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EU-Abgeordneter Andreas Schwab (CDU)
„Das EuGH-Urteil war kein gezielter Eingriff ins deutsche Gesundheitssystem“
Gefährden Entscheidungen auf europäischer Ebene die Systematik unseres Apothekensystems? Das EuGH-Urteil nährte bei vielen Apothekern eine EU-Skepsis, die ABDA startete eine als EU-kritisch empfundene Kampagne. DAZ.online sprach hierüber mit dem in der konservativen EVP-Fraktion für den Binnenmarkt zuständigen EU-Abgeordneten Andreas Schwab (CDU) – wie auch über Pläne der EU, künftig beim Berufsrecht von Apothekern mitmischen zu wollen.
Unter Apothekern hat nicht nur die EuGH-Entscheidung zu Rx-Boni für viel Aufsehen gesorgt. Auch das sogenannte Dienstleistungspaket, das die EU-Kommission vorgelegt hat, um „Impulse für den Dienstleistungssektor“ zu setzen und die Wirtschaft zu fördern, sorgt für Unruhe im Berufsstand. Als Teil des Pakets sollen Änderungen berufsrechtlicher Regelungen zukünftig in Brüssel angezeigt werden – die ABDA oder die Bundesärztekammer protestieren erheblich hiergegen und argumentieren mit dem Patientenschutz. „Die geplante Darlegungslast bei der Folgenabschätzung erschwert Regelungen, die für dieses bedeutendste Rechtsgut dringend geboten sind“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt mit seinen Ärztekollegen.
Versucht Brüssel, die Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten zu sehr zu beeinflussen? DAZ.online sprach hierzu mit dem CDU-Politiker und EU-Abgeordnetem Andreas Schwab. Der aus Rottweil stammende Jurist ist Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlamentes und binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.
DAZ.online: Mit dem Dienstleistungspaket will die EU-Kommission dafür sorgen, dass unverhältnismäßige berufsrechtliche Hürden europaweit reduziert werden. Warum ist das für die Bürger der EU etwas Gutes, Herr Schwab?
Schwab: Die Kommission weist darauf hin, dass es bei der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen in vielen der 28 Mitgliedstaaten erhebliche Defizite gibt. Das wird auch dadurch deutlich, dass die Kommission oft gar nicht weiß, wie die Lage in manchen Mitgliedstaaten aussieht. Auch beschweren sich viele Bürger bei der Kommission, dass sie in anderen Ländern keine Berufszulassung bekommen, weil dort unsinnige Voraussetzungen herrschen. Wenn Bürger sich in Europa grenzüberschreitend auf offene Stellen bewerben können, ist das doch grundsätzlich etwas Gutes für uns alle.
DAZ.online: Worauf muss Deutschland sich da einstellen?
Schwab: Schon vor gut zwei Jahren hat die EU-Kommission die Transparenzinitiative lanciert, bei der sie die Situation beurteilt und festgestellt hat, dass die Regeln in Deutschland ziemlich gut, nämlich „verhältnismäßig“ sind. Das Dienstleistungspaket zielt nicht auf Deutschland, sondern auf andere Staaten, in denen dies noch nicht der Fall ist. Es geht darum, dass die Regelungen nicht nur zulässig und notwendig sein müssen, sondern auch verhältnismäßig. Beispielsweise sind Fremdenführer in manchen Ländern der EU als reglementierte Berufe ausgestaltet – und zwar so, dass sie nur tätig werden dürfen, wenn sie jährlich einmal eine Schulung machen, die nur vor Ort und in der Landessprache abgelegt werden kann. Gegen solche Regelungen will die Kommission vorgehen.
DAZ.online: Ärzte und Apotheker machen nun viel Druck, um Heilberufler von den neuen Pflichten auszunehmen.
Schwab: Ich kann es verstehen, dass sich viele deutsche Vertreter von Heilberufen – aber auch anderen Berufen – kritisch mit der Frage auseinandergesetzt haben, weil sie zu Recht darauf hinweisen, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip allein schon durch Artikel 12 Grundgesetz erfüllt sein muss. Durch die neuen Regeln würde man in Deutschland nichts wirklich ändern und verbessern. Deswegen habe ich für diese Kritik sehr viel Verständnis. Ich habe allerdings nicht so viel Verständnis, mit welcher Härte und Verve gegen den Vorschlag der Kommission vorgegangen wird. Denn im Prinzip sind sich ja auch hierzulande alle einig, dass die Regelungen in Deutschland verhältnismäßig sein müssen. Wir sollten also konstruktiv darüber sprechen, wie das geltende Verhältnismäßigkeitsprinzip in Deutschland durch die Kommission anerkannt und wie zu viel Bürokratie vermieden werden kann.
„Einmischung in Gesundheitswesen ist keine Absicht“
DAZ.online: Die Bundesärztekammer kritisierte, auch kleine Änderungen in Weiterbildungsordnungen müssten zukünftig in Brüssel angezeigt werden – so würden Regelungen zum Patientenschutz erheblich verzögert.
Schwab: Dies ist meiner Meinung nach im Paket der Kommission so gar nicht vorgesehen, denn verhältnismäßige Regelungen können jederzeit direkt umgesetzt werden. Den Wunsch, den die Kommission hegt, ist, dass sie mitbekommt, was wo passiert. Die Kommission sollte allerdings nur wesentliche Änderungen interessieren – darauf werde ich als Berichterstatter des Parlaments achten!
DAZ.online: Viele Apotheker oder Ärzte fürchten, dass die Kommission immer stärker in die Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten eingreift, was eigentlich nicht ihre Aufgabe sein dürfte.
Schwab: Es ist nicht einfach, den nationalen Regelungsrahmen für Gesundheitspolitik von allen anderen Politikfeldern abzugrenzen. Deshalb besteht immer wieder die Wahrnehmung, es handele sich um eine Einmischung – aber de facto ist dies gar keine Absicht. Bei den Bereichen „Binnenmarkt“ und „Bürgerrechten“ kommt es immer wieder zu Konflikten – beispielsweise, wenn Bürger in einem anderen nationalen Gesundheitssystem arbeiten. Da kann man nicht die Forderung aufrechterhalten, das Gesundheitssystem sei ein nationales Paralleluniversum.
DAZ.online: Aber die Anforderung der Verhältnismäßigkeit von beruflichen Regelungen ist ohnehin schon im EU-Recht vorgeschrieben, wie auch im Grundgesetz. Warum braucht es die neuen Pflichten im Dienstleistungspaket dann noch?
Schwab: Das ist eine völlig berechtigte Frage, der wir uns im Ausschuss schon genähert haben. Wir haben weniger ein Regelungsproblem, als vielmehr ein Durchsetzungsproblem – deshalb muss die EU-Kommission auch die Frage beantworten, wie sie hier vorgehen will. Aus meiner Sicht liegt hier der Schlüssel. Ich habe selber eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie wir den Entwurf so verbessern können, dass nationale Regelungen nicht in Schieflage geraten und die Gesundheitspolitik in der nationalen Zuständigkeit bleibt.
„EuGH-Urteil war kein gezielter Eingriff ins deutsche Gesundheitswesen“
DAZ.online: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang das EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung?
Schwab: Das Ziel des Urteils war ja nicht, das deutsche Gesundheitssystem zu verändern, sondern die Frage, ob das Rabattverbot verhältnismäßig und mit EU-Recht vereinbar ist: Der EuGH hat andere Prinzipien in seine Entscheidung einbezogen als der BGH. Ich hätte wahrscheinlich auch anders entschieden. Aber daraus kann man nicht einen gezielten Eingriff ins deutsche Gesundheitswesen ableiten. Es gilt eben: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Der EU-Vertrag sieht sowohl einen offenen Binnenmarkt als auch die nationale Zuständigkeit für Gesundheitspolitik vor. Beim Rabattverbot verschmelzen diese Prinzipien ein bisschen. Der EuGH hat einen Vorrang der Binnenmarktprinzipien gesehen.
DAZ.online: Können Sie die Sorgen von Apothekern verstehen?
Schwab: Ich kann grundsätzlich verstehen, dass die deutschen Apotheker das deutsche Gesundheitswesen und ihre Rolle verteidigen. Ich habe meinen Wahlkreis im ländlichen Raum im Schwarzwald – da kommt es darauf an, dass insbesondere für ältere Menschen Arzneimittel überall zur Verfügung stehen. Das wäre ohne die flächendeckende Versorgung mit Apotheken nicht möglich. Deswegen haben wir in Berlin ja auch entsprechend reagiert, und Gesundheitsminister Gröhe hat entsprechende europarechtskonforme Vorschläge gemacht.
DAZ.online: Haben Sie Angst vor zunehmender Europa-Skepsis?
Schwab: Wir können nicht auf der einen Seite dankbar sein, dass wir Ärzte oder Krankenschwestern aus anderen Staaten bekommen, damit die Gesundheitsversorgung bei uns funktioniert – und auf der anderen Seite pauschale Kritik an Europa üben. Wir können uns auch nicht einerseits bei den französischen Wahlen dringend wünschen, dass der europafreundliche Kandidat gewählt wird – aber dann mit einer Kampagne gegen Europa fahren. Wir müssen Europa konstruktiv angehen: Hier sind alle Beteiligten eingeladen, sich einzubringen. Bundesärztekammer-Präsident Montgomery war vergangene Woche bei mir, die Apotheker vor gut sechs Wochen: Ich will deren Bedenken gerne aufgreifen – aber die pauschale Forderung, Europa solle sich „raushalten“, hilft nicht weiter, weil wir eben zur praktischen Konkordanz kommen müssen zwischen den Grundfreiheiten des EU-Vertrages und der nationalen Zuständigkeit für das Gesundheitswesen. Und wenn wir geschickt vorgehen, kriegen wir das zusammen!
5 Kommentare
Fehlsicht EU
von Reinhard Rodiger am 16.05.2017 um 20:19 Uhr
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AW: Fehlsicht EU
von Anita Peter am 17.05.2017 um 6:16 Uhr
Ich glaub, ich les nicht richtig
von Christiane Patzelt am 16.05.2017 um 20:17 Uhr
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Harmlose EU-Kommission?
von Christian Rotta am 16.05.2017 um 19:51 Uhr
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EU
von Anita Peter am 16.05.2017 um 18:18 Uhr
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