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Broschüre zum Rx-Versandverbot
Der Apothekenmarkt aus der Sicht von DocMorris
Die niederländische Versandapotheke DocMorris mischt sich in den Bundestagswahlkampf ein. Rund zweieinhalb Wochen vor der Wahl verschickt der EU-Versender an Bundestagskandidaten eine Broschüre mit dem Namen „Der Rx-Versandhandel: Mythen und Fakten“. In dem Papier erklärt DocMorris unter anderem, „bis auf wenige“ Ausnahmen Rezepturen herzustellen und mehr Pflichten als eine Vor-Ort-Apotheke zu haben.
Relativ ruhig war es in den vergangenen Wochen um die EU-Versandapotheke DocMorris geworden. Hatte der EU-Versender in den Wochen und Monaten nach dem EuGH-Urteil im Rahmen einer breit angelegten PR-Kampagne noch laut gegen das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Rx-Versandverbot protestiert, hat man in den vergangenen Wochen wenig aus der PR-Schmiede der Niederländer gehört. Überraschen dürfte das nicht: Schließlich ist das Versandverbot aufgrund der nahenden Wahl vorerst vom Tisch und DocMorris kann wahrscheinlich bis ins nächste Jahr hinein Rx-Arzneimittel versenden und beliebig hohe Rx-Boni anbieten.
Mit dieser Ruhe ist nun aber Schluss. Die Versandapotheke verschickt in diesen Tagen E-Mails an Kandidaten für den nächsten Deutschen Bundestag. Völlig unklar ist, an wie viele Politiker und an welche Parteien DocMorris die Broschüre schickt – das Unternehmen wollte sich zu allen Fragen von DAZ.online über das Papier nicht äußern. Im Anschreiben an die Politiker beschwert sich Vorstandsmitglied Max Müller darüber, dass die Debatte um den Versandhandel von einigen Beteiligten „nicht faktenbasiert, sondern interessengeleitet“ geführt werde. Und weiter: „Um zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren, habe ich mir erlaubt, Ihnen eine Faktenübersicht unsererseits beizulegen.“
In der Broschüre selbst listet der EU-Versender zahlreiche Argumente auf, die aus seiner Sicht gegen ein Rx-Versandverbot sprechen. Unter anderem heißt es darin, dass das Verbot insbesondere Chroniker, Gehbehinderte, finanziell schlechtergestellte Menschen und Bewohner ländlicher Regionen treffen würde. DocMorris legt dazu eine Deutschlandkarte zur Apothekendichte bei (s. unten), die aus einem Informationsportal des Forschungsministeriums stammt. Mit Blick auf Menschen in Regionen mit einer geringen Apothekendichte erklärt der EU-Versender: „Würde der Versandhandel wegfallen, wäre ihre Arzneimittelversorgung massiv erschwert.“
DocMorris: Rx-Versandhandel gefährdet Apotheken nicht
Zum wiederholten Male stellt DocMorris auch die Behauptung auf, dass die EU-Versender keinerlei Gefahr für die Apotheke vor Ort in Deutschland darstellten. Zur Begründung führt das Unternehmen zunächst an, dass die Apothekenzahl zwar gesunken sei, dies aber nicht am Versandhandel, sondern an Nachwuchsproblemen und dem ländlichen Ärztemangel liege. Ein weiteres DocMorris-Argument ist, dass die Zahl der Beschäftigten in Apotheken seit der Einführung des Versandhandels deutlich angestiegen sei. Ohnehin werde nur jedes hundertste Rezept bei Versandapotheken eingelöst, der Versandhandel alleine habe nur einen Marktanteil von 0,93 Prozent.
Die Niederländer beziehen sich dabei auf nachvollziehbare Zahlen
der ABDA, des BMG und der Krankenkassen und erklären weiterhin, dass sich der
Gesamtumsatz der Apotheken seit der Einführung des Versandhandels nur
gesteigert habe, ebenso wie der Nettoumsatz pro Apotheke. Die Umsätze im
Rx-Versandhandel seien seit 2010 sogar zurückgegangen. Dass sich DocMorris nach dem EuGH-Urteil selbst über steigende Rx-Umsätze erfreut, steht in der Broschüre allerdings nicht. Zur Erklärung: Im ersten Quartal 2017 hatte die Versandapotheke bei den Rx-Medikamenten ein Umsatzplus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingefahren.
Werbung für BVDVA-Vorschlag
DocMorris verweist darauf, dass „Experten und Politiker“ zahlreiche Vorschläge vorgelegt hätten, die kein Versandverbot beinhalten. Als Beispiele nennt der EU-Versender den Vorschlag des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA), einen Apothekensystem-internen Ausgleich zwischen Land- und Stadtapotheken zu etablieren, sowie den Vorschlag der SPD und der Grünen, Beratungsleistungen der Apotheker zu vergüten. Dass diese Vorschläge nicht realisiert wurden, liegt laut DocMorris vornehmlich an der ABDA: „Allen Vorschlägen hat sich vor allem der Apothekerverband ABDA widersetzt und abgesehen von einem Verbot noch keine eigene Lösung präsentiert.“
Mit Blick auf den Gesetzentwurf aus dem BMG erinnert das Unternehmen auch daran, dass gleich mehrere Bundesministerien Einspruch gegen das Versandverbot eingelegt hatten. Dass die Holland-Boni zulasten der deutschen Solidargemeinschaft gingen, weist das Unternehmen ebenfalls von sich. Schließlich würden die EU-Versender „einen Teil ihrer Marge“ durch Boni an die Käufer weitergeben. „Den Kranken- und Sozialkassen entgeht dadurch kein einziger Cent“, schreibt DocMorris.
DocMorris erklärt Rezeptur-Ausnahmen
Spannend wird es noch einmal im letzten Drittel des Papiers. Dort beschreibt DocMorris unter anderem, dass die Übergabe von Medikamenten an der Haustür sicher sei – die Übergabe an Kinder sei ausgeschlossen, weil auf den Paketen stehe, dass nur Erwachsene die Sendung empfangen dürfen. Die Zusteller seien an diese Vorgabe gebunden. Gegenüber DAZ.online bestätigte aber ein Sprecher des Logistikkonzerns DHL, dass die Postboten sich gerade nicht an diese Aufdrucke auf den Paketen halten sollen. Man könne in einem solchen „Massen-Geschäft“ schlicht nicht gewährleisten, dass kundenindividuelle Vorgaben entlang der Prozesskette berücksichtigt werden. Vielmehr könnten die Versender eine Extra-Leistung buchen, bei dem der Zusteller das Alter des Empfängers verifizieren muss. DocMorris selbst wollte sich nicht dazu äußern, ob man diese Extra-Dienstleistung gebucht habe.
Auch interessant ist die Aussage von DocMorris zum Thema Rezeptur-Anfertigung. „Auch DocMorris fertigt bis auf wenige Ausnahmen Rezepturen an“, schreibt das Unternehmen in seiner Broschüre. Welche Ausnahmen der EU-Versender meint, wird nicht beschrieben. Kunden sollten Details dazu mit dem Telefonservice abklären. Mehrfach hatten Kammern und Verbände der Apotheker DocMorris vorgeworfen, Rezepturwünsche abzuweisen.
Polit-Promis gegen das Rx-Versandverbot
Gewagt ist auch die Aussage in der Broschüre, dass Versandapotheken mehr Pflichten als stationäre Apotheken haben. Als Beispiele nennt das Unternehmen die Pflicht, dass Medikamente binnen zwei Tagen beim Besteller sein müssen oder dass Versender eine kostenlose Zweitzustellung ermöglichen und ein Kundeninformationssystem haben müssen.
Immer wieder tauchen in dem Dokument auch Zitate aus Medienberichten auf, die sich kritisch mit dem Rx-Versandverbot befassen. DocMorris zitiert beispielsweise einen Bericht des „Manager Magazins“, in dem die ABDA-Unterschriftenaktion angegriffen wurde, da sie eine „nationalistische Rhetorik“ habe. Andere Überschriften lauten „Wie im 19. Jahrhundert“ (Handelsblatt), „Zum Schaden der Patienten“ (Spiegel) oder „Gänzlich absurd“ (Heilbronner Stimme). Auf den letzten Seiten der Broschüre zitiert DocMorris außerdem prominente Gegner des Verbotes, darunter Brigitte Zypries, Sigmar Gabriel, Christian Lindner oder AOK-Chef Christopher Hermann. Die Quellen dieser Zitate nennt die Versandapotheke aber nicht.
4 Kommentare
Reaktion
von Florian Becker am 07.09.2017 um 15:26 Uhr
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Lieferung in 2 Tagen? Haha. Süß.
von Wedel Wink am 06.09.2017 um 21:06 Uhr
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AW: Lieferung in 2 Tagen? Haha. S
von Christian Becker am 07.09.2017 um 7:24 Uhr
Schon wieder die aggressiven Holländer!
von Heiko Barz am 06.09.2017 um 18:19 Uhr
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