Foto: Svetlana Anikina / Fotolia)

Wie viele Spritzen – und für wen – darf eine Apotheke ohne besondere Zulassung anfertigen? (Foto: Svetlana Anikina / Fotolia)


Zu viel für die Defektur – Arzt ist nicht „Verbraucher”

Auch als zulassungsbefreites Defekturarzneimittel lässt das Gericht die Spritzen nicht gelten. Denn mit dem Begriff der „abgabefertigen Packung“ sei, wie sich aus dem Zweck der Privilegierung der Arzneimittelherstellung in Apotheken ergebe, eine Patientenportion gemeint. Die mengenmäßige Begrenzung diene der Abgrenzung zur Serienherstellung von Fertigarzeneimitteln, Abgabefertige Packungen seien solche, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt seien, nicht aber überdimensionierte Klinikpackungen. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, den für seinen Praxisbedarf verschreibenden Arzt in diesem Sinne als Verbraucher anzusehen. Denn der Praxisbedarf lasse sich mit einer Begrenzung der täglichen Herstellung auf 100 Patientenportionen decken.

Außerdem verweist das Verwaltungsgericht auf eine recht frische Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Oktober 2016: Danach steht die für Defekturarzneimittel geltende Hunderterregel mit dem Humanarzneimittelkodex insoweit in Einklang, als Defekturarzneimittel, die im Rahmen dieser Mengenbegrenzung hergestellt werden, nicht als gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet anzusehen sind. Sie fallen damit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Hunderterregel, so das Verwaltungsgericht, diene demnach der Abgrenzung der handwerklichen Herstellung von Arzneimitteln in Kleinstmengen von der industriellen Arzneimittelherstellung. Die Herstellung behalte aber nur den handwerklichen Charakter, wenn die hergestellten Mengen auch hinsichtlich der abgabefertigen Einheiten in einem klar umgrenzten Rahmen blieben. Eine klare Abgrenzung der erlaubnisfrei herstellbaren Mengen lasse sich im vorliegenden Fall nur durch die Begrenzung der abgabefertigen Einheit auf einen Patienten erreichen. Ein „Indiz“ für eine nicht mehr handwerkliche, sondern bereits industrielle Herstellung von „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ sei im übrigen, dass die Apotheke des Klägers für die Befüllung der 64 Einmalglasfertigspritzen auf den Spritzentrays besondere Apparaturen benötige.

Bei den Darmspülpulvern sieht das Gericht  die für Defekturarzneimittel geltende Grenze von einhundert abgabefertigen Packungen pro Tag ebenfalls überschritten. Denn nach seiner Auffassung bilden jeweils nur zwei beziehungsweise vier Beutel eine Patientenportion und damit eine abgabefertige Packung – nicht aber eine Packung für die Arztpraxis, die aus zwei oder vier Mal 108 Beuteln besteht.  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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