Urteil gegen Homöopathikum

Weder „100% natürlich“ noch effektiv oder bestens verträglich

München - 11.05.2017, 09:00 Uhr

Laut Firmenhomepage kann das Homöopathikum Neodolor wohl schon als Wundermittel angesehen werden. (Screenshot: DAZ.online)

Laut Firmenhomepage kann das Homöopathikum Neodolor wohl schon als Wundermittel angesehen werden. (Screenshot: DAZ.online)


Womit dürfen Homöopathie-Hersteller werben? Die Firma PharmaFGP musste kürzlich eine herbe Schlappe vor dem Oberlandesgericht München einstecken: Ganze elf von zwölf Werbesprüchen für das bei Kopfschmerzen zugelassene Homöopathikum Neodolor verboten ihr die Richter. Schon die Vorinstanz hatte unter Verweis auf fehlende Studien mehrere Aussagen als irreführend angesehen.

Es war kein Weihnachtsgeschenk für den Arzneimittelhersteller PharmaFGP, das das Landgericht München I am 20. Dezember 2016 bereithielt. Mit „Neodolor – die natürliche Kopfschmerztablette“ warb die Firma bislang auf ihrer Homepage für ihr homöopathisches Präparat, das „stark“ gegen „allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen“ wirke. Insgesamt fünf werbende Aussagen auf ihrer Homepage verbot das Gericht im Zuge eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, das der Verein für lautere Arzneimittelwerbung Integritas angestrengt hatte (Az. 33 O 15788/16). In dem Verein sind unter anderem der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie vertreten – und somit mehr als jeder zweite Arzneimittelhersteller.  

Durch die Bewerbung als „natürlich“ – wie auch durch grüne Farbelemente auf der Homepage – werde beim Verbraucher der Eindruck erweckt, dass nur natürliche Inhaltstoffe verwendet werden, argumentierten die Richter. Doch Neodolor enthält als Inhaltsstoff auch Magnesiumstearat, das mittels eines chemischen Verfahrens gewonnen werde. 

Der Hersteller legte keine klinischen Studien vor

Irreführend und daher unerlaubt sei auch die Behauptung, dass das Präparat „stark gegen Kopfschmerzen wirkt“. Allgemein sei Werbung für Arzneimittel unzulässig, wenn Wirkungen beworben werden, die sie nicht haben – die Aussagen müssten gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. PharmaFGP hatte argumentiert, dass schon mit der Zulassung als homöopathisches Arzneimittel der Wirknachweis gegeben sei. Doch nach Ansicht der Richter ging die Bewerbung als „stark“ wirksam über die Zulassung hinaus – was von PharmaFGP nicht durch klinische Studien belegt worden sei.  

Und die Aussage „es wirkt stark bei allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen – aber auf natürliche Art!“ ist nach Ansicht des Gerichts auch deshalb unerlaubt, weil nicht alle behandelbaren Kopfschmerzarten auch mit rezeptfreien Präparaten – wie Neodolor – behandelt werden können. „Die Unterstellung, der verständige Durchschnittsverbraucher würde erwarten, dass er mit einem Kopfschmerzmittel auch solche Kopfschmerzen behandeln könne, die objektiv nicht durch Kopfschmerzmittel zu behandeln seien, sei völlig lebensfremd“, zitierten die Richter des Landgerichts die erfolglose Argumentation von PharmaFGP. Sie verboten die Aussage – obwohl die Zulassung Kopfschmerzen, Migräne und Nervenschmerzen aufführt.

Die Aussage, das Präparat „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, sowie sechs weitere Werbeaussagen hielten die Richter jedoch für zulässig. Sowohl Integritas als auch PharmaFGP riefen die Berufungsinstanz an – und sollten von deren Entscheidung überrascht werden. 

Die nächste Instanz griff noch härter durch

In seiner Entscheidung von der vergangenen Woche urteilte das Oberlandesgericht (OLG) München, dass bis auf eine alle zwölf von Integritas beanstandeten Werbeaussagen von der Neodolor-Homepage unzulässig seien (Az. 29 U 335/17). So auch „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“, „Effektiv gegen Kopfschmerzen“, „bestens verträglich“ oder „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“.

PharmaFGP argumentierte laut „Süddeutscher Zeitung“ wiederum, mit der Zulassung sei die Wirksamkeit anzunehmen – weitere Studien zum Präparat seien unnötig. „Dass eine Kommission anhand der Zutatenliste entscheidet, ob die Arznei bei der angegebenen Indikation helfen könnte – das ist einer der Gründe, warum der Senat am Ende nicht nur die fünf Werbeaussagen verbietet, die dem Landgericht zu dick aufgetragen waren, sondern gleich elf von zwölf, gegen die sich die Klage richtete“, berichtet die Zeitung aus der Verhandlung.

Integritas hatte in der Vorinstanz argumentiert, für die Aussagen „bestens verträglich“ oder „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“ fehle es an wissenschaftlich validen Studien. Auch habe PharmaFGP keine pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vorgelegt, die dies belegen – und die Firma habe die Zusammensetzung ohne weitere Überprüfungen der Zulassungsbehörde verändert. Der Argumentation schlossen sich die Richter des Oberlandesgerichts offenbar an, deren Urteilsgründe noch nicht vorliegen.

Vor Gericht spielte auch eine Rolle, dass in der Packungsbeilage stehe, dass das Präparat für Kinder und für Schwangere ebenso wenig empfohlen werde wie der gleichzeitige Konsum von Genussmitteln wie Alkohol, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. „Die gute Nachricht dabei für die Firma Pharma FGP in Gräfelfing: Sie muss nur ihre Werbung ändern“, heißt es in dem Artikel. „Das Rezept für Neodolor kann gleich bleiben, ...“

Der Hersteller will seine Werbung trotz des Urteils nur „wenig ändern“

PharmaFGP-Chef Clemens Fischer ist laut „Bunte“ mit Audi RS5 und Lizenz als Hubschrauberpilot auf der Überholspur zu Hause – wurde vom Gericht nun jedoch deutlich ausgebremst. Vom Urteil der Richter zeigt er sich „überrascht“, wie er gegenüber DAZ.online sagt. „Dass wir mit der Entscheidung des OLG München nicht zufrieden sind, ist, glaube ich, selbstverständlich“, erklärt er – und betont, dass in der Vorinstanz nur fünf statt elf Werbeaussagen verboten wurden. „Vielleicht hat sich das Gericht nicht optimal vorbereitet“, versucht er die Entscheidung der zweiten Instanz zu erklären.

Er betont, dass sich das OLG München auf die „konkrete Anzeige“ bezogen hätten – „nicht auf die Aussagen generell“, erklärt er. Die Wirksamkeit des Produktes Neodolor bei Kopfschmerzen habe das OLG München nicht bezweifelt, sagt Fischer. So werde die Firma die Bewerbung des Produktes nur „wenig ändern“, gleichzeitig aber „selbstverständlich“ das nun rechtskräftige Urteil beachten.

Gegenüber DAZ.online kündigt Fischer gleichzeitig an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen – so dass es mit dem Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht München I weitergehen wird. Doch in der darauffolgenden Instanz wird die Angelegenheit voraussichtlich wieder bei dem Senat des OLG landen, der für die aktuelle Schlappe von PharmaFGP verantwortlich war. Gut möglich, dass sich am Ende auch die Richter des Bundesgerichtshofs mit dem Fall beschäftigen müssen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Lobby sichert sich wieder ihre Pfründe

von sorglos am 16.05.2017 um 6:45 Uhr

Integritas - ein Verein von Arzneimittelherstellern und Pharmaindustrie. Klar, dass denen jedes Mittel Recht ist, um den Markt mit Schmerzmitteln zu sichern. Dass viele Menschen bereits abhängig von Paracetamol, Ibuprofen, Aspirin etc. sind, interessiert nicht. Dass täglich kurz vor den Nachrichten chemische Keulen beworben werden, dass die "gelbe Salbe" das nonplusultra sei...das ist alles legal. Homöopathische Arzneimittel waren und sind ein Dorn im Auge, weil sie die Margen schmälern könnten. Die Nebenwirkungen der NSAR und anderer sind egal, Hauptsache die Regale der Apotheken sind voll davon. Ich werde trotzdem weiter homöopathische Arzneimittel empfehlen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lobby sichert sich wieder ihre Pfründe

von JohnDifool am 18.05.2017 um 19:21 Uhr

PharmaFGP ist ebenso ein Arzneimittelhersteller und ein gewinnorientiertes Unternehmen der Pharmaindustrie wie die Mitglieder von Integritas, sowie auch sämtliche Hersteller von homöopathischen Präparaten. Hömöopathie ist ein Milliardengeschäft und sie verfügt demensprechend über eine kaum weniger mächtige Lobby als andere Pharmafirmen auch.

Aufgrund des Binnenkonsens im Arzneimittelgesetz benötigen homöopathische Mittel jedoch keinerlei wissenschaftlichen Nachweis ihrer Wirksamkeit! Das heißt, es reicht völlig aus, nur zu behaupten, dass ein neues homöopathisches Produkt wirksam sei, um es beim BfArM registrieren lassen zu können. Dagegen müssen die Hersteller echter Medizin jahrelang Millionen in Forschung und Entwicklung investieren, sowie für den Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit aufwenden, um überhaupt nur die Chance zur Zulassung ein neues Präparats zu bekommen. Danach müssen sich zunächst die Entwicklungskosten amortisieren und erst dann kann mit dem neuen Produkt endlich der erste Cent Gewinn erzielt werden.
Zur Registrierung eines neuen homöopathischen Präparats reicht dagegen schon eine Eingebung im Traum oder ähnliches völlig aus, solange kein anderer Homöopath irgendwelche Einwände hat.

Aus diesen und vielen anderen Gründen gehört der Binnenkonsens für besondere Therapierichtungen im deutschen Arzneimittelrecht endlich abgeschafft!

Gibt es da ein Verfahren?

von Klax am 12.05.2017 um 8:54 Uhr

"PharmaFGP hatte argumentiert, dass schon mit der Zulassung als homöopathisches Arzneimittel der Wirknachweis gegeben sei."
°_°
Wie sieht denn dann ein solches ""Zulassungsverfahren"" bei Hp aus?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Anscheinend nicht ...

von Jeanny am 12.05.2017 um 16:06 Uhr

“Homöopathische Arzneimittel unterliegen nicht denselben gesetzlichen Anforderungen wie die übrigen Arzneimittel (AMG, § 38). So müssen die meisten homöopathischen Stoffe nicht zugelassen, sondern registriert werden. Diese Registrierung erfolgt durch das BfArM. “
http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/zul/_node.html

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.