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Urteil gegen Homöopathikum
Weder „100% natürlich“ noch effektiv oder bestens verträglich
Womit dürfen Homöopathie-Hersteller werben? Die Firma PharmaFGP musste kürzlich eine herbe Schlappe vor dem Oberlandesgericht München einstecken: Ganze elf von zwölf Werbesprüchen für das bei Kopfschmerzen zugelassene Homöopathikum Neodolor verboten ihr die Richter. Schon die Vorinstanz hatte unter Verweis auf fehlende Studien mehrere Aussagen als irreführend angesehen.
Es war kein Weihnachtsgeschenk für den Arzneimittelhersteller PharmaFGP, das das Landgericht München I am 20. Dezember 2016 bereithielt. Mit „Neodolor – die natürliche Kopfschmerztablette“ warb die Firma bislang auf ihrer Homepage für ihr homöopathisches Präparat, das „stark“ gegen „allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen“ wirke. Insgesamt fünf werbende Aussagen auf ihrer Homepage verbot das Gericht im Zuge eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, das der Verein für lautere Arzneimittelwerbung Integritas angestrengt hatte (Az. 33 O 15788/16). In dem Verein sind unter anderem der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie vertreten – und somit mehr als jeder zweite Arzneimittelhersteller.
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Durch die Bewerbung als „natürlich“ – wie auch durch grüne Farbelemente auf der Homepage – werde beim Verbraucher der Eindruck erweckt, dass nur natürliche Inhaltstoffe verwendet werden, argumentierten die Richter. Doch Neodolor enthält als Inhaltsstoff auch Magnesiumstearat, das mittels eines chemischen Verfahrens gewonnen werde.
Der Hersteller legte keine klinischen Studien vor
Irreführend und daher unerlaubt sei auch die Behauptung, dass das Präparat „stark gegen Kopfschmerzen wirkt“. Allgemein sei Werbung für Arzneimittel unzulässig, wenn Wirkungen beworben werden, die sie nicht haben – die Aussagen müssten gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. PharmaFGP hatte argumentiert, dass schon mit der Zulassung als homöopathisches Arzneimittel der Wirknachweis gegeben sei. Doch nach Ansicht der Richter ging die Bewerbung als „stark“ wirksam über die Zulassung hinaus – was von PharmaFGP nicht durch klinische Studien belegt worden sei.
Und die Aussage „es wirkt stark bei allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen – aber auf natürliche Art!“ ist nach Ansicht des Gerichts auch deshalb unerlaubt, weil nicht alle behandelbaren Kopfschmerzarten auch mit rezeptfreien Präparaten – wie Neodolor – behandelt werden können. „Die Unterstellung, der verständige Durchschnittsverbraucher würde erwarten, dass er mit einem Kopfschmerzmittel auch solche Kopfschmerzen behandeln könne, die objektiv nicht durch Kopfschmerzmittel zu behandeln seien, sei völlig lebensfremd“, zitierten die Richter des Landgerichts die erfolglose Argumentation von PharmaFGP. Sie verboten die Aussage – obwohl die Zulassung Kopfschmerzen, Migräne und Nervenschmerzen aufführt.
Die Aussage, das Präparat „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, sowie sechs weitere Werbeaussagen hielten die Richter jedoch für zulässig. Sowohl Integritas als auch PharmaFGP riefen die Berufungsinstanz an – und sollten von deren Entscheidung überrascht werden.
Die nächste Instanz griff noch härter durch
In seiner Entscheidung von der vergangenen Woche urteilte das Oberlandesgericht (OLG) München, dass bis auf eine alle zwölf von Integritas beanstandeten Werbeaussagen von der Neodolor-Homepage unzulässig seien (Az. 29 U 335/17). So auch „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“, „Effektiv gegen Kopfschmerzen“, „bestens verträglich“ oder „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“.
PharmaFGP argumentierte laut „Süddeutscher Zeitung“ wiederum, mit der Zulassung sei die Wirksamkeit anzunehmen – weitere Studien zum Präparat seien unnötig. „Dass eine Kommission anhand der Zutatenliste entscheidet, ob die Arznei bei der angegebenen Indikation helfen könnte – das ist einer der Gründe, warum der Senat am Ende nicht nur die fünf Werbeaussagen verbietet, die dem Landgericht zu dick aufgetragen waren, sondern gleich elf von zwölf, gegen die sich die Klage richtete“, berichtet die Zeitung aus der Verhandlung.
Integritas hatte in der Vorinstanz argumentiert, für die Aussagen „bestens verträglich“ oder „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“ fehle es an wissenschaftlich validen Studien. Auch habe PharmaFGP keine pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vorgelegt, die dies belegen – und die Firma habe die Zusammensetzung ohne weitere Überprüfungen der Zulassungsbehörde verändert. Der Argumentation schlossen sich die Richter des Oberlandesgerichts offenbar an, deren Urteilsgründe noch nicht vorliegen.
Vor Gericht spielte auch eine Rolle, dass in der Packungsbeilage stehe, dass das Präparat für Kinder und für Schwangere ebenso wenig empfohlen werde wie der gleichzeitige Konsum von Genussmitteln wie Alkohol, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. „Die gute Nachricht dabei für die Firma Pharma FGP in Gräfelfing: Sie muss nur ihre Werbung ändern“, heißt es in dem Artikel. „Das Rezept für Neodolor kann gleich bleiben, ...“
Der Hersteller will seine Werbung trotz des Urteils nur „wenig ändern“
PharmaFGP-Chef Clemens Fischer ist laut „Bunte“ mit Audi RS5 und Lizenz als Hubschrauberpilot auf der Überholspur zu Hause – wurde vom Gericht nun jedoch deutlich ausgebremst. Vom Urteil der Richter zeigt er sich „überrascht“, wie er gegenüber DAZ.online sagt. „Dass wir mit der Entscheidung des OLG München nicht zufrieden sind, ist, glaube ich, selbstverständlich“, erklärt er – und betont, dass in der Vorinstanz nur fünf statt elf Werbeaussagen verboten wurden. „Vielleicht hat sich das Gericht nicht optimal vorbereitet“, versucht er die Entscheidung der zweiten Instanz zu erklären.
Er betont, dass sich das OLG München auf die „konkrete Anzeige“ bezogen hätten – „nicht auf die Aussagen generell“, erklärt er. Die Wirksamkeit des Produktes Neodolor bei Kopfschmerzen habe das OLG München nicht bezweifelt, sagt Fischer. So werde die Firma die Bewerbung des Produktes nur „wenig ändern“, gleichzeitig aber „selbstverständlich“ das nun rechtskräftige Urteil beachten.
Gegenüber DAZ.online kündigt Fischer gleichzeitig an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen – so dass es mit dem Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht München I weitergehen wird. Doch in der darauffolgenden Instanz wird die Angelegenheit voraussichtlich wieder bei dem Senat des OLG landen, der für die aktuelle Schlappe von PharmaFGP verantwortlich war. Gut möglich, dass sich am Ende auch die Richter des Bundesgerichtshofs mit dem Fall beschäftigen müssen.
4 Kommentare
Lobby sichert sich wieder ihre Pfründe
von sorglos am 16.05.2017 um 6:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Lobby sichert sich wieder ihre Pfründe
von JohnDifool am 18.05.2017 um 19:21 Uhr
Gibt es da ein Verfahren?
von Klax am 12.05.2017 um 8:54 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Anscheinend nicht ...
von Jeanny am 12.05.2017 um 16:06 Uhr
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