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Übernahmekandidaten der DocMorris-Mutter
Wen kauft Zur Rose?
Die Konsolidierung auf dem Versandapotheken-Markt ist in vollem Gange. Erst kürzlich teilte die Shop Apotheke mit, die Europa Apotheek zu übernehmen. Auch die DocMorris-Mutter Zur Rose will zukaufen, allerdings in Deutschland. Aber wer käme für einen solchen Kauf überhaupt in Frage? Unternehmen wie MyCare, Apodiscounter, Eurapon oder Sanicare könnten in den Fokus von Zur Rose geraten. Interessant ist auch die Frage, wie der Deal rechtlich funktionieren könnte.
Mit der Übernahme der Europa Apotheek Venlo will die niederländische Shop Apotheke nach eigenen Worten ihre Marktführerschaft im europäischen Online-Versand von Medikamenten ausbauen und Kosten sparen. Erst vor einem Jahr hatte das Unternehmen das Geschäft der belgischen Apotheke Farmaline übernommen und damit seine Stellung in Europa deutlich gestärkt.
Druck auf Zur Rose
Diese Entwicklungen gehen auch an der nach eigenen Angaben größten Versandapotheke Europas, Zur Rose, nicht spurlos vorbei. Wenngleich das Unternehmen sein Geschäft insbesondere in Deutschland und der Schweiz in den vergangenen Jahren bereits deutlich erweitert hat, steht das Management nach Einschätzung von Marktkennern insbesondere mit dem Deal der Shop Apotheke unter Zugzwang, seine Position weiter zu festigen - zumal der Arzneimittel-Versender auch von anderer Seite in seinem Heimatland kräftig unter Druck gerät.
So berichtete die Schweizer Handelszeitung kürzlich, dass der Chef der dort ansässigen Optikkette Visilab, Daniel Mori, den Einstieg in den Medikamentenversand plane. Damit würde er in Konkurrenz von Zur Rose treten. „Die Lizenz von Swissmedic haben wir. Zusammen mit einem großen internationalen Partner wollen wir einen Versandhandel für pharmazeutische Produkte in der Schweiz lancieren“, zitierte die Zeitung Mori. Ende dieses Jahres, spätestens Anfang 2018 soll es so weit sein.
Tatsächlich zeigt sich die Führung von Zur Rose nicht untätig. Anfang Juni hat die DocMorris-Mutter angekündigt, eine „aktive Rolle in der Marktkonsolidierung einnehmen“ zu wollen. Man habe mit dem Eigentümer einer auf rezeptfreie Medikamente fokussierten deutschen Versandapotheke eine Absichtserklärung im Hinblick auf die Übernahme seines Geschäftsbetriebs unterzeichnet. Der Umsatz im sogenannten Segment Deutschland von Zur Rose solle dabei um „mehr als 10 Prozent“ steigen.
Deal bis zum Jahresende 2017
Während es damals noch hieß, das Geschäft solle möglichst bis zum Ende des dritten Quartals abgeschlossen sein, nannte Zur Rose bei der Präsentation seiner Halbjahreszahlen am 23. August, die Vertragsunterzeichnung werde „für dieses Jahr“ angestrebt. Die Gespräche würden geführt, Voraussetzung für einen Abschluss seien aber „eine zufriedenstellende Due Diligence und die Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen.“
Gegenüber dem Schweizer Wirtschaftsmedium „Finanz und Wirtschaft“ (FuW) konkretisierte Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli kürzlich zudem: „Wir sind gut unterwegs“. Das Blatt wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass anlässlich des Börsengangs von Zur Rose im Sommer dieses Jahres kommuniziert worden war, dass von den eingenommenen Mitteln von brutto gut 230 Millionen Franken (rund 215 Millionen Euro) etwa 60 bis 80 Millionen Franken (56 bis 74 Millionen Euro) für Zukäufe zur Verfügung stünden. Das Geld solle voraussichtlich nicht für eine einzige, sondern mehrere Transaktionen verwendet werden.
Wer kommt rein rechnerisch in Frage?
Auch wenn Zur Rose keine Angaben macht, mit welcher deutschen Versandapotheke das Management verhandelt, so lässt der Hinweis auf den dadurch angestrebten Umsatzzuwachs Rückschlüsse zu, welche Firmen in Frage kommen könnten. Das Segment Deutschland von Zur Rose umfasst die Aktivitäten von DocMorris sowie der Zur Rose Pharma GmbH in Halle und erwirtschaftete 2016 laut Geschäftsbericht einen Umsatz von 409,2 Millionen Franken beziehungsweise umgerechnet 382 Millionen Euro. Unterstellt man, dass das durch den Zukauf angestrebte Umsatzplus zwar über zehn Prozent, aber auch nicht allzu weit entfernt davon liegt, würde dies bedeuten, dass als Übernahmekandidaten solche deutschen Versandapotheken in Frage kommen, deren Umsatz im Bereich von knapp 40 bis 50 Millionen Euro liegt.
Eine Handvoll Kandidaten
In Branchenkreisen weist man darauf hin, dass dieses Kriterium auf rund eine Handvoll Unternehmen zutrifft: „Es gibt vier bis fünf Apotheken, die aus Deutschland heraus operieren, ein eigenes Versandgeschäft aufgemacht haben und jährlich 40 bis 50 Millionen Euro umsetzen“, so der Vertreter eines Arzneimittel-Versenders zu DAZ.online.
Nach einer Erhebung des Statistikportals Statista für das Jahr 2016 fallen folgende Unternehmen in diese Größenordnung: Mycare mit 37 Millionen Euro, Eurapon mit 43,3 Millionen Euro und Apodiscounter mit 46,5 Millionen Euro. Nach der Statista-Auflistung steht an nächster Stelle Sanicare, allerdings bereits mit einem Umsatz von 58,1 Millionen Euro, gefolgt von Shop Apotal mit 72,2 Millionen Euro und Apo-Rot mit 82,8 Millionen Euro. Am unteren Rand der Umsatzskala könnte auch das Unternehmen Volksversand mit einem Umsatz von 36,7 Millionen Euro das Größenkriterium erfüllen; allerdings hat das Unternehmen seinen Sitz in Tschechien und dürfte damit aus dem Raster fallen.
Mycare, Eurapon, Apodiscounter
Laut Statista stammen diese Umsatzzahlen aus der in Zusammenarbeit mit dem EHI Retail Institute durchgeführten Studie E-Commerce-Markt Deutschland 2017, welche die 1000 größten deutschen Online-Shops für physische Güter auflistet. Gemessen an dem Umsatzkriterium von Zur Rose und auf Basis der Statista-Zahlen kämen damit insbesondere Mycare (die Versandapotheke von BVDVA-Chef Christian Buse), Eurapon und Apodiscounter am ehesten als Kaufkandidaten in Frage. Auf Anfrage von DAZ.online gaben die genannten Unternehmen keine Auskunft. Auch Zur Rose äußerte sich nicht auf Nachfrage von DAZ.online.
Wie könnte der Deal überhaupt funktionieren?
Bei allen Spekulationen um den Kauf einer deutschen Versandapotheke ist zu beachten: Zur Rose ist eine Kapitalgesellschaft und kann wegen des Fremdbesitzverbotes gar keine Apotheke erwerben und besitzen. Es ist somit unklar, wie sich Zur Rose den Deal im Detail vorstellt. Mit einer deutschen Versandapotheke (Zur Rose-Versandapotheke in Halle) ist der Konzern schon verflochten. Das Geschäftsmodell stand schon auf dem juristischen Prüfstand – in der Sache wurde allerdings letztlich nicht darüber befunden.
Klar dürfte auch sein, dass sich die Schweizer einen anderen Weg suchen als den, den DocMorris vor einigen Jahren mit seiner Fremdbesitz-Apotheke in Saarbrücken ging. Dieser wurde bekanntlich vom Europäischen Gerichtshof gestoppt, der 2009 das deutsche Fremdbesitzverbot für europarechtskonform befand. Denkbar wäre daher zum Beispiel, dass die avisierte deutsche Versandapotheke ihren Sitz schlichtweg in die Niederlande verlegt. Möglicherweise könnte der Konzern auch erneut ein ungewöhnliches Konstrukt wählen. Wenn man das Vorgehen von DocMorris in Hüffenhardt kennt, ist klar, dass Zur Rose auch gerne einmal juristisch fragwürdige Geschäftsmodelle testet.
Stärkung des OTC-Geschäftes
In jedem Fall würde DocMorris mit einem derartigen Zukauf sein OTC-Geschäft in Deutschland deutlich ausbauen. Im ersten Halbjahr 2017 erwirtschaftete die Onlineapotheke 116,7 Millionen Euro mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und 61,5 Millionen Euro mit OTC-Produkten. Der OTC-Bereich macht damit derzeit knapp die Hälfte des Rx-Segments aus, weist allerdings deutlich stärkere Wachstumsraten auf. Interessanterweise geht die Shop Apotheke mit ihrer geplanten Übernahme der Europa Apotheek genau den umgekehrten Weg: Während Shop Apotheke das Gros seines Jahresumsatzes von zuletzt 177 Millionen Euro mit OTC macht, erwirtschaftet die Europa Apotheek den größten Anteil des Erlöses in Höhe von 141 Millionen Euro mit Rx-Produkten.
Um wieviel Zur Rose beziehungsweise DocMorris den OTC-Umsatz durch eine Übernahme steigern könnte, macht ein Blick auf Zahlen der Münchener Marketingagentur Dr. Kaske deutlich. Die hat auf Anfrage von DAZ.online die jeweiligen OTC-Umsätze der in Frage kommenden deutschen Versandapotheken für das Jahr 2016 herausgefiltert - also den Bereich, den Zur Rose nach eigenen Angaben vor allem interessiert. Demnach brachten es die Unternehmen hier auf folgende Umsätze (in Millionen Euro): Mycare 20,9; Eurapon 20,3; Apodiscounter 24,9; Sanicare 33,2; Shop Apotal 64,2 und Apo-Rot auf 39,2. Laut Dr. Kaske beziehen sich die Zahlen ausschließlich auf den Onlineversand und umfassen auch Geschäfte mit Kosmetika und Gesundheitsmitteln.
Konsolidierung geht weiter
Marktkenner messen der angestrebten Übernahme eines deutschen Versandhändlers allerdings nur eine begrenzte Bedeutung zu. So schätzt Sibylle Bischofberger, Analystin der Zürcher Kantonalbank, dass der Deal die Märkte nicht sonderlich bewegen wird. Gegenüber DAZ.online erklärte sie, dass nach ihrer Einschätzung ein Zukauf außerhalb Deutschlands mehr Sinn machen würde: „Da Zur Rose über DocMorris in Deutschland bereits präsent ist, wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, in Zukunft in anderen europäischen Ländern zuzukaufen, um auch dort Fuß zu fassen.“
In jedem Fall dürfte mit der angekündigten Übernahme die Konsolidierung auf dem Markt der Online-Apotheken nicht zu Ende sein. Auch Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli geht davon aus, dass sich die Entwicklung weiter fortsetzen wird. Einer der Gründe: Viele Apotheken hätten Nachfolgeprobleme, der Preiswettbewerb werde härter. Es ist anzunehmen, dass Zur Rose hier weiter kräftig mitspielen wird.
Amazon bereitet Markteinstieg vor
Zudem droht der Einstieg eines ganz großen Players wie Amazon, der die Marktgewichte mit einem Schlag erheblich verschieben würde. Wenngleich sich das vor Kurzem aufgeflammte Gerücht, Amazon wolle Shop Apotheke übernehmen, als falsch herausstellte, so hat der Logistik-Konzern auf dem Heimatmarkt USA bereits klar gestellt, in den Healthcare-Bereich einsteigen zu wollen. Laut dem US-Nachrichtensender CNBC hat der Versandgigant schon Fachleute aus dem Gesundheitssektor eingestellt. Zudem hat die US-Bank Goldman Sachs untersucht, wie und in welchen Bereichen sich Amazon in dem Sektor breit machen könnte. Als besonders hoch wird dabei die Möglichkeit erachtet, dass der Konzern sich im Arzneimittelhandel mit einem bereits existierenden Unternehmen zusammentut. Eine weitere Variante wäre demnach, dass der Logistikriese eine eigene Online- beziehungsweise Versandapotheke aufmacht.
Diese Vorgehensweise kann Zur Rose-Chef Oberhänsli durchaus nachvollziehen. Gegenüber „Finanz und Wirtschaft“ sagte er kürzlich: Wer in den Markt einsteigen wolle, müsse das über Akquisitionen tun, denn die Markteintrittsbarrieren seien sehr hoch. Das Geschäft selbst von null an aufzubauen, wäre zu aufwendig, vor allem wegen der regulatorischen Ansprüche und der regionalen Unterschiede von Land zu Land, aber auch wegen der anspruchsvollen Logistik und der Prozesse.
5 Kommentare
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