Übertragen durch zecken

Was ist das SFTS-Virus?

Stuttgart - 27.07.2017, 07:00 Uhr

Wenn in China der Tee geerntet wird, treten die meisten SFTS-Fälle auf. (Foto: picture alliance / Photoshot)

Wenn in China der Tee geerntet wird, treten die meisten SFTS-Fälle auf. (Foto: picture alliance / Photoshot)


Das SFTS-Virus macht im Moment Schlagzeilen. Warum? Bislang war vor allem die Übertragung durch Zecken beschrieben. In Japan ist es vermutlich zum ersten Mal von einem anderen Tier auf einen Menschen übertragen worden. In Europa hat man bislang ohnehin kaum davon gehört. Hier die wichtigsten Fakten. 

Die Abkürzung „SFTS“ steht für „severe fever with thrombocytopenia syndrome”, also schweres Fieber mit Thrombozytopenie-Syndrom. Es handelt sich dabei um ein relativ junges Krankheitsbild, das erstmalig 2009 beschrieben wurde. Betroffen waren vor allem ländliche Gegenden Chinas. Verursacher ist das SFTS-Virus, in der Vergangenheit auch bezeichnet als Dabie-Mountain-Virus (DBM-Virus), Henan-Fieber-Virus oder Huaiyangshan-Virus. 2010 wurde es erstmalig isoliert. Es handelt sich dabei um ein Phlebovirus aus der Familie der Bunyaviridae – eine Familie behüllter Viren mit einer einzelsträngigen, segmentierten RNA als Genom, zu der unter anderem das Hantavirus zählt.

Vor allen in Zentralchina

Zwischen 2010 und 2016 wurden Infektionen in 23 Provinzen Chinas registriert, außerdem in Japan und Südkorea. Hauptverbreitungsgebiet ist aber Zentralchina, wo eine bestimmte Zeckenart, Haemaphysalis longicornis, heimisch ist. Sie gilt als Haupt-Überträger des SFTS-Virus. Der aktuelle Fall in Japan ist der erste bekannte, bei dem Experten davon ausgehen, dass das Virus von einem anderen Tier auf den Menschen übertragen wurde. Endgültig bestätigt ist das allerdings nicht. Die verstorbene Frau soll eine streunende und kranke Katze zum Tierarzt gebracht haben und zehn Tage später verstorben sein. Die Ärzte diagnostizierten SFTS. Einen Zeckenbiss fanden sie aber nicht, heißt es. Deshalb vermuten sie, dass die Patientin sich durch den Biss der Katze infiziert habe.

Ein Review aus dem Jahr 2014, der im Fachmagazin Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurde, zieht die Möglichkeit in Betracht, dass die Erkrankung über das Blut infizierter, aber nicht erkrankter Tiere übertragen werden kann; Evidenz dafür gebe es allerdings nicht, heißt es. Die Möglichkeit der Ansteckung über den Kontakt mit dem Blut infizierter Menschen hingegen gilt als gesichert. 

Wie hoch ist die Mortalität?

Die Mortalität von SFTS wird im Schnitt auf etwa 7 Prozent beziffert, wobei die Angaben schwanken und je nach Quelle sogar mit bis zu 30 Prozent angegeben werden. Grundsätzlich scheinen Ältere gefährdeter zu sein. Die meisten Fälle treten in den Monaten April und Mai auf – wenn in China der Tee geerntet wird. Klinisch äußert sich die Erkrankung durch plötzliches Fieber sowie respiratorische oder gastrointestinale Symptome. In der Folge kommt es dann zu einem kontinuierlichen Abfall der Thromobyzyten- und der Leukozytenzahl.

Verlauf in vier Phasen

Bei einem typischen Verlauf werden vier Phasen beschrieben: Inkubation, Fieber, Multi-Organversagen und Genesung. Die Inkubationszeit beträgt im Schnitt zehn Tage, kann aber in Abhängigkeit der aufgenommenen Virusmenge und des Infektionsweges variieren. In der Fieberphase zeigen sich dann typischerweise grippeähnliche Symptome begleitet von Thrombopenie und Leukopenie sowie Lymphknotenschwellungen. In dieser Phase ist die Viruslast hoch. Sie ist ein wichtiger Marker in der Diagnostik. Die nächste Phase ist dann charakterisiert durch – in den tödlichen Fällen – fortschreitendes Organversagen. Es entwickelt sich schnell. Zuerst sind Leber und Herz betroffen, später die Lunge und die Nieren. Der Organbefall tritt etwa fünf Tage nach Krankheitsbeginn auf und dauert sieben bis 14 Tage an. Bei den Überlebenden ist die Krankheit selbstlimitierend, bei ihnen fällt die Viruslast dann auch ab. In den tödlich endenden Fällen bleibt sie jedoch hoch, das Gleiche gilt für andere Biomarker wie Aspartat-Aminotransferase, Creatinkinase und Lactatdehydrogenase. Klinisch sind in dieser Phase unter anderem hämorrhagische und neurologische Symptome zu beobachten. Verbrauchskoagulopathie, Multi-Organversagen und eine anhaltende Thrombopenie sind die größten Risikofaktoren für einen tödlichen Verlauf. Im Durchschnitt versterben Patienten innerhalb von neun Tagen nach Krankheitsbeginn. Alle Patienten, die diese Phase überstehen, erholen sich aber wieder – etwa elf bis 19 Tage nach Auftreten der ersten Symptome ist das der Fall. 

Wie behandelt man?

Die genaue Pathogenese ist nicht bekannt. Das Virus scheint in der Lage zu sein, die initiale Immunantwort zu unterbrechen, indem es in Interferon-Signalwege eingreift. Eine kausale Behandlungsoption gibt es derzeit nicht, daher muss die Therapie rein symptomatisch erfolgen, gegebenenfalls müssen zum Beispiel Thrombozytenkonzentrate oder Blutplasma gegeben werden. 

Trotz fehlender Therapiemöglichkeiten ist eine frühe Diagnosestellung wichtig, um die Übertragung, zum Beispiel auf medizinisches Personal, zu verhindern. Die Diagnose wird auf Basis epidemiologischer Kriterien gestellt, wie Jahreszeit, Aufenthaltsort, Zeckenbiss in der Anamnese, klinische Symptome sowie dem Nachweis der Thrombo- und der Leukopenie. Aufgrund der unspezifischen Symptomatik ist die Labordiagnostik essenziell, um andere Krankheiten auszuschließen. Als mögliche Differenzialdiagnosen kommen unter anderem Typhus oder Dengue-Fieber infrage. 

Kein Impfstoff verfügbar

Das SFTS-Virus wird als hochpathogener Erreger der Risikogruppe 3 eingestuft. Der Virusnachweis kann per RT-PCR erfolgen, allerdings nur in Laboren, die die entsprechende Sicherheitsstufe aufweisen. Spezifische Antikörper sind etwa ab dem siebten Tag nach Krankheitsbeginn nachweisbar, wobei man IgG dann bis zu fünf Jahre später noch findet, die IgM-Konzentration dagegen bereits nach vier Monaten unter die Nachweisgrenze sinkt.

Auch einen Impfstoff gibt es derzeit nicht. Menschen in Risikogebieten sollten sich deswegen vor Zeckenbissen schützen und hohes Gras, niedrige Büsche und andere Orte, an denen sich Zecken aufhalten, wenn möglich, meiden. Zudem wird empfohlen, Mensch und Tier nach Aktivitäten im Freien nach Zecken abzusuchen. Außerdem sollen Repellents verwendet werden, zum Beispiel DEET. Konzentrationen über 20 Prozent schützen die Haut mehrere Stunden. Und auch mit Permethrin beschichtete Kleidung bietet Schutz vor Zeckenbissen. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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