- DAZ.online
- News
- Politik
- Wie hoch ist ein „...
Krankenkassen
Wie hoch ist ein „angemessenes“ Gehalt eines Kassen-Vorstands?
Immer häufiger sorgen die Gehälter von Krankenkassen-Vorständen
für Diskussionen. Jüngster Fall: Eine Gehaltserhöhung des Chefs der Schwenninger BKK,
die sogar per Gericht gestoppt werden musste. Die Kasse bezieht sich
zu ihrer Verteidigung auf ein geändertes Gesetz, nachdem die Gehälter „angemessen“
sein müssen. Aber was bedeutet „angemessen“? Der Fall zeigt, dass es hierzulande schlichtweg kein gemeinsames Verständnis von Vorstandsgehältern gibt.
Der Fall der Vorstandsgehälter der Schwenninger Betriebskrankenkasse sorgt derzeit für viel Aufregung. Der Verwaltungsrat der Kasse, der Änderungen an den Dienstverträgen der Vorstände beschließen muss, hatte die folgenden Änderungen am Gehalt des Vorstandsvorsitzenden Siegfried Gänsler festgelegt: Neben der jährlichen Grundvergütung von 152.600 Euro sollte der Vorstand verschiedene zusätzliche Gelder erhalten. In einem „Zusatzvertrag zum Dienstvertrag über zusätzliche Vergütungsbestandteile“ sind ein Zusatzfixum im Dezember (2.400 Euro), eine variable Zusatzvergütung bis maximal 31.000 Euro (Zielerreichungsprämie), ein Dienstwagen, Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge und eine Unfallversicherung vorgesehen. Zusammen mit der Grundvergütung summierte sich das Gehalt auf diese Weise auf 217.252 Euro.
Ende 2015 legte die Krankenkasse dem Bundesversicherungsamt (BVA), ihrer Aufsichtsbehörde, den neuen Vertrag zur Freigabe vor. Das BVA widersprach, weil der Rahmen des Zulässigen deutlich überschritten sei. Die Kasse akzeptierte das jedoch nicht. Der Verwaltungsrat der Krankenkasse erhob Klage auf Erteilung der Zustimmung. Er verwies darauf, dass die Verdienstmöglichkeiten in privaten Versichertengesellschaften und der Privatwirtschaft im Gesundheitswesen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen seien. Dem folgte das Landessozialgericht aber nicht. Einen Vergleich mit Strukturen der Privatwirtschaft halten die Richter für nicht sachgerecht. Das beitragsfinanzierte System der GKV beruhe schließlich auf dem Solidarprinzip und unterscheide sich damit fundamental von den Strukturen gewerblicher Wirtschaft.
Der Rechtsstreit ist interessant, weil sich die Kasse in ihrer Argumentation auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2013 bezieht, die Interpretationsspielraum zulässt. Mit einer damaligen AMG-Novelle wollte der Gesetzgeber die Gehälter von Vorstandsvorsitzenden der Kassen eigentlich begrenzen und nahm in das Sozialgesetzbuch IV (§ 35a Abs. 6a SGB IV) daher den Passus auf: „Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes hat in angemessenem Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen. Dabei ist insbesondere die Zahl der Mitglieder der Körperschaft zu berücksichtigen.“
Krankenkasse will verbindliche Vorgaben für Vorstandsgehälter
Konkrete Zahlen oder Gehaltstabellen legte der Gesetzgeber
allerdings nicht fest. Es ist also letztlich den Verwaltungsräten der Kassen
selbst überlassen, was „angemessen“ bedeutet. Das BVA veröffentlicht seit der
Gesetzesänderung daher sogenannte Trendlinien, in denen aufgezeigt wird, in
welcher Spanne sich die de facto ausgezahlten Vorstandsgehälter bewegen. In diesen Trendlinien wird
auch dargestellt, wie das Verhältnis zwischen dem Vorstandsgehalt und der
Mitgliederzahl ist. Folgt man diesen Richtlinien, liegt das neue Gehalt vom
Schwenninger-Chef in der Tat weit über dem „Normalen“. Denn für eine Kasse mit
etwa 330.000 Mitgliedern zeigt das BVA ein Vorstandsgehalt von etwa 150.000
Euro auf. (s. Tabelle unten)
Die Schwenninger selbst sieht das ganz anders. Die Kasse verteidigt die Gehaltserhöhung ihres Chefs. Ihr geht es aber um mehr. Die Kasse will grundsätzlich und ein für alle Mal klären, wie der Begriff „angemessen“ zu interpretieren ist. In einer Stellungnahme der BKK gegenüber DAZ.online heißt es: „Mit der Klage geht es dem Verwaltungsrat um die Klärung des unbestimmten Begriffs ‚Angemessenheit‘: Was ist konkret darunter zu verstehen und woran hat sich eine angemessene Vergütung zu orientieren? Es ist unser erklärtes Ziel, Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen: für die Verwaltungsräte als Entscheider, für das BVA als Aufsichtsbehörde und für die Vorstände als Vertragspartner.“
Gemeinsames Verständnis für Vorstandsvergütung fehlt
Weiter schreibt die Schwenninger: „Ein gemeinsames Verständnis über die Frage der Angemessenheit von Vorstandsvergütungen ist dringend erforderlich. Deshalb hatte die Schwenninger ein Gutachten in Auftrag gegeben, um Anhaltspunkte für eine leistungsgerechte Vergütung herauszuarbeiten. Das Ergebnis des Gutachtens hat der Verwaltungsrat zur Grundlage seiner Klage gemacht.“
Für die Diskussion rund um die Gehaltserhöhung ihres Vorstandsvorsitzenden Gänsler hat die Krankenkasse keinerlei Verständnis. Dazu teilte die Krankenkasse mit: „In den Medien wird über einen ‚Gehaltssprung‘ von rund einem Drittel berichtet. Dies entspricht im Vergleich zu den vorherigen Dienstverträgen keineswegs den Tatsachen. Die vom Landessozialgericht in seiner Pressemitteilung vom 4. Juli 2017 als ‚Mittelmaß‘ angegebene jährliche Vorstandvergütung in Höhe von 159.500 Euro stellt unseres Erachtens die durchschnittliche Grundvergütung dar. Aus unserer Sicht ist es nicht plausibel, diesen Betrag mit der in Rede stehenden Gesamtvergütung zu vergleichen.“ Das Urteil sei der Kasse aber noch nicht zugestellt worden. Daher wolle man sich weitergehend nicht äußern.
6 Kommentare
Evaluierung der Notwendigkeit zwingend
von Ratatosk am 07.07.2017 um 8:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Liebe DAZ
von Peter Lahr am 06.07.2017 um 16:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Vertrag
von Holger am 07.07.2017 um 10:07 Uhr
AW: @holger
von Peter Lahr am 07.07.2017 um 13:17 Uhr
AW: @Peter Lahr
von Holger am 07.07.2017 um 15:48 Uhr
angemessen
von Karl Friedrich Müller am 06.07.2017 um 15:48 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.