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Zyto-Verträge
Gericht bestätigt Exklusivität und Retax-Ansprüche
Ein Apotheker hat versucht, eine einstweilige Verfügung gegen die Barmer zu erwirken. Der Kasse sollte untersagt werden, aufgrund bestehender Exklusivverträge zu retaxieren, wenn Patienten mit Zytostatika-Zubereitungen versorgt werden. Dabei stützte er sich auf die Ausführungen des Bundesgesundheitsministeriums zum Wegfall der Exklusivität – doch das Sozialgericht Altenburg lehnte seinen Antrag ab.
Die bestehenden Zyto-Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken laufen Ende August aus – soweit sind sich alle einig. Doch bei der Frage, ob die Verträge bis dahin Exklusivität genießen, scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite hat sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) positioniert. Es sagt: Seit das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) am 13. Mai 2017 in Kraft getreten ist, sind die bestehenden Verträge nicht mehr exklusiv. Der Gesetzgeber habe mit der Streichung der Rechtsgrundlage für diese Verträge auch die Exklusivität sofort enden lassen wollen – auch wenn die Verträge selbst erst später unwirksam werden.
Die Krankenkassen sperren sich unter Hinweis auf die Entstehung des Gesetzes gegen diese Auffassung – allen voran die Barmer, die zusammen mit TK und KKH als „ARGE PAREZU“ noch kurz zuvor Apotheken-Verträge ausgeschrieben hatte, die zum 1. Mai 2017 anliefen. Ihr entscheidendes Argument: Der Gesetzgeber habe zunächst eine gesetzliche Klarstellung vorgesehen, dass alle Verträge auf Grundlage des (nunmehr nicht mehr existierenden) § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V ihre Exklusivität verlieren, sobald das AMVSG in Kraft tritt. Diese unmissverständliche Formulierung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch aufgegeben – stattdessen sollte den Verträgen nun eine rund dreimonatige Übergangsfrist eingeräumt werden, nach der sie unwirksam werden. Daraus schließen die Kassen: Bis Ende August ist noch das Urteil des Bundessozialgerichts einschlägig, das im November 2015 befand: Im Fall der Zyto-Verträge hat die Apothekenwahlfreiheit der Versicherten das Nachsehen gegenüber den Wirtschaftlichkeitsanstrengungen der Kassen. Infolgedessen sehen sie sich zur Retaxation berechtigt, wenn eine Apotheke Zyto-Zubereitungen abrechnen will, obwohl in diesem Gebiet ein Exklusivvertrag mit einer anderen Apotheke besteht.
Zwischen den beiden Meinungen stehen die Apotheker, die verunsichert sind, was nun richtig ist. Sollen sie auch ohne Vertrag liefern und sich der Gefahr einer Retaxation aussetzen? Die fraglichen Arzneimittel sind teuer – es steht daher wirtschaftlich einiges auf dem Spiel. Oder sollen sie dieses Risiko besser nicht eingehen und die Einbußen, die ihnen für die Restlaufzeit der Verträge noch drohen, hinnehmen? Die Apothekerverbände raten zur Vorsicht. Und das ist nicht ganz unbegründet, wie eine aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Altenburg zeigt.
Sozialgericht: Das BMG ist nicht der Gesetzgeber
Ein Apotheker aus Jena hat versucht, gegen die Barmer als
Teil der ARGE PAREZU eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Sein Ziel war, den Streit zwischen Kassen und Ministerium juristisch zu klären. Dazu wollte er eine gerichtliche Feststellung, dass eine Retaxation unter Hinweis auf bestehende Rabattverträge nach erfolger Ausschreibung unzulässig ist.
Der Apotheker begründete seinen Anspruch mit den Äußerungen der parlamentarischen Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz, und ihres beamteten Kollegen Lutz Stroppe (beide CDU) zum Wegfall der Exklusivität. Dass die Angelegenheit die für die Einstweilige Verfügung nötige Dringlichkeit besitzt, versuchte er mit einer eidesstattlichen Versicherung klarzumachen. Er behauptete, dass er im Fall der Fälle Retaxationen im Gesamtwert von 356.000 Euro netto ausgesetzt sein würde. Sollte die Barmer diese Summe tatsächlich retaxieren, würde dies „unweigerlich zu seinem wirtschaftlichen Ruin führen“.
Das Gericht wollte die begehrte Verfügung allerdings nicht erlassen. Der Apotheker könne sich nicht auf die Schreiben des BMG berufen, heißt es in seinem Beschluss. Denn maßgeblich sei der Wille des Gesetzgebers – und eben dieser sei das BMG nicht. Vielmehr geht das Gericht bei der Auswertung des Gesetzeswortlauts wie die Krankenkasse davon aus, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, anstelle der zunächst favorisierten Abschaffung der Exklusivität sämtlicher Verträge nach alter Rechtsgrundlage, diese vorzeitig für unwirksam zu erklären. Hätte er für diese kurze Übergangszeit bereits die Exklusivität der abgeschlossenen Verträge beseitigen wollen, so hätte es einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung bedurft, so das Gericht. Die Schlussfolgerung: Die bereits erwähnte Entscheidung des Bundessozialgerichts, auf die sich die Kassenseite beruft, ist daher bis zum Ablauf des 31. August 2017 weiterhin maßgeblich.
Ähnliche Töne aus der Vergabekammer des Bundes
Hierbei verweist das Sozialgericht auch auf eine Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes vom 20. April 2017. Auch in dieser Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag zur Ausschreibung der ARGE PAREZU, wurde bereits auf das Schreiben von Staatssekretärin Widmann-Mauz Bezug genommen. Dieses so zu verstehen, dass die vertraglich vereinbarte Exklusivität bereits mit Inkrafttreten des AMVSG und nicht erst drei Monate später wegfiele, finde „im Gesetzeswortlaut jedenfalls keine Stütze“, heißt es dort.
Letzteres Urteil erwähnen übrigens auch die Kassenverbände (AOK-BV, IKK-BV, BKK-Dachverband, Knappschaft Bahn-See, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, vdek sowie spectrumK und GWQ Service Plus) in einem gemeinsamen Antwortschreiben an Staatsekretär Stroppe. Darin weisen sie die Ausführungen Stroppes deutlich zurück. Aus ihrer Sicht ist die im BMG-Schreiben „vom 26. Mai 2017 mitgeteilte ‚geltende Rechtslage‘ unzutreffend wiedergegeben“. Auch die Kassenverbände führen dazu maßgeblich die Gesetzesentstehung sowie das Urteil des Bundessozialgerichts an. Und: Sie betonen nochmals, dass die Exklusivität „das Kernelement” der Zyto-Verträge alter Art sei – und zwar auch nach der Gesetzesbegründung zur Neuregelung.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat der Apotheker Beschwerde eingelegt. Man darf nun auf die Entscheidung der nächsten Instanz gespannt sein.
Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 9. Juli 2017, Az. : S 13 KR 1205/17 ER
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