Akutversorgung

Retax-Welle oder nur Einzelfälle?

Berlin - 28.06.2017, 07:00 Uhr

Besteht für Apotheken im Notdienst nun erhöhte Retaxgefahr? (Foto: dpa)

Besteht für Apotheken im Notdienst nun erhöhte Retaxgefahr? (Foto: dpa)


Was gibt der Rahmenvertrag vor?

Was hat es nun wirklich mit § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrags auf sich? Ist im Notdienst oder im Akutfall ein Rabattarzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig, kann nach dieser Regelung statt des rabattierten Arzneimittels eine andere vertragskonforme Alternative abgegeben werden.

Auszug aus § 4 Rahmenvertrag

(2) Ist ein rabattbegünstigtes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar und macht ein dringender Fall die unverzügliche Abgabe eines Arzneimittels erforderlich (Akutversorgung, Notdienst), hat die Apotheke dies auf der Verschreibung zu vermerken, das vereinbarte Sonderkennzeichen aufzutragen und ein Arzneimittel nach den Vorgaben des Absatzes 4 abzugeben (….).

(4) Kommt eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel nach Absatz 2 nicht zustande, stehen unter den Voraussetzungen nach Absatz 1 die drei preisgünstigsten Arzneimittel und im Falle der aut idem-Ersetzung zusätzlich das namentlich verordnete Arzneimittel, soweit in den ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 Satz 1 nichts anderes vereinbart ist, oder ein importiertes Arzneimittel nach Maßgabe des § 5 zur Auswahl; zählt das verordnete Arzneimittel zu den drei preisgünstigsten Arzneimitteln, darf das ersetzende Arzneimittel nicht teurer als das namentlich verordnete sein.“

Notwendig ist also zum einen, dass die Sonder-PZN 02567024 in Verbindung mit Faktor 5 (Akutversorgung/Notdienst) auf das Rezept gedruckt und eine kurze Begründung vermerkt ist. Fehlt eines von beiden, ist das jedoch kein Retaxgrund. Darüber hinaus gilt: Im Fall eines namentlich verordneten Arzneimittels ist dieses oder eines der drei preisgünstigsten aut-idem-fähigen Arzneimittel abzugeben. Auch ein Import kann nach Maßgabe des Rahmenvertrags abgegeben werden. Vorsicht ist geboten, wenn das namentlich verordnete Präparat bereits zu den drei Preisgünstigsten gehört. Dann darf das ersetzende Arzneimittel nicht teurer als das namentlich verordnete sein (Preisanker). Bei einer Wirkstoffverordnung läuft es nur auf eines der drei preisgünstigsten aut-idem-fähigen Arzneimittel hinaus.   

An den Patienten denken

Doch es kann eben Situation geben, in denen nur ein teureres, medizinisch gleichwertiges Arzneimittel vorrätig ist, das die Bedingungen eben nicht erfüllt. Was soll dann geschehen? Im Notdienst oder Akutfall kann dem Patient nicht zugemutet werden, ein neues Rezept zu organisieren. Das DAP schreibt dazu: „In der Praxis wird die Apotheke entweder eine ärztliche Rezeptänderung auf eigene Kosten anstoßen (was sich bei einem Notdienstrezept ohnehin als fast unmöglich darstellt) oder sich in Rücksprache mit dem Arzt die Abgabe des teureren Medikaments bestätigen lassen und den Vermerk mit Datum und Unterschrift abzeichnen“. Es sei aber nicht tragbar, dass Krankenkassen diese Rezepte retaxieren. Es müsse in erster Linie an den Patienten gedacht werden. Es wäre nach Ansicht des DAP daher mehr als wünschenswert, die rahmenvertragliche Regelung in dieser Hinsicht zu lockern.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Zunahme Retaxationen Barmer

von Hamann am 30.06.2017 um 15:33 Uhr

Ich kann das nur bestätigen, so wie auch andere Kollegen bekomme ich seit einiger Zeit vermehrt Post von der GFS.
Ich nehme an, die meisten Kollegen legen selbst Einspruch ein oder lassen es ganz einfach, weil die Aussicht auf Erfolg sehr gering ist. Deshalb landet vermutlich kaum etwas bei den LAVs. Und beim Apothekenportal landet wenig, weil der Retaxservice seit einiger (leider) kostet (monatliche Gebühr).
Wenn die Daz einen Aufruf starten würde, wer von diesen Retaxationen betroffen ist, würde das Fax nicht mehr stillstehen und der Emaileingang überlaufen...

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Quantität hin oder her -

von gabriela aures am 28.06.2017 um 8:31 Uhr

dieser Satz ist "aufschlussreich" :

"Die Barmer verfolgt zudem keinen Formretax, sondern stellt auf die Vereinbarung zwischen Apotheken und Krankenkassen im Rahmenvertrag ab. "

Wenn's allerdings um Zuzahlungsboni geht, die ganz offiziell auf allen Ebenen, in allen Medien aggressiv beworben werden, sind die Krankenkassen nicht so pingelig und sehen Ü.B.E.R.H.A.U.P.T.
keinen Grund für Retaxationen !
Dabei wäre das Einsparpotential viel höher ....

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AW: Quantität hin oder her

von Heiko Barz am 28.06.2017 um 11:33 Uhr

Welche Phalanx an Juristen hat die Bamer EK eingestellt, um die kleinsten Unwägbatkeiten in den Verträgen zu finden und finanziell für sich auszuwerten? (Natürlich nur für die eigenen Belange Wichtigen.)
Irgendwie müssen ja die, von den KKassen in Leben gerufenen Retaxfirmen finanziell erhalten bleiben. Das sind auch wichtige Arbeitsplätze, die letztlich sozial und lohnstererplichtig sind. Schäuble wird sich natürlich nicht dagegen wehren, obwohl auf der anderen Seite Einkommen der Apotheken geschmälert werden und sich das Ganze zu einem komplizierten Nullsummenspiel ausweitet.



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