EU-Abgeordneter Andreas Schwab (CDU)

„Das EuGH-Urteil war kein gezielter Eingriff ins deutsche Gesundheitssystem“

Brüssel - 16.05.2017, 17:45 Uhr

Der EU-Abgeordnete Andreas Schwab (CDU) spricht sich gegen pauschale Forderungen aus, Europa solle sich „raushalten“. (Foto: Abgeordnetenbüro)

Der EU-Abgeordnete Andreas Schwab (CDU) spricht sich gegen pauschale Forderungen aus, Europa solle sich „raushalten“. (Foto: Abgeordnetenbüro)


„EuGH-Urteil war kein gezielter Eingriff ins deutsche Gesundheitswesen“

DAZ.online: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang das EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung?

Schwab: Das Ziel des Urteils war ja nicht, das deutsche Gesundheitssystem zu verändern, sondern die Frage, ob das Rabattverbot verhältnismäßig und mit EU-Recht vereinbar ist: Der EuGH hat andere Prinzipien in seine Entscheidung einbezogen als der BGH. Ich hätte wahrscheinlich auch anders entschieden. Aber daraus kann man nicht einen gezielten Eingriff ins deutsche Gesundheitswesen ableiten. Es gilt eben: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Der EU-Vertrag sieht sowohl einen offenen Binnenmarkt als auch die nationale Zuständigkeit für Gesundheitspolitik vor. Beim Rabattverbot verschmelzen diese Prinzipien ein bisschen. Der EuGH hat einen Vorrang der Binnenmarktprinzipien gesehen.

DAZ.online: Können Sie die Sorgen von Apothekern verstehen?

Schwab: Ich kann grundsätzlich verstehen, dass die deutschen Apotheker das deutsche Gesundheitswesen und ihre Rolle verteidigen. Ich habe meinen Wahlkreis im ländlichen Raum im Schwarzwald – da kommt es darauf an, dass insbesondere für ältere Menschen Arzneimittel überall zur Verfügung stehen. Das wäre ohne die flächendeckende Versorgung mit Apotheken nicht möglich. Deswegen haben wir in Berlin ja auch entsprechend reagiert, und Gesundheitsminister Gröhe hat entsprechende europarechtskonforme Vorschläge gemacht.

DAZ.online: Haben Sie Angst vor zunehmender Europa-Skepsis?

Schwab: Wir können nicht auf der einen Seite dankbar sein, dass wir Ärzte oder Krankenschwestern aus anderen Staaten bekommen, damit die Gesundheitsversorgung bei uns funktioniert – und auf der anderen Seite pauschale Kritik an Europa üben. Wir können uns auch nicht einerseits bei den französischen Wahlen dringend wünschen, dass der europafreundliche Kandidat gewählt wird – aber dann mit einer Kampagne gegen Europa fahren. Wir müssen Europa konstruktiv angehen: Hier sind alle Beteiligten eingeladen, sich einzubringen. Bundesärztekammer-Präsident Montgomery war vergangene Woche bei mir, die Apotheker vor gut sechs Wochen: Ich will deren Bedenken gerne aufgreifen – aber die pauschale Forderung, Europa solle sich „raushalten“, hilft nicht weiter, weil wir eben zur praktischen Konkordanz kommen müssen zwischen den Grundfreiheiten des EU-Vertrages und der nationalen Zuständigkeit für das Gesundheitswesen. Und wenn wir geschickt vorgehen, kriegen wir das zusammen!



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Fehlsicht EU

von Reinhard Rodiger am 16.05.2017 um 20:19 Uhr

"Schwab: Wir können nicht auf der einen Seite dankbar sein, dass wir Ärzte oder Krankenschwestern aus anderen Staaten bekommen, damit die Gesundheitsversorgung bei uns funktioniert ..."

EU-Vertreter sollten erkennen, dass die Akzeptanz für diese Berufe so gesunken ist,dass entsprechend importiert werden muss.Es ist offensichtlich nicht mehr attraktiv, sich in sehr notwendige,aber schlecht bezahlte(und schlecht anerkannte!) Berufe einzubringen.Deshalb geht es eher um Aufwertung als um-natürlich billigeren-Import. Das ist unpopulär, weil es Unterschiede vergrössern würde und damit der EU-Pseudofreiheit widerspricht.Solange das Runterregulieren von Berufswertigkeiten als EU-Voraussetzung gesehen wird, wird die Akzeptanz von Europa nicht steigen können.

Die Apotheken-Behandlung liefert ein überschaubares Beispiel für die Dynamik, die als Surrogat für ein erfolgreiches Europa verkauft wird.Nur Grösse zählt.Die Kleinen werden gefressen oder wirtschaftlich handlungsunfähig gemacht.Natürlich ohne steuernde Absicht, eben als Ergebnis eines "sich selbst regulierenden" Marktes.Darin liegt die Perfidie, der Markt wird zugunsten des Stärksten zu Tode "reguliert". Dann ist es keiner gewesen, nur alle haben es gewusst.

Wer in der EU kümmert sich eigentlich noch um Lebensfähigkeit?

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AW: Fehlsicht EU

von Anita Peter am 17.05.2017 um 6:16 Uhr

Herr Schwab beantwortet leider auch nicht, warum wir Ärzte aus anderen Ländern brauchen. Weil unsere eigenen Ärzte ins Ausland abwandern. So wie viele zehntausende Akademiker und Fachkräfte jedes Jahr auch. Aufgefüllt wird das durch ungesteuerte Migration.
Und zu Ihrer letzten Frage: Die EU kümmert sich nur um ihr eigenes Überleben....

Ich glaub, ich les nicht richtig

von Christiane Patzelt am 16.05.2017 um 20:17 Uhr

Herr Schwab, mit Verlaub, das ist doch eine glatte Lüge!! Rabatte auf Zuzahlungen sind kein Eingriff? Werbung mit illegalen Bonuszahlungen sind Kein Eingriff? Der Automat, der Arzneimittel abgibt, ist kein Eingriff? Umsatzrückgang und entlassene Mitarbeiterinnen sind kein Eingriff?

Dieses Interview ist ein Schlag in mein Gesicht! Halten Sie mich für so unintelligent, dass ich nicht merke, wo der Hase hinläuft?

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Harmlose EU-Kommission?

von Christian Rotta am 16.05.2017 um 19:51 Uhr

Als Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat Andreas Schwab schon einmal eine äußerst unrühmliche Rolle gespielt, als er- ganz im Sinne der Freunde des Fremdbesitzes um DocMorris & Co.- in einer Parlamentarischen Anfrage vom 29. November 2006 von der EU-Kommission wissen wollte, ob das deutsche Apothekenrecht mit EU-Gemeinchaftsrecht vereinbar sei, da "zweifellos die bestehende Form des Fremdbesitzverbotes in Deutschland eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt" darstelle. Außerdem wollte er wissen, ob der EU-Kommission bekannt sei, "dass das deutsche Apothekenrecht Diskriminierungen zu Lasten von Staatsangehörigen andferer Mitgliedstaaten enthält". Im März 2008 stellte Schwab erneut eine Anfrage an die Kommission, in der er wissen wollte, ob nach Auffassung der Kommission das hohe Qualitätsniveau der Apothekenversorgung in Deutschland auch bei einer vollständigen Abschaffung des Fremdbesitzverbots erhalten werden könne. Aus seiner Sicht sei es problemlos möglich, das Mehrbesitzverbot auf mehr als zehn Apotheken auszudehnen. Im Ergebnis war Schwab zumindest parlamentarischer Mitinitiator des gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens, mit dem in Deutschland das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot beseitigt werden sollte.

Wenn ein Politiker und mit einer solchen politischen Historie die Aktivitäten der EU-Kommission wider das bestehende Apothekensystem und die Freien Berufe dermaßen zu verharmlosen versucht ("War nicht so gemeint..."), sollten alle Alarmglocken schrillen!

Vgl. auch https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2008/daz-10-2008/eu-parlamentarier-haelt-eu-kommission-auf-trab

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EU

von Anita Peter am 16.05.2017 um 18:18 Uhr

Die EU samt ihrem Wasserkopf in Brüssel ist am Ende. Frankreich und Italien sind hoffnungslos überschuldet und völlig marode. Griechenland ist eine jahrelange Insolvenzverschleppung. Als Firmenchef würde man für Jahre hinter Gitter gehen. Die Zinsen werden bis zum St. Nimmerleinstag auf 0 bleiben, und sich damit die Renten und Ersparnisse in Luft auflösen, oder die Zinsen steigen, und der Club Med löst sich im Schuldenfegefeuer in Luft auf. Wer sich mit der Thematik Target 2 Salden beschäftigt weiss, was Deutschland am Ende blüht.
Das Ganze ist nur ein Spiel auf Zeit, aber das Spiel hat ein Ende. ( "Finis coronat opus" ) So wie ich Angst um meine Apotheke und meine Existenz habe, die gleiche Angst hat jeder EU Politiker. Auch sie werden bald vor den Nichts stehen. Bis dahin wird manin Brüssel noch im Eiltempo versuchen Ungleiches Gleich zu machen, ganz in dem Wissen, dass es weder unendliches Wachstum noch Wohlstand für alle gibt. Die Vernichtung der deutschen Vor Ort Apotheken ist da nur ein Nebenschauspiel, bestenfalls ein kleiner Kollateralschaden.

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